Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Chorquadrat oder Altarraum. Dessen Grundmauern mit den Leichen der 1252 Verbrannten konnten bei Grabungen in der gegenwärtigen Stadtkirche St. Othmar aufgedeckt werden. Nach dieser schweren Heimsuchung von Mödlingund der weiteren Umgebung, setzte allmählich in Gaaden der gotische Umbau der ursprünglich romanischen Pfarrkirche ein. Man wird hinter dem gegenwärtigen monumentalen Hochaltar mit den Bau elementen der Gotik überrascht,wiesiein der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts feststellbar sind. In den unteren Ecken der gerade abschließenden Ostwand be finden sich Halbsäulen, wie sie bei Kon struktionen der Cistercienser üblich wa ren. Diese noch erhaltenen Wanddienste tragen einfache Kelchkapitelle in Form der Tellerkapitelle des frühen gotischen Stiles. Diese Konsolendienste stützten Rippengewölbe, von denen sich Werk steine vorfanden, die zumindest für das Steingewölbe des quadratischen Presbyteriums Verwendung fanden. Unter den beiden Wanddiensten stehen auch noch die mittelalterlichen Sakrarien, eines für den Ablauf zum Wasserausguß, das an dere für entsprechende Meßkännchen. Die Mauernische zur Aufbewahrung der hl. Eucharistie an der Nordwand ist mit einem gotischen schmiedeeisernen Flechtgittei und zwei zierlichen Eisen balken kreuzförmig abzuschließen. Uber das Chorquadrat hinaus wurde der Altar raum in westlicher Richtung verlängert. Der Plan zeigt,daß die Mauern des einsti gen Kirchenschiffs vielleicht in einer bei derseitigen Schrägwand weiter in den Al tarraum hineinreichten. Das nur wenig breitere Kirchenschiffendete an der Vor derseite derin der Barockzeitangebauten Orgelempore. Ulrich IV., nach urkundlichen Belegen von 1230 bis 1272 Herr von Gaaden,obla gen selbstverständlich Patronatsverpflichtungen für die Kirche nebenseinem befestigten Wohnturm oder Gaden.Nach eineinhalb Jahrhundert Bestehen mußte sie besondersin der geschilderten Zeitdes Faustrechtes baufällig geworden sein. Außer den baulichen Merkmalen weist auch sein langjähriges Wirken im Geiste seinesAhnherrn und Kirchengründersauf ihn als Bauherrn der Gotik. Er fand in folge seiner Großzügigkeit gerade nicht den Beifall seiner drei Brüder,die Erban sprüche geltend machten. Sie verweiger ten ihm ihre Zustimmung zum Verkaufe von zwei Besitzhufen samt Wald zu Grub bei Heiligenkreuz,wofür er von der Abtei nur 15 Talente verlangte, weil diese einen Schaden im Schätzungswerte von 30 Ta lenten durch Überfälle erlitten hatten.Der jüngste Bruder, Konrad, gab dafür 1254 nach Zuweisung bedeutender Besitzan teile sein Einverständnis.Bei dieser Gele genheit mußteer versprechen,weitereBe lästigungen fürderhin zu unterlassen, da er ohnehin nach dem Heimgang Ulrichs und seiner Gattin mit den anderen Brü dern testamentarisch Erbteilung vollzie hen kann.Fürchtete vielleicht Konrad bei seines Bruders Freigebigkeit gegenüber der Kirche für sich Nachteile? Infolge dichterer Besiedlung gab es bereits eine Erbteilung,diezum Entstehen eineszwei ten Gadens,eines befestigten Hofes land wirtschaftlicherBedeutung unterhalb des ursprünglichen Gadens führte,wasum so mehr die Notwendigkeiteines Gotteshau ses ergab. Dadurch teilte sich jetzt auch der Ort in ein Ober- und Niedergaaden. Diesen Vergleich unterzeichnete unter Zeugen aus dem Verwandtschaftskreis ein „Heinricus dictus Span". Heinrich .Span,„der weilentze Nidergaaden gesezzen ist", stiftete ein ständiges Licht für seine Seelenruhe auf dem Friedhof der Mönche vom Heiligen Kreuze. Seine Tochter Margaretha erneuerte 1279 mitih rem Gemahl diese Stiftung. Sie stifteten ihrerseits für den Verstorbenen einen Jahrtag, bei dessen Feier,die in die Abtei kommenden Erben neben der VerkÖstigungjährlich ein PaarFilzschuheerhalten sollen.Die in der klösterlichen Werkstätte hergestellten Schuhe erfreuten sich sol cher Beliebtheit, daß Herzog Albrecht wegen der LieferungsolcherSchuhe nach Laxenburg den Abt Leopold von Heili genkreuz sogar seinen „Meisterschuster" nannte. Man kann bisweilen lesen, das Ge schlecht der ritterlichen Herren von Gaa den wäre 1276 ausgestorben.In Wirklich keit hatte sich dieses aber schon weit ver zweigt,wasnach dem Ableben UlrichsIV. eine noch weitere Zerteilung von Gaaden hinsichtlich der Grund- und Dorfobrig keit zur Folge hatte. Gaaden unter cisterciensischer Gnindobrigkeit Der Zerstückelung von Gaaden