Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Grenzler-Sorgen im nördlichen NO.1920 Bitte an Kard. Piffi Resolution I. Die heute den 29. Februar 1920 im Ge meindesaale zu Böhmischkrut, Nieder österreich, versammelten Bürgermeister, die mehr als 60 Gemeinden der Gerichts bezirke Feldsberg,Foysdorf, Mistelbach und Zistersdorf vertreten, sehen sich in Sorge um deren Existenz und Lebens möglichkeit, gezwungen, zu der durch den Friedensvertrag von St-Germain ver fügten Abtrennung des March-ThayaDreieckes vom österreichischen Staate Stellung zu nehmen. Diese mehr als 60 Gemeinden sind be züglich der Beschaffung desfürHausund Herd, Wirtschaft und Werkstatt nötigen Bau-, Nutz- und Brennholzes, die des Heues und der Streu,auf die Wälder und Wiesen des erwähnten, zur Abtrennung verurteilten Landstriches unbedingt an gewiesen. Das March-Thaya-Dreieck ist dasalleinige mächtige Reservoir,ausdem die daran anschließenden Gemeinden Niederösterreichs ihren Holz- und Futter bedarf decken. Seit einem Jahrtausend sind die Wälder und Wiesen des Mün dungsgebietes der Thaya mit dem Lande Niederösterreich politisch vereinigt und in weiser Vorsichthaben unsre Vorfahren diese Vereinigung vollzogen, weil die March-Thaya-Au mit dem anstoßenden niederösterreichischen Hinterlande ein unzertrennliches Ganzes bildet. Die Aufhebung dieser Vereinigung be deutet für alle 60 Gemeinden den Ruin und den Untergang. Weder der ohnehin waldreiche tsche choslowakische Staatnochdas mährische Gebiet, dem das March-Thaya-Dreieck angegliedert werden soll, benötigen die Wälder, Wiesen und Weiden desselben. Derans March-Thaya-Dreieck anrainende Teil Südmährens hat 16 bis 20mal mehr Wälder derselben Güte und Art, wie es jene sind,die uns weggenommen werden sollen.Während dastschechoslowakische Reich des zur Abtrennung bestimmten Gebietes gar nicht bedarf und es wirt schaftlich nicht benötigt,sind die Wälder und Wiesen des March-Thaya-Dreieckes für unsere mehr als 60 Gemeinden eine unentbehrliche Notwendigkeit, zumal diese Gemeinden in wald- und wiesenar men Bezirken liegen. Haben aber unsere Gemeindenschon in normalen Zeiten, vor dem Kriege, jene Wälder und Wiesen,die uns der unglück licheFriede von St-Germain nehmen will, nicht entbehren können,so vermögen sie in der gegenwärtigen Kohlen- und Hblznotund beidem Mangelan Futterartikeln, noch weniger ohne dieselben zu existie ren. Jene Bestimmung des Friedensvertra ges, wonach der Thayafluß die neue Grenze zwischen Österreich und dem tschechoslowaischen Staate bilden soll, mag vielleicht für den ersten Moment als eine einfache, zweckdienliche Grenzfüh rung erschienen sein. Die Vertreter der hohen aUiierten Mächte konnten aber,in Unkenntnis der lokalen Verhältnisse, nicht wissen, daß dadurch dem Vertrag ein schwerer Mangel entstand. Und ein solcher Mangel ist, daß mehr als 60 Ge meinden durch obige Grenzbestimmung dem wirtschaftlichen Ruin entgegen ge hen müssen. Deshalb haben die versam melten Bürgermeister den einstimmigen Beschluß gefaßt: Eine Revision und Abänderung des Friedensvertrages ist unbedingt notwen dig und wird zur Behebung des vorer wähnten Mangels von den hiefür kompe tenten Stellen dringendst erbeten. Das March-Thaya-Dreieck, ohne wel ches die mehr als60Gemeinden nicht be stehen können, soll bei der Republik Österreich verbleiben. II. Sollte aber wider alles Erwarten die Ab trennungdesMarch-Thaya-Dreieckesvon der Republik Österreich nicht aufgehal ten werden können(wobeiwir unsjedoch die Möglichkeit einer späteren Revision jederzeit vorbehalten)-dann müßten wir im Interessedervon unsvertretenen mehr als 60 Gemeinden dringend verlangen, daß unsere Regierung folgende Forde rungen vertrete und durchsetze: 1. AllerGrund und Bodensamtden dar auf befindlichen Erzeugnissen und Ge bäuden,dernunjenseitsderneuen Grenze zu liegen kommt und bisher zu Nieder österreich gehörte, soll seinen Besitzern ungeschmälert und uneingeschränkt er halten bleiben, mögen letztere Private oder Gemeinden oder andere Körper schaften oder Pfründen sein. All die be zeichnenden Liegenschaften müssen ih ren Eigentümern ohne alle Beschränkung in Besitz und Nutzgenuß verbleiben und können ihnen wederenteignetnoch unter Zwangsverwaltung gestellt werden. 