Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Zur Datierung des öibergs im Michaeler-Durchhaus in Wien P.Dr. Waldemar Posch In derFachliteratur und den diesbezüg lichen Handbüchern wird das bemalte Kalksteinrelief „Christus am ölberg" im Michaeler-Durchhaus vom Michaeler platz zur Habsburgergasse als eine Stif tung desLand- und UrteilschreibersHans Hueber aus dem Jahre 1494 angegeben'. Der Meister des Bildwerkes ist anonym. Als Grund dafür gibt Ginhart- an:„Viele wandernde Künstler sind damals durch Wien gezogen und haben hier gearbeitet, um die Mittel des Aufenthaltes und der Weiterreise zu verdienen. Ihre Namen sind verschollen." Daß dies aber auf den Meister des Michaeler ölbergs nicht zu trifft, darauf wies 1926 Theodor Gottlieb hin^.Johann der Maler aus Siebenbürgen und seine Frau Ursula hätten 1480 den öl berg errichtet. Der Landschreiber Hans Hueber aber könne nur mit der Wieder herstellung der betreffenden Kapelle oder des Bildwerkes in Beziehung gebracht werden. Da aber Gottlieb keine Quellen für seine Behauptung angab, wurde ihr auch kein Wert beigemessen. Dennoch wurden seine Angaben wegen der er staunlichen Vertrautheit mit der Ge schichte der Michaelerkirche vom neuen Michaeler Kirchenführer übernommen'*. Nach dokumentarischen Beweisen mußte erst rückwirkend gesucht werden. Aus mehreren Gründen war dies keine leichte Aufgabe. Einen wichtigen Zugang zu den Urkun den und Akten des alten Michaeler Pfarr archivs bilden die drei umfangreichen Bände des Kirchen- und Pfarrprotokolls ausdem Jahre ITTS".Esenthälteine große Anzahl von Abschriften wichtiger Doku mente chronologisch geordnet. Dies ver leitet mancheForscher,sich nur nach die sen Abschriften zu orientieren. Unter Au ßerachtlassung der Originale lassen sie diese dann als verschollen gelten''. Dies umsomehr,da im ProtokolF für die Zeit von Mitte 15. Jahrhunderts bis Mitte des 16. Jahrhunderts nur kurz vermerkt ist: „Von diesem Jahr 1445 bis auf das Jahr 1551 ist nichts sonderlich merckwürdiges vorgangen außer folgendem." Der Proto kollschreiberzähltnun dieihm als wichtig erscheinenden Ereignisse auf: 1. Niclas Verstel erhält 1449 die Erlaubnis aufdem Michaeierfriedhof einen Brunnen zu gra ben.2.Es folgt eine Reihe von Stiftungen: 1461 für den Leonhardisaltar,1480für das Tenebrae (Andacht mit Glockengeläute zum Gedenken an des Herren Tod), 1482 für den Sebastians- und Wolfgangsaltar, 1491 für den Altar des hl.Sigismund,1498 für den Dreikönigs- und Ulrichsaltar. 3. Die Auflassung des Michaeler Friedhofs unterderRegierung Kaiser MaximiliansI. Die Stiftung des ölbergs wird mit keinem Worterwähnt.Auch die Durchsichtsämt licher hier nicht näher genannten Stif tungsurkunden brachte keinen Erfolg". Da führte ein bisher wenig beachtetes Konzept von Abschriften von Ablaßbrie fen, die nur zum Teil Eingang in das Kir chen- und Pfarrprotokoll fanden, auf die heiße Spur. Auf der Titelseite war zu le sen: „29 Stuck Ablaß-Brief, So von Päp sten,Cardinalen,und Bischöfen ertheillet worden, der St. Michaels Pfarrkirchen Von A 1288 bis A 1500,Welche uns der Wienerische Statt Rath (erst ca.) 1730 extradirt hat'." Es konnten,wenn auch nach längerer Suche, alle 29 Originale aufge funden werden. Wertvolle PergamentHandschriften mit Initialen und z. T. Mi niaturmalerei, darunter einen Ablaßbrief von Papst Nicolaus V. mit anhängendem runden Bleisiegel etc. Der erfreulichste Fund aber wardaslanggesuchte Original dokument,das die Angaben Gottliebs be stätigte'". Der in lateinischer Sprache abgefaßte Ablaßbrief wurde auf Bitten des Johann des Malers aus Siebenbürgen und seiner Frau Ursula,die den ölberg an der Fried hofsmauer bei St. Michael in Wien gestif tet und errichtet hatten, am 10. August 1480 zu Wien vom Referendar des Papstes in Deutschland, Alexander Bischof von Forli, gewährt und von seinem Sekretär Amerinus ausgefertigt. Das Original ist aus Pergament.Die im Mittelfeld gemes sene Höhe beträgt 17,5 cm, die Breite 40cm,die Plica (Falte) 7,5 cm. Das einst anhängende Siegel fehlt, die lange gelbe Seidenschnur blieb erhalten. Der Ablaßbrief wird motiviert mit dem Hinweis,daß wenn wir schon Gott in sei nen Heiligen loben müssen,dann sind wir um so mehr verpflichtet vordem Bild des Leidens und Sterbens unseres Herrn Lob und Dank zu sagen. „Durch diese heil same Lehre bewogen, haben die uns in Christo geliebten Johann der Maler von Siebenbürgen und Ursula seine Gemah lin, Bewohner der Stadt Wien, auf dem Friedhof der Pfarrkirche