konnte die einheitlich geführte wirtschaftliche Körperschaft der benachbarten Cistercienserabtei Einhalt gebieten. Aus suk zessiven Ankäufen von drei verschiede nen Erbteilen gewinnt man dadurch auch einen Einblick in Land und Leute. Wieder ist es ein Ulrich, und zwar von Neidau bei St. Andrä im Gerichtsbezirk Tulln, der drei zu Obergaaden gehörige Waldungen,nämlich am Hartgegen Spar bach, auf der gegenüberliegenden Seite fünf Joch „Leiten pey dem Sigenfelder Steig", dazu das „Aichech", selbstver ständlich im gleichnamigen Dorfe Ein künftevoneinigen Grundholdenim Jahre 1349 nach vorangegangener Heimsu chung durch die Pest verkauft. Diesem Ulrich, dessen Brüder ebenfalls in der Altgaadner Familie bekannte Namen tra gen, war das abverkaufte Gut jedenfalls durch mütterliches Erbe zugefallen. Es umfaßte auch nicht das ganze Obergaa den,sondern nur einen Bruchteil davon. Schon seitderZeitdesAhnherrnder rit terlichen Familien von Gaaden treten in jeder Generation zwei Männer mit dem Namen Ulrich auf. So 1156 neben Udalrich von Stiefern-Gaaden 1156 als jünge rer Zeuge ein „Odalricus Esil".Das durch die Kreuzzüge gehobene Rittertum gab als Unterscheidungsmerkmal auf Siegel und Wappen verschiedene Zeichen, dar unterauch Darstellungen von Tieren,1254 nenntsich Ulrich IV.„dictus asinus",und sein Siegel zeigt einen Eselskopf. Dieses genügsameGrautierdiente als unentbehr licher Trägeraufunwirtsamen Wegen und Straßen. Es spielte selbst in der kirchli chen Liturgie eine beliebte Rolle,da Chri stus der Herr aufdem Rücken eines Esels in Jerusalem einzog. Ulrichs IV. Bru der gleichen Namens hatte aber Bertha von Rohr bei Baden geehelicht, wodurch sein Erbe Niedergaaden über seine Toch ter Kunigunde von Gaaden in die Hände der Rohrer kam.Er ließ siejedenfalls un ter diesem Namen 1276 die Stiftung eines Seelgerätes als Ulrich von Rohr bei der Bestattung seiner Gemahlin Bertha un terzeichnen.100 Jahre später,am 24.April 1376, verkaufte Marichart von Rohr um 370 Pfund Wiener Pfennige dem AbtKo loman von Heiligenkreuz und dem Kon vent„das haws ze nyderm gaden" und al les,was,,in dem Tal darumb"dazugehört. Von den Grundholden daselbst interes siert uns „Chuenrat pei der chirichen" und „Andre an der Wydem", nämlich beim PfarrhofunterderKirchean der Ab zweigung nach Baden.Esgab auch schon eine Badstube „ze oberngadem".Der Ba der war auch Schenkwirt oder Leitgeb. Später wurde daraus der vornehme Stiftsgasthof zum Goldenen Kreuz. Ein „Andre der Weinzirl" diente seinen Ro dungsacker mit drei im Herbst zu liefern den Hühnern ab. Wir lesen weiter von ei nem Binder,einem „Wollslaher"(Weber) und sogar von einem „Plaseinweil". Stift Heiligenkreuz bekam im Jahre 1376 „Das gantz dorfgericht ze nydemgadem an(ohne)swas an den tod get". Es mußte nun fürRechtund Gerechtigkeitin dem gut entwickelten Gemeinwesen sor gen. Die Pantaidinge oder jährlichen Rechtsversammlungen der Grundherr schaft von Niedergaaden wurden aus schlaggebend auch für die Rechtsanlie gen der anderen Klosterdörfer in der Waldmark.Der Edelsitz an der Stelle des Teichareals ober dem heutigen Backhaus Mucktrat gegenüberdem ursprünglichen Gaden nunmehr in den Vordergrund. Deshalb trachtete die Zisterze auch den sechsten Anteil Niedergaadens von den Erben der den Rittern von Gaaden ver wandten Span zurückzukaufen.Das voll zog sich aufGrund der Verkaufsurkunde mit den Gebrüdem Nikolaus und (^org Schweinbarter am 13. Februar 1380, wel chesich darindenjährlichen Empfangder Filzschuhe sicherten. Wenn der zuletzt angekaufte Anteil Niedergaadens auch klein war,so gehörte doch die lebenswichtige Mühle dazu,wo von '„Ullrich der Müllner" 70 Pfennige Pachtzins und drei Hühner für einen Krautgarten jährlich abzuliefern hatte. Diese mittelalterliche Mühle lag aber nicht wie die der neueren Zeit in Mittergaaden,vordem noch Niedergaaden,son dern weiter abwärts aufder gegenüberlie genden Seite des Mödlingbaches im neu zeitlichen Untergaaden. Der ursprüngli che Mühlgang hebt sich noch deutlich linksseitig des Mödlingbaches ein wenig unterhalb der einstigen Hauptstraße, Wiener-Weg genannt,am Rande des zum Mühlparz erhöhten Geländes ab. Daher bekam denn auch diese Nordseite Gaadens gegen Sparbach ihren Namen. Die Mühle selbst stand natürlich tiefer unten am linken Uferdes Mödlingbachesschräg gegenüber der Bachgasse, die in die

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