2. Kein Eigentümer oder Nutznießer ei nes sub Nr. 1 beschriebenen Grundstükkesdarfan dessen Benützung,Begehung, Bearbeitung oder Abfechsung irgendwie behindert werden. Jeder soll berechtigt sein, die Produkte seines Besitzes an Ort und Stelle frei verkaufen und hiezu Käu fereinladen zu können.DerVerkaufkann in der gleichen Währung stattfinden, wie bisher. Die Eigentümer und Nutznießer der Felder können selbst für den Schutz derselben sorgen und auch vom tsche choslowakischen Staate den Feldschutz verlangen. 3. Von den Produkten, die auf den zur Abtrennung von Deutschösterreich be stimmten Grundstücken gewonnen wer den,seien sie Feldfrüchte oderGras,Heu, oder Bäume, Holz in irgendeiner Form, darf kein Zoll oder Abgabe eingehoben werden, wenn sie nach Österreich her übergeschafft werden. Von den Grund stücken selbst darf keine höhere Steuer gefordert werden,als sie der tschechoslo wakischeStaatvon den anderen Gründen des Reiches einhebt 4. Weil unsere mehr als 60 Gemeinden der Wälder, Wiesen und Weiden des March-Thaya-Dreieckes auf keinen Fall entbehren können, ohne wirtschaftlich dem Untergange zu verfallen, und weil, wie früher erwähnt, das ans Dreieck an stoßende mährische Hinterland ohnehin über genügend Wald und Wiesen verfügt, so verlangen wir,daß die Bodenprodukte jener Wälder und Wiesen, alles Bau-, Nutz- und Brennholz, sowie Gras, Heu und Stroh nurfür die zollfreie und direkte Ausfuhr nach Deutschösterreich reser viert bleibe. Die Bezahlung der Produkte sollin österreichischer Währung erfolgen. Zur Gewinnung der Wald- und Wiesen produkte können die Österreicher ohne Behinderung in den Wäldern und aufden Wiesen arbeiten oder arbeiten lassen. Zur Erreichung diesesZweckesistesin Sonderheit nötig, daß der am linken Thayaufer gelegene Besitz der Fideikommiss-Herrschaft Rabensburg bei die serverbleibe,nie enteignetwerden oderin Zwangsverwaltung kommen dürfe.Auch sollen die Heger- und Forsthäuser, die schon aus Rücksicht auf die jährlichen Überschwemmungen durch Thaya und March nuram rechten Thayaufererrichtet werden konnten,dort verbleiben und von da aus Wald und Wiesen verwaltet wer den,weil so die Bevölkerung des interes sierten österreichischen Hinterlandes mit den Forstorganen leichter verkehren kann. Diese Forstorgane sollen dem Forstamte Rabensburg unterstehen, weil sie nur derartdasfür ihre Tätigkeit nötige Vertrauen derBevölkerunggenießen und weil nur solcherweise Garantie gegeben ist, daß die abzutrennenden Gebiete uns zu Nutzen bewirtschaftet werden. 5.Zur Benützungderjenseits derThaya gelegenen Weiden, die bisher zu Nieder österreich gehörten, kann das Vieh ohne jede Behinderung dorthin getrieben wer den. Es kann hiefür österreichische Schutz- und Aufsichtsmannschaft ver wendet imd auch vom tschechoslowaki schen Staate der entsprechende Schutz verlangt werden.Für den Unterstand des Viehs können Schuizhütten errichtet werden. 6. Die Mühle in Rabensburg und die dazugehörigeWasserwehr,diefürdieum liegenden Ortschaften Österreichs unent behrlich ist, muß,für die Benützung sei tens dieser Orte, intakt erhalten bleiben. Eine zweckdienliche Vergrößerung oder Änderung der Mühle und der Wehr muß jederzeit möglich sein. Mühle und Wehr müssen auch im Falle einer Regulierung der Thaya bestehen bleiben. 7. Die Bewässerungsanlagen für die Wiesen beiRabensburgsollen verbleiben. 8. Falls die am rechten Thayaufer gele genen Ortschaften ein Elektrizitätswerk bauen und hiezu die Wasserkraft der Thaya benützen wollen, sollen sie hieran vom tschechoslowakischen Staate nicht behindert werden,sondern dazu alle För derung erfahren.. 9. Alle Servitute, die aufWald und Wie sen des March-Thaya-Dreieckes haften, alle Benützxmgsrechte hieran, alle Giebigkeiten,die von ihnen und an ihnen ge13

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