der durch 68 Jahre Kaiser sein sollte, ge lang noch im gleichen Jahr die Wiederher stellung einer stabilen Autorität. Die Konstituierung einer freien Gemeinde Gaaden nach Abschaffung der Grund herrschaft ging am 25. Juli 1850in bestem Einvernehmen vor sich. Als Schlüsselfi gur dafür erwies sich der Hofstadler und Kalkbauer Johann Grill, welcher als letz ter Ortsrichter abtratund dannzum ersten Bürgermeister gewählt wurde. Darauf legte er in der Kirche seinen Amtseid ab. Es sollte nun nicht nur einen überaus lang regierenden Kaiser,sondern auch ei nen lange amtierenden volkstümlichen Pfarrer in Gaaden geben. P. Gundisalv Neumayer(1870-1904)schreibt u.a.in der Pfarrchronik: „Da für einen einzeln ste henden Seelsorger ein Oekonomie nicht recht paßt; den entweder ist er Seelsorger oder Bauer-so habe ich meine Wirtschaft aufJahre verpachtet,d.i.vom 1.1.1877 bis letzten Dezbr. 1882. Georg Gaumannmül ler u. dessen Eheweib Anna geb. Rankl sind die Pächter.Der Pachtzins ist 552 fl., wovon das Stift Heiligenkreuz für die so genannte Hofwiese 80 fl. erhält. Gaaden, am 31. Dezember 1876." Das Jahr 1884 hebt er dann als das schönste seines be reits 14jährigen Wirkens in Gaaden her vor.Zum Gedenken,daß 200Jahre vorher nach Abwehr der Türken wieder regel mäßiger Gottesdienst stattfinden konnte, entschloß man sich zur Anschaffung der allergrößten Glocke zu Ehren der Got tesmutter Maria für den zweiten Kirchenturm.Sie sollte nur bis zum Jahre 1917 er klingen, weil sie dann mit zwei anderen Glocken am 24. Februar für den Ersten Weltkrieg beansprucht wurde. Nur die eine hundert Kilogramm schwere Glocke ausdem Jahre 1689 durfte wegen ihres hi storischen Wertes erhalten bleiben. In diesen achtziger Jahren des vorigen Jahr hunderts sollte sich in Gaaden ein origi neller Volksbrauch herausbilden. Der Kraxenkirtag Von Waldmüllers (1793-1865) bezau bernder Landschaftsmalerei einer roman tisch verklärten Biedermeierzeit wird ge nau das festgehalten in seinem Bilde „Wildrosen", was Gaadens vermehrten wirtschaftlichen Aufschwung in derzwei ten Hälfte des 19.Jahrhunderts bedeutete. Die erhöhte Bautätigkeit einer von Bezirk zu Bezirk anwachsenden Hauptstadt in der Zeit industriellen Aufschwungs er weiterte die Nutzung der Kalkbestände. Die meisten Kalköfen,nämlich 26,des da bei mit 55 an der Spitze stehenden Bezir kes Heiligenkreuz, rauchten in Gaaden. Der holzgebrannte Kalk von dort stand nämlich an Güte obenan. Man sang in Gaaden: „Wenn die Kalkbauern hoazen, da rauchen die Gruabn, da möcht ajeds Diandl an Kalkbauernbuam." Die früheren einfachen Feldöfen wur den mit feuerfesten Ziegeln ausgekleidet und das Feuerloch mit geschmiedeten Ei sentüren geschlossen. Das Rohmaterial lieferte abgebauter Dolomit,der nicht den geringsten Anteil an Silikaten (Quarz) enthielt. Der daraus gebrannte Kalk er zielte, fein vermählen, eine besonders gute kratzerfreie Polierwirkung,Wenn die Männer bis in das Marchfeld am Kalke verdienten, so suchten die Hausfrauen durch Geflügelzucht und ihre Milchwirt schaft das Familienbudgetzu heben.Man traf nicht nur durstige Fuhrwerker auf den Straßen, sondern auch Mädchen mit Milchkannen an ihren Kraxen.Einen lau nigen Spruch darüber hat Liebleitner aus Mödling aufgezeichnet; ,,'s Millimadl von Gaaden hat in Milliamper verlorn; wann's in Milliamper nit findt, is der Millihandel wieder hint." Die Milchmädchen hinwieder riefen den Stänkerern zu: „Sei lustig, nit grantig sollst allaweil sein! Erwischt Du an Essig,so trink ihn als Wein." Dieses fleißige und lustige Völklein brachte einen neuen Brauch aufanläßlich der Kirchtagfeier. Wie oft in ländlichen Gegenden entstand zwischen den Be wohnern von Ober- und Untergaaden ein Gegensatz.Untergaaden galt mehr als das Viertel der Kleinhäusler, Obergaaden aber nannte sich das bessere Viertel. Am Festtag des hl. Kirchenpatrons Jacobus (25. Juli) dauerte das weltliche Feiern im Stiftsgasthaus 2 Tage hindurch und oft auch noch länger an. Der Volksmund weiß sogar zu erzählen, daß viele Männer eine ganze Woche den Weg nach Hause nicht fanden und,als besorgte Ehefrauen ihre Männer nicht heimbringen konnten, sie selbst