Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Daher seine Forderung für Wien: Aufhebung oder gründliche Reorganisierung des Pädagogiums!"'^) Zwar kündigte er noch als notwendig ein weiteres Bändchen an, das aktuell-praktische Lehrerprobleme behandeln und die sozialdemokratische Strömung in der Lehrerschaft beleuchten sollte®"^), doch kam es nicht zur Herausgabe. Mit scharfem Blick erkannte Stauracz die Frei maurer als die eigentlichen treibenden Hintermänner vornehmlich im Sdiulkampf und stellte sie durch ein paar aufklärende Schriften der Öffentlichkeit vor wie' „Die Loge an der Arbeit"®®), kennzeichnete „Wesen und ■ Ziele der Freimaurerei""®) und wies in „Freimausche lei" die Ziele der Gründer und Protektoren des Verei nes .Freie Sdiule' nach'®). Aus purem Haß gegen die katholische Kirche und zum Angriff auf den Klerika lismus sei diese Vereinigung gleich als Kampfverein gegen die Bestrebungen der VerchristLLchung der Schule im März 1905'^) konstituiert worden eben mit der Absicht, die vollständige Entchristlichung der öf fentlichen Sdiule und eine völlig religionslose Erzie hung der Schulkinder anzubahnen. Habe das jüdische Großkapital die entsprechenden Fonds zur Verfügung gestellt, so die Sozialdemokratie es genanntem Verein möglich gemacht, durch das Hineinziehen ihrer ganzen organisierten Masse sehr bedeutende örtliche Gruppen ins Leben zu rufen. Eindringlich warnte er daher vor dessen „Ränken". Stauracz fand aber nicht bloß noch Zeit, sondern nahm diese Säkularsorge wirklich tief ernst, nämlich den Darwinismus und mehr noch den Haeckelismus zu widerlegen, die sich als Grund und Nährboden der Naturwissenschaften anboten und als materialistische Weltanschauung im Jahrhundert der Naturwissen schaften und der Fortschrittsgläubigkeit den Monis mus dem Theismus imd vor allem dem Christentum nicht nur entgegenstellten, sondern dieses damit zu überwinden und auszutilgen suchten. In seinen „Dar winistischen .Haeckel'-eien-Voraussetzungslose Wissen schaft!"'^) anerkannte er natürlich, daß die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Forschung im 19. Jahr hundert verblüffend seien, erklärte jedcxh tapfer, daß man nicht oft genug zeigen könne, daß die materiali stische Weltanschauimg falsch imd haltlos sei, daß sie sich auf keine Resultate der Wissenschaft stütze, son dern die Geschichte des Herzens ihrer Vertreter sei. Wie mancher, der das Wort „Dogma" mit mitleidigem Achselzucken ausspreche imd es mit „Geistesknecht schaft" in Verbindung bringe, würde staunen, wenn er in sich ginge, und die Grundlage seiner „freien" Wissenschaft durchforschend zur Überzeugung käme, daß gerade diese „vorraussetzungslose" Wissenschaft auf so viele unbewiesene und unbeweisbare Dogmen sich stützt, daß sie Geistesknechtschaft ist — modern freilich, aber doch nichts als Geistesknechtschaft'''). Daß er gerade den Mann treffen wollte, der in der Zeit wie kein anderer Im Kampfe um die Weltanschauung das Christentum mit allen möglichen Mitteln zu ver nichten suchte, erklärte er unum-wunden. Falle näm lich der Herzog, so falle der Mantel nach''). Seiner Überzeugung nach sei eben der Darwinismus und noch mehr der Haeckelismus eine furchtbarste Waffe gegen das Christentum, weil sie von Professoren gelehrt und in den Lehrbüchern verbreitet wurden. Umso dring licher müsse deshalb eingeschärft werden, daß die An nahme eines persönlichen Gottes auch heute noch eine Forderung des gesunden Menschenverstandes und da her "ein wahres Postulat der Wissenschaft sei. Vor die sem einzigen wahren Gott des Christentums müßten all die ephemeren Götzenbilder des modernen Monis mus weichen, prophezeite er wider den Größenwahn vieler Gebildeter imd den Dünkel nicht weniger Halb gebildeter seiner Zeit eigens noch in einem Auszug des genannten Buches: „Des Darwinismus Glück und Ende"'®). Auch in diesem Fragenkomplex wies Stau racz seine ihm eigene Bildung, Belesenheit und sichere Urteilsfähigkeit nach, die ihm dazu verhalfen, den je weils gefährlichen Zeitirrtum und Gegner früh genug zu durchschauen, anzufassen und zu widerlegen. Er kannte und verfolgte auch wie nur wenige die damals so vielgestaltige Presse. Zur Information verkehrte er viel im Gast- und Kaffeehaus. So stand er mitten im Leben. Wie nicht anders zu erwarten, griff er daher auch schriftstellerisch in die heiße Debatte um die Borromäusenzyklika ein'®). Der „milde, friedliebende" Papst Pius X. hatte am 29. Mai 1910 zum 300. Gedenktag der Kanonisation des hl. Karl Borromäus diesen darin als Vorbild des treuen Hirten und unermüdlichen Vor kämpfers der wahren Reform dargestellt und im Kampf gegen den Mcxiernismus den Unterschied zwi schen wahren und falschen Reformatoren gezeigt. An fangs in falscher Übersetzung publiziert, die jedoch sogleich berichtigt wurde, rief sie unter den Prote stanten, die sich ob einiger Stellen über die Refor matoren des 16. Jahrhunderts und ihre Anhänger un ter Fürsten und Völkern beleidigt fühlten, einen Ent rüstungssturm hervor und führte zu schärfsten Inter pellationen im Abgeordnetenhaus Preußens und an derer deutscher Staaten, zu Kundgebungen des „Evan gelischen Bundes" und des „Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses" und sogar zu VorstelLimgen des Königs von Sachsen und einem Schritte Preußens bei der Römischen Kurie, woi'auf der Kardinalsstaats sekretär sich zur Erklärung veranlaßt sah, die um strittene Enzyklika sei in einran dem Papste fernlie genden Sinn ausgelegt worden, und Plus X. auf deren amtlichen Bekanntgabe durch den deutschen Episkopat verzichtete"). Wiederum beginnend mit ein«n • „Rückblick auf die Los-von-Rom-Bewegung" vornehmlich in Öster reich, gegen die er in seinen „Röntgenstrahlen" — der ersten Abwehrschrift — „unwidersprochen" festgestellt hatte, daß 1. die Religion als solche den Abfallsapo steln gleichgültig sei, 2. der Abfall zum Protestantis mus als besseres Schweißungsmittel mit dem evan gelischen Deutschland angestrebt werde, und 3. alles das unternommen werde, um das Schicksal Öster reichs und der Dynastie Habsburg zu besiegeln'®), widerlegte er die „Ostdeutsche Rundschau" (das Organ der Abfallsbewegimg), er wisse nicht, was er wolle, brandmarkte schärftstens die Schönerianer und ihr Treiben'®) und stellte dann fest: „Leute, die einge standenermaßen nur aus .völkischen Gründen' aus der katholischen Kirche auszutreten angetrieben werden, nimmt man mit offenen Armen auf! Leute, die .vor läufig' Protestanten werden, um aus dem Protestan tismus eine .Religion der Entwicklung' 2W schaffen; 66

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