Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

St. Michael seine Ernennung vorlas und nach kurzer Ansprache seinen Mitbrü dern den Friedenskuß gab, da kam es al len zum Bewußtsein, dieser Provinzial gehört nicht ihnen allein, sondern auch der Kaiserin und ihren Ministern." Maria Theresia spürte instinktiv den Zwiespalt zwischen dem Ordensmann Manzador und dem Diplomaten. Darum suchte und fand sie bald eine Gelegenheit, ihn festzulegen. Nach den Statuten der Spanischen Corporis-Christi-Bruderschaft bei St. Michael wurde alljährlich in der Oktav von Fronleichnam eine Prozes sion unterTeilnahme des kaiserlichen Ho fes abgehalten.'® Der Hochaltar glich an diesen Tagen einem Lichtermeer. Laut und wiederholt gab Maria Theresia bei ei nem solchen Anlaß ihrem Entzücken Ausdruck'^. Als sie nun am Mittwoch in der Fronleichnamsoktav des Jahres 1755 an der Prozession teilnahm, sagte sie in Gegenwartaller Ministerzu Manzador,sie wolle hoffen, daß ihm das neu auferlegte Amt des Provinzials nicht von der bevor stehenden Reise abhalten werde.'® Als Provinzial einer Kongregation, die alles der Gunst der Habsburger zu verdanken hatte, konnte Manzador kaum Einwände machen. Am 28. Juli 1755 reiste Manzador mit dem Herrn von Rottershausen,derihm als Aktuar beigegeben war,in einem vom Hof gestellten Reisegespann nach Oberöster reich." Vor mehr als zwei Jahren waren dort wegen der Lutheraner Unruhen aus gebrochen. Wer sich öffentlich als Luthe raner deklarierte,dem wurde die Transfe rierung nach Transsilvanien angeboten, wo er frei seinem Bekenntnisleben konn te. Manzador erhielt die Aufgabe, mit Klugheit und Gewandtheit alle Orte auf zusuchen,in denen man Lutheraner ver mutete, und den Stand der Dinge zu er forschen.MariaTheresia mußte von allem unmittelbar schriftlich in Kenntnis ge setzt werden. Außerdem habe ihr Manza dornach seinerRückkehr mündlich einen ausführlichen Bericht zu erstatten. Die Reise dauerte 44 Tage. Am 9. September kam Manzador von seiner Mission zurück. Da er sich wegen der Reisestrapazen und der Witterung unpäßlich fühlte, weilte er einige Tage zur Wiederherstellung seiner Gesundheitim Sommerhaus der Barnabi ten zu Hütteldorf. Er gab der Kaiserin einen Situationsbericht und empfahl die Errichtung von Missionsstationen unter Leitung eines Superiors aus dem Jesui tenorden." Jedes einzelne Gesagte und Getane fand die Billigung der Kaiserin. Sie empfand über alles die höchste Ge nugtuung und nannte Manzador ihren einzigartigen Trost. Im wesentlichen dachte man an die in der Kirche bereits bestehende Volksmission: Predigten mit dem Zweck,den alten Glauben und eine engere Verbindung mitChristusim kirch lich-sakramentalen Leben wiederherzu stellen.'' Die Visitation,die Manzadorim Auftrag der Kaiserin im Diözesangebiet des Bi schofs von Passau durchgeführt hatte, dürfte nicht gerade das Wohlgefallen des Ordinarius Kardinal von Lamberg gefun den haben,zumaldieserin vielen Punkten in bezug auf Religionsangelegenheiten anderer Meinung war als Maria Theresia. Der Konfliktstoff mußteso rasch als mög lich bereinigt werden. Auf Drängen der Kaiserin mußte Manzadoram 15. Oktober 1755 nach Passau reisen,um in ihrem Na men und ihrer Autorität mit Kardinal Lamberg zu verhandeln." Schon am 22. Oktober kehrte Manzador von dieser heiklen Mission zurück. Mehr als die Kai serin erwaöen konnte, hatte Manzador mit UnTsicht und Geschick zustande ge bracht. Und zwar in dem Maß,daß Kardi nal Lamberg in allem dem WiUen der Kai serin prompt und willig beipflichtete. Die Mission, die an sich so unerfreulich war, wurde durch Manzador so gefällig durch geführt, daß dies der Kardinal mit Gefäl ligkeiten seinerseits honorierte. Mit Spannung erwartete die Kaiserin Manza dor. Er mußte sofort zu ihr kommen und ausführlich alles erzählen. Sie überschüt tete ihn förmlich mit Zeichen ihrer über schwenglichen Genugtuung. Doch legte sie Wert auf Geheimhaltung des Ge sprächs mit Manzador.Sie hatte angeord net, daß niemand zu ihr Zutritt habe. Sie traf noch eine zusätzliche Vorsichtsmaß nahme: sie blieb nicht im Gebäude der Hofburg, sondern betrat mit Manzador den bei der Stadtmauer gelegenen Garten und ging mit ihm dort auf und ab. Durch diesen großen diplomatischen Erfolg bei Kardinal Lamberg ermutigt, beschloß Maria Theresia zur Durchfüh rung einer bedeutsamen Sache beim Hei ligen Stuhl, Manzador als ihren Unter händler nach Rom zu senden."Furcht be fiel ihn beim Gedanken, daß die Sache höchster Überlegung