St. Michael zu Wien dasBildwerk Christiaufdem ölberg zu Ehren desallmächtigen Gottes gestiftet und errichtet"." Nun werden die Bedingungen zur Er langung des erbetenen Ablasses aufge zählt; Wer reuevoll beichtet, den Ölberg besucht und vor demselben 5 Vaterunser betet, erhält an jedem Donnerstag nach Reminiscere, Oculi, Laetare, Judica und am Gründonnerstag 100 und anjedem an deren Donnerstag im Jahreskreis40 Tage Ablaß. Außer diesem von Alexander, Bischof von Forli, ausgestellten Ablaßbrief befin den sich im Pfarrarchiv noch drei weitere von ihm:an Mathias Vindisch und dessen Ehefrau Elisabeth für den Altar der allerheiligsten Dreifaltigkeit am 10. April 1478'^; an die Pfarre St. Michael am 20. April 1480; an Anna Starchin für das Te nebrae zum Gedächtnis an das Leiden und Sterben unseres Herrnam 4.Mai 1480. Alexander Numai wurde 1470 zum Bi schofvon Forlierwählt und starb im Jahre 1485'^. Für die Wiener Diözesangeschichte ist er insofern von Bedeutung,da in seiner Gegenwart als Gesandter des Papstes am 7.September 1480 die feierli che Promulgation der Errichtung des Wiener Bistums im Stephansdom statt fand. Die Drucke dieser Bulle sind Wiens älteste Inkunabel-Einblattdrucke'■*. Seit 500 Jahren zählt der ölberg an der Michaelerkirche zu den größten (Höhe 3,85 m. Breite 2,60 m. Tiefe 0,70 m) und schönsten Österreichs. Der feinkörnige Kalkstein aus Breitenbrunn am Leithagebirge eignete sich vorzüglich für die figu renreiche Gruppe des Reliefs. Einzelne herausragende Teile - Gliedmassen und Waffen der Soldaten- in der oberen Hälfte des Bildwerkes bestehen aus Holz". Bis in die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts stand der ölberg an der Mauer des unter Kaiser Maximilian I. aufgelassenen Friedhofs. Beim Bau des Kleinen Michaeierhauses (1732) wurde das Ölberg-Relief an die süd liche Außenwand der Michaelerkirche übertragen'". Zusammenfassung. Durch die Auffin dung des Original-Ablaßbriefes, ausge stellt vom päpstlichen Gesandten Alex ander, Bischof von Forli, konnte 1480 als Jahr der Vollendung des ölbergs sicher-, gestellt und Johann der Maler aus Sie- ^ benbürgen und seine Frau Ursula als Stif ter und Errichter desselben erwiesen werden. Seit einem halben Jahrtausend ist die große Gruppe Jesus mit seinen Jüngern am ölberg im Michaeler-Durch haus zu Wien „ein lebendiger Rest des gläubigen Mittelaltei-s und ein Zeuge zur Ehre des Christentums mitten in neuer Zeit"." Anmerkungen: ' Karl Ginhart, Die gotische Bildnerei in Wien, in: Gesch. d. Stadt Wien, Neue Reihe Bd. VII, Wien 1970, S. 49, Dazu, Das große Groner Wien Lexikon, Wien 1974, S. 653, ebenso, DehioHandbuch, Band Wien, 6. Auflage 1973, S. 33. ' Ginhart, a. a. O. S. 49. ^Theodor Gottlieb, Die Bamabiten in Wien, In: Reichspost v. 4. Mai 1926, Nr. 123, S. 2 f. •* Waldemar Posch, St. Michael in Wien, Wien 1977, 8. 12. ' Kirchen- und Pfarrprotokoll der Kays. u. Erz-Landes-Fürstiichen Residenzstadt Wienn, 1. 2. u. 3. Teil, 1775 (Abk. Frot.). *' Siehe Bruno Thomas, Die Wiener Micha elerkirche des 13. Jahrhunderts, in: Mitt. ver. gesch. d. Stadt Wien, Wien 1937, S. 11 f. u. S. 2. ' Prot. I. p. 30 f. " Die Sichtung der alten Bestände des Michae ler Pfarrarchivs ist besonders dadurch er schwert, daß das Repertorium (Archivkatalog) vom Jahre 1759 vor einigen Jahren dem Archiv entnommen wurde und seither unauffindbar ist. ® Michaeler Pfarrarchiv, Abteilung VII, Lade 67, Nr. 30 (Abk. VII, 67, 30). '"VIT, 67, 28. '' Hoc itaque saluberrimo documento moti dilecti nobis in Christo Johannes pictorde septem castris, et Ursula conjuges habitatores civitatis Wiennensis in cimiterio parochialis ecclesiae sancti Michaelis Wiennensis imaginem Christi in monte Oliveti in laudem ipsius omnipotentis Dei fundaverunt et instiluerunt. "VII, 67, 25, 25. 27. '^P. Pius Bonifacius Garns O.S.B., Series Episcoporum Ecclesiae Catholicae, Hatisbonae 1873, S. 697. Josef Wodka, Kirche in Österreich, Wien 1959, S. 173. Dazu: Erzbistum Wien, in: Perso nalstand . . . d. Erzdiözese Wien, 1948, S. 17. Alois Kieslinger, Der Bau von St. Michael in Wien und seine Geschichte, Sonderabdruck aus d. Jb. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Wien, Bd. 10 (1952/53), Wien 1953, S. 70. Waldemar Posch, Der ölberg im Michaeier durchhaus, in: Michaeler-Pfarrbrief, 1. Jg., Nr. 4, Wien 1951. " Benedikt Momme Nissen, Der ,,Rembrandtdeutsche" Julius Langbehn, Freiburg i. Br. 1926, S. 219. 14

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