sich die mündliche Uberlieferung von Schuhmachersgattin Thumer, daß ein Franzose auf dem Wege zur Exekution mitleiderregend auf Kinder hinwies, da nun die seinigen gleich ohne Vater sein werden. Noch 1826 schreibt Seidlin „WiensUm gebungen":„Die armen Waldbauem näh ren sich fast einzig vom Verkaufdes Kal kes, den sie selbst brennen." Man sang folgenden Vierzeiler: Die Kalkbrenner san lustig, aber nur im Summer. Im Winter schreit der Geldbeutel vor lauter Hunger. Uber die Ereignisse in der Pfarre wer den wir nun durch Anlegung einer Pfarr chronik unterrichtet;„Memorabilien oder Ingedenkbuch der Pfarre Gaaden, ange fangen vom 1. May 1831,an welchem Tag diese Pfarre antratt P. Heinrich Kettin ger." Er schrieb darin bis 1. Februar 1834, eine für Gaaden bemerkenswerte Zeit spanne. Besinnung auf Gaadens Naturschönheit Unterdessen entdeckten die Großstäd ter die Natur; der bisher unwegsame An ninger,der so rebenreich das Wiener Bekken weithin beherrscht, begann ein be liebtes Ausflugsziel zu werden. Zunächst aber mußte der Pfarrchronist von der Wallfahrt der Gaadener berichten. Anlaß dafür gab die Cholera,welchevon Ungarn nach Österreich eingeschleppt worden war. 1831 widerstand man noch der Seu che,doch am 1.Juli 1832 brach sie in Gaa den aus und am 17. Juli in der Filialpfarre Sparbach. Hier starben zehn Personen daran,in Gaaden mußte man 16 Personen begraben.,,Alle sind noch zur rechten Zeit mit den heiligen Sterbesakramenten ver sehen worden",bemerkt der eifrige SeelsorgerT.Heinrich.Trotzdem erlebte Gaa den eine neuerliche Aufwertung, deren Hauptzeuge im Zeitalter der Romantik und des Biedermeier der Theaterdichter Ferdinand Raimund war. Das Land schaftsbild am Mödlingbach mit dem An ninger verlieh ihm befruchtendeImpulse. Eine Anekdote schildert eine Waldbegeg nungzwischen ihm und Franz Grillparzer. Dieserfragte ihn,als er ihn aufeinem Föh renbaum entdeckte, was er denn da oben mache; Raimund antwortete: „I dicht", sprang vom Baum herunter und reichte Grillparzer seine harzklebrige Hand.Eine Huldigung für Gaaden singt der Gäste chor in der 18. Szene des 2. Aufzuges sei nes daselbst verfaßten „Verschwenders"; ,,0 seht doch dieses schöne Tal, Wo prangt die Erd'durch höhern Reiz! Dem Kenner bleibt hier keine Wahl, Der Anblick übertrifft die Schweiz." Wenn man bedenkt,daß ihn ein Nerven leiden 1825 fast an den Rand des Grabes gebracht hatte und er in der Gaadener Luft Genesung fand, versteht man diesen Enthusiasmus. Der Mischwald mit seiner kräftigenden Wirkung bringt auf Kalkgestein den Nadeibaumwuchs hervor, während lichtes Buchengrün, das Waldmüller so leuch tend zu malen versteht, über den Sandsteinablagerungen wächst. Anregend auf Raimunds Phantasie konnten auch ein heimische Sagen einwirken.Man erzählte sich,daß in einer Anningerhöhle ein ural tes Tier hause, um verborgene Schätze ,,mit güldenen Kronen am Haupte"zu hü ten. Tatsächlich konnte man in einer sol chen Höhle bei Gaaden eine alte, teller große Unkefinden.Sie hatte darin für den Winter in dem hineingewehten Laub der Bäume Zufluchtgesucht.Aufihrem Kopf funkelten - fast daumengroß - hellgelbe Warzen,die Krönlein glichen. Im Jahre 1834 erschien zu Wien in einer Geschichte des Stiftes Heiligenkreuz von P.Malachias Kolleine besondere Abhand lung über Gaaden: „Ein Dorf in einem schönen, geräumigen Thale an der von Wien nach Groß-Maria-Zell führenden Straße,zwischen Heüigenkreuz und Medling, an dem Medlingerbache, bei wel chem sich eine Mahl- und 2 Gypsmühlen mit einer Kreidenfabrik befinden." Er stelltfest,daß es in dem dreigeteilten Orte einen Förster der Stiftsherrschaft und ei nen zweiten Förster miteinem Jäger auch vom kaiserlich-königlichen Waldamte gab. Eine solche Vorsorge für den Wald und die Jägerei forderte das dichterische Genie eines nach ländlicher Ruhe lech zenden Raimundzu einer Parodie„esgibt nichts Dümmeres als die Jagd" in seinem „Verschwender" heraus. Übrigens spielt diese Szene mit besonderem Erfolg der Burgschauspieler Meinrad.Ganzausdem Milieu Gaadens geschnitten bringtereine alte Holzträgerin: das Kraxenweiberl. Er läßt es den Chevalier Dumont als echtes Naturstück dieser Gegend in einer köstli chen Episode bewundem. Im Sommer 1827 war er mit einem Kol legen von Baden herübergewandert. Im April 1830 machte er sogar auf der Rück reise