bedürfe, zugleich aber freute er sich,ausgerüstet mit kaiser licher Autorität, mit Benedikt XIV. ver handeln zu dürfen. Der Hofstaunte über diese auffallende Gunstbezeugung der Kaiserin einem Ordensmann gegenüber, das Volk bewunderte Manzador, seine Mitbrüder aber brachen in lauten Jubel aus. Am 11. Juni 1756 trat er die Reise mit einem Laien namens Görl als Sekretär an. Am 28. November 1756 kam er von Rom zurück. Seine Mitbrüder konnten über den Zweck der Reise nichts Sicheres er fahren, sie vermerkten aber, daß Manza dor mehrere Tage bei Maria Theresia ver weilte. Im Triennalbericht erwähnt Man zador nur kurz, er habe auftragsgemäß dem Papst alles auseinandergesetzt- ge meint sind Maria Theresias Pläne zur Kir chenreform in Österreich - und darüber verhandelt. Der Papst habe alles gutge heißen." Uber der schweren Last,die ihm als Di plomat aufgebürdet wurde,hat Manzador seine Pflichten als Ordensoberer nicht vergessen." Die Kollegien besetzte er mit würdigen Männern, sorgte für bewährte Beichtväter, observante Vikare und um sichtige Prokuratoren. Manzador führt hiezu einige Beispiele an,so den Vikar P. Don Maximilian Wadlim Kolleg St.Bene diktzu Prag,der nun schon 14 Jahre dem Prager Konsistorium als Assessor ange höre. Unter der Amtszeit Manzadors als Provinzial wurde 1756/57 der zwischen 1706-1710 begonnene Bau des Kollegs St. Michael beendet,"Er lobt P.Don Vincentius Linay,den Prokurator dieses Hauses, der mehr als alle anderen gearbeitet habe. Es wäre aberzu wenig,die Kollegien mit den besten Administratoren versehen zu haben,wenn nicht auch er persönlich das Amt eines guten Hirten ausgeübt hätte. Die Kollegien Mistelbach,St. Michaelund Margarethen am Moos habe er visitiert. Nur bei zwei Kollegien wäre ihm dies nicht möglich gewesen.Nach Pragkonnte er wegen der Kriegswirren nicht reisen, und als er Mariahüf visitieren wollte, be anspruchte ihn die Kaiserin. Auchfürden Ordensnachwuchshabeer Sorge getragen.Während seiner dreijähri gen Amtszeit hätten sieben Laienbrüder und fünf Kleriker die Profeß abgelegt.'® Das Philosophiestudium beginnen die Kleriker in Mistelbach und er selbst über zeugte sich über die Lemfortschritte am Schluß eines jeden Schuljahres. Manza dorfand in P.Don Johann Baptist Pogendorfer, einem gebürtigen Wiener," einen scharfsinnigen Lektor der Philosophie, der vertraut mit den Prinzipien der Peripatetiker, die philosophischen Diszipli nen mit den besten Methoden der Moder nen lehre. Stolz weist Manzador darauf hin, auch die theologischen Studien hät ten in seiner Provinz empfehlenswerte Früchte hervorgebracht. Um viele Jahre wären die Barnabiten mit ihrem Theolo giestudium dem neuen kaiserlich autori sierten Dekret,mitdem die Studien an der Wiener Universität festgelegt wurden,zu vorgekommen: Ausrichtung - auch der scholastischen Theologie - auf jene Fä cher, die der Nützlichkeit und der Erzie hung dienen. 1758 ging Manzadors Amtszeit als Pro vinzial zu Ende, nicht aber seine weitere Karriere. Beim Generalkapitel zu Rom wurde er 1758 zum Generalvisitator ge wählt.'® Am 27. April 1761 wurde Manza dor General der Barnabiten." Diese Nachrichtschlug in Wien wie eine Bombe ein. Unbeschreibliche Freude herrschte bei Adel und Volk.Freiherr Dr.Löschenkoll wurde mit der Organisation der Vor bereitungen für einen festlichen Empfang betraut. Fürst Liechtenstein regte an,der Adel und die Hofminister mögen für den Festzug ihre Karossen und Offiziale zur Verfügung stellen. Tausende Menschen säumten die Straßen, als am 25. Mai 1761 der Einzug in Wien erfolgte.Von Mariahilf ausgehend durch das Kärntnertor an der Augustinerkirche vorbei zum Hauptpor tal der Michaelerkirche, fuhr die Wagen kolonne in folgender Ordnung: 1. Die sechsspännige Karosse des Prälaten von Klostemeuburg. 2. Freiherr von Barten stein. 3. Graf de Betlem, Kanzler von Transsilvanien.4. General GrafCoUeredo. 5. Graf von Kaunitz-Rittberg. 6. Graf von Sinzendorf.7. Vicekanzler Grafvon Colleredo. 8. Prinz Esterhäzy. 9. Fürst Liech tenstein. 10. Fürsterzbischof von Wien Graf Migazzi mit dem neuen General der Barnabiten, P. Don Pius Manzador, dem Propst bei St. Michael, P. Don Edmund Hiedl und dem Zeremoniär des Erzbischofs. Weiters folgten die Kutschen des Propstes von Mariahilf u. a. Dann gab man Manzador das Geleite zum Hochaltar der Michaelerkirche, wo dankerfüllt das Tedeum angestimmt wurde. Nach der Huldigung durch den Adel fand zwei Tage später, am 27. Mai 39

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