mutig an deren Seite mitzech ten. Man hatte dazu auch bekannte Bau meister und Geschäftsfreunde eingela den.Man wollte sich nichtlumpen lassen. Die reich gewordenen Kalkbauem ließen ihre Gulden springen. Dadurch erhielt dieser Kirchtag die Bezeichnung ,,Nobelkirta". Die Holzknechte und die ärmeren Kalkbrenner konnten dabei natürlich nicht mithalten.Daher planten die Untergaadner einen eigenen Kirtag unter sich. Alsim Jahre 1875 der Rankl-Wirt eröffne te, begann am Schutzengelsonntag, den 7. September, eine Art Gegenkirta. Zum größten Arger des Wirtes bekam diese Feier den Namen Kraxenkirta. Er wurde nämlich hauptsächlich von solchen Leu ten besucht,die ihren häuslichen Holzbe darf mit der Holzkraxe auf dem Rücken heimschleppten.Als man dann zur Nacht zeit am Schornstein des Wirtshauses eine solche Holzkraxe anbrachte, wies der er zürnte Wirt die armen Gäste hinaus. Da sich aber sein ganzes Bemühen gegen die sen Spottnamen als erfolglos erwies,ging er in kluger Weise daraufein. Sein Kirtag, bei dem frische Burschen und Mädchen mit Blumen und Bändern geschmückten Holzkraxen erschienen,zog viele Neugie rige an.Ein neuer Volksbrauch warsomit entstanden. Gegenwart und Ausblick in die Zukunft Einschneidend ändert das motorisierte 20. Jahrhundert die Tätigkeit der Gaade ner und ihre örtliche Struktur. Ein zu nehmender Autoverkehr setzte nach dem ersten Weltkrieg in den 20er Jahren derart ein,daß Häuser,Bäume und Gärten stets mit einer Staubwolke überzogen waren. Gegenwärtig ist man aber durch die Asphaltierung der Straßen dieser Plage Herr geworden.Dazu kam auch eine Was serleitung, welche die Ortsbewohner mit gesundem Anningerwasser, hauptsäch lich vom ehemaligen Sprudelbrunnen her, versorgt. Allerdings verschwand da durch auch der ursprüngliche Weg neben seinem Abfiuß im Anningerwinkelzu Un tergaaden. Auch der Mühlgang, der den Teich oberhalb der ehemaligen Dorf mühle speiste, ist nun eingeebnet. Mit dem Teich verschwand auch der Arm des Baches in Mittergaaden und konnte nun für die notwendige Straßenverbreiterung dienen. Dafür entstand nunmehr ein mo dernes Amtshaus als Gemeindezentrum und ein Wohnblock am Mödlingbach ge genüber der Hofwiese.Auch das Dorfbild vergrößerte sich durch neue Seitenanla gen.Wozum Schenkenberg des Anninger eine große Gärtnerei und Obstbauman pflanzung angelegt war, reihen sich jetzt Häuser auf dem Gelände des Ebenfeldes. Verschiedene Wohnstätten wachsen wie Pilze in mittelalterlichem Weingartenge biet von der Bachwende biszum Wald des Mühlparzes. Der letzte Ausbau einer Zu bringerstraße zur Autobahn jenseits des Mühlparzes läßt eine weitere Besiedlung von Untergaaden erwarten. Hier ist eine sehr gesunde und geschützte Gegend.Der Anninger konnte nicht nur feindliche Ein falle aus dem Osten abschirmen,sondern auch Ungewitter von der entgegengesetz ten Richtung. Das drückt sich in einem sehr bekannten Volkslied aus: ,,In Sittendorf, Sittendorf mag i net bleibn, 's tuat oallaweil regnan und schneibn. Drum muaß i halt wieda nach Gaadn abi gehn, durt is oallaweil truckn und schön." (Refrain) Das geschützte Untergaaden hat nun durch weiteste Öffnung der Gaadener Klause eine rasche Verbindung zur Hauptstadt und in das westliche Öster reich. Man weiß aber auch um die Ver pflichtung zur Erhaltung dieser Kultur landschaft. Auf bester Tradition unseres Ortes und Landes will man nun im gemeinde.fbrdemden und religiös-kulturel len Sinn in dieser Zeitepoche des 850jährigen Kirchenjubiläums weiter tätig sein. Aufder Grundlage des Wahlspruches der religiösen Geistlichkeit des Cistercienserbischofs Otto von Freising - nämlich des Quadrates als Symbol der Beständig keit-entwarf Dipl.-Ing. Markus Spiegel feld bereits den Grundriß für eine Babenbergerkapelle am Fuße des Anninger und des äußeren Fluchtburgkogels in Unter gaaden.Dieses Vorhaben entspricht einer Notwendigkeit für streßgeplagte Men schen, die Ruhe und Erholung in guter Luft suchen.Damit kann man auch ihren religiösen Wünschen nachkommen. Schriftenverzeichnis Bezirksmuseumverein Mödling, Hei matbuch für den Bezirk Mödling,2(1957) 37
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