von Graz in Gaaden Station. Der Schauspieler Walter, der den Chevalier Dumont. in der Erstaufführung seines Gaadener Stückes darstellte, begleitete ihn auch im März 1834 dahin und sagt dazu: ,,Er hielt sich oft und gern hier auf und schien auch ziemlich bekanntzu sein, namentlich war dieses im Gasthaus der Fall." Er nahm nämlich in einem Neben gebäude des Stiftsgasthofessein Quartier, das heute noch Raimund-Stöckel genannt wird. Von einem Fenster im oberen Stockwerk fallt der Blick über den Kirch platz und die Ortschaft östlich zum An ningergebirge hin. Am Wohntrakt ist un- .ter diesem Fenster eine Gedenktafel an gebracht, auf der man lesen kann, daß Raimund arn 2. Dezember 1833 das Büh nenstück ,,Der Verschwender" hier voll endete.Doch hatte er das Stück hier nicht nur vollendet,sondern alle drei Akte hier in Gaaden geschrieben.Manerkenntnäm lich gleich aus dem ersten Akteschon,daß er ihn in diesem Zimmer- heute Gedenk stätte an Raimund - verfaßte. Des Dich ters Bettstand nämlich rechts von diesem Fenster, das er im Stück Dumont öffnen läßt: „Mackt mir der Fenster auf, daß ick der Landschaft kann betrachten." Er läßt den französischen Gast durch das Glas sehen und ausrufen: „Ah! Der Kirckof macken sich dort gut!" Der geniale Erbe des alten Barockthea ters hat also sein letztes Bühnenstück, gleichsam seinen Schwanengesang, zur Gänze in dem von ihm so sehr geliebten Wienerwaldort geschrieben. Mit der Dar stellung des Kraxenweiberls brachte er auch einen gelungenen sozialen Gegen satz zum Ausdruck. Neben den wohlha benderen Kalkbauem vermehrten sich die ärmeren Familien der Kalkbrenner und Holzknechte. In der Pfarrchronik le sen wir dann zum Jahre 1848: ,,In diesem Jahre wurde die im Jahre 1843 von Chri stofErler,Orgelbauer und Fortepianomacher in Wien, erbaute Orgel reparirt und gestimt, worauf sie einen sehr schönen Ton hatte und sich als gutes Orgelwerk darstellte." Am 2. August dieses Revolu tionsjahres 1848 übernahm bis 1857 die Pfarre Gaaden P.Friedrich Lewanderski, der unsere Wißbegierde über diese ereig nisvolle Zeit befriedigen kann. „Da streiten sich die Leut'herum" beginnt Raimund sein unsterbliches Hobellied im „Verschwender". P. Friedrich sagt,daß während der Oktoberrevolution 1848 etwa 20 Gaadener aufständisch wur den. Um einen Landsturm aufzubieten, machten sie Werbepropaganda tiefin das Gebirge hinein. Dafür waren besonders einige Sparbacher tätig, die sich bereits der Gaadener Nationalgarde angeschlos sen hatten.Daserwachende politische In teresse im Zuge der großen europäischen Erneuerungsbewegung hatte nämlich zur Aufstellung von Nationalgarden geführt. In Gaaden übernahm das Kommando für mehr als 40 Mann der stiftherrschaftliche Gastwirt und Besitzer zweier Landwirt schaften Anton Pechtold. Erst 1846 war infolge erhöhter Besucherfrequenz ein neuer großartiger Stiftsgasthof „Zum goldenen Kreuz" nach dem Plan von Baumeister Frey aus Laxenburg neu ge baut worden. Als die Gaadener am 9. Au gust anläßlich der großen Parade in Wien der sich konstituierenden Nationalgarden eine eigene Fahne gekauft hatten,setzten siederen kirchliche Weihe für den 24.Sep tember fest. Ein herrliches Herbstwetter begünstigte diese Feier, wozu man als Uniform eine schmucke Bauemkleidung mit einem roten Brustfleck trug. Nach Ankunft auswärtiger Garden von Matz leinsdorf, Heiligenkreuz, Sulz, Alland, Pfaffstätten, Mödling, Kaltenleutgeben und Enzersdorf begann das Hochamt,ze lebriert von P.Waldschaffer aus Heiligen kreuz.Die Weihe nahm aufeiner höherge legenen Wiese nach Aufstellung der Gar den in Reih und Glied Abt Edmund Komarony unter Abschießung von Ehren salven vor.Doch von der Erstürmung des Zeughauses in Wien am 6. Oktober ange fangen kamen immer wieder Flüchtlinge, besonders aus der bedrohten Donaustadt, von wo man am 26., 28. und 30. Oktober Kanonenschüsse vernahm.Die revolutio nären Gaadener aber kehrten auf ihrem Marsch nach Wien bei der Teufelsmühle am Wienerberg wieder um, da ihnen zu Ohren kam,daß die Rädelsführer der Re volution dem Henkertod verfallen würden. So erzählt man sich noch heute und will auch wissen,daß sich die Aufständischen mutlos still nach Hause schlichen. Durch Übernahme der Regierung des allseits sympathischen 18jährigen Franz Joseph, 36
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