Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Nach dem Eintreffen der päpstlichen Note waren dieWeichengestellt;jetztging allessehrschnell.Am 1.Julilegte derneu ernannte Bischof in Gegenwart des Cultusministers in die Hand des Kaisers den vorgeschriebenen Eid ab'^. Am gleichen Tag ging das Präsentationsschreiben an den römischen Geschäftsträger mit dem Ersuchen, diese Urkunde mit aller Be schleunigung an ihren Bestimmungsort gelangen zu lassen''. Am nächsten Tag schon meldete der römische Geschäfts träger telegrafisch die Abhaltung eines Consistoriums am 5. August, in dem Gangibauer präkonisiert werden solle'®. Dieseswurdedannaufden4.nachmittags vorverlegt", nachdem schon am 3. das Präsentationsschreiben dem Kardinal staatssekretär überreicht worden war'®". Am 19. konnte der vatikanische Ge schäftsträger alle offiziellen Akten,die die Sache Ganglbauer betrafen, an das Au ßenministerium übersenden:dieamtliche Benachrichtigung durch den Kardinal staatssekretär; zwei Exemplare der „propositio" an das Konsistorium,deren Text sich weitgehend auf den Informativpro zeß bezog; er vermerkte,daß gleichzeitig die Dispens„super defectu gradus doctoratus" erbeten wurde,und konnte die ge druckteInformation über die„Proviste di Chiesa", in der die Präkonisation Gangi bauers mitgeteilt wurde,sowie vor allem die offiziellen Bullen „ad imperatorem et vasallos" übermitteln"". Diese wurden dem Cultusminister am 23. August mit dem Auftrag übersandt, sie möglichst bald an Fürsterzbischof Gangibauer wei terzuleiten, damit die für den Sonntag, den28.AugustvorgeseheneKonsekration auch tatsächlich vorgenommen werden könne Tatsächlich verlief alles wie geplant. Wer warder Konsekratoran diesem Sonn tag? Niemand anderer als Nuntius Vannutelli, der so lange hinhaltenden Wider stand geleistet hatte.Er warschon am 25. August in Kremsmünster eingetroffen und unter Glockengeläute empfangen worden!Zur Seite standenihm die beiden Suffraganbischöfe Rudigier und Binder, die am Verfahren in verschiedener Weise beteiligt gewesen waren. Weiter können wir in der Besucherliste die Namen des Ministers Conrad v. Eybesfeld und Dr. Haubners entdecken neben vielen Äbten, Wiener Kanonikern und vor allem den Mitbrüdern von Kremsmünster"^.Beider Festtafel, während der sich Vannutelli zumeist mit Rudigier unterhielt'", gab der neue Fürsterzbischof ,,lateinisch in herrlichen Worten frommer Treue und Liebe gegen den glorreich regierenden Stellvertreter Christi Leo XIII. Ausdruck, dem somit diesmal der erste Toast galt", schreiben die offenbar Zusammenhänge spürenden Berichterstatter'". Am 8. September verließ der neue Fürsterzbischof sein geliebtes Krems münster'". Wenn wir anhand der noch vorhandenen Akten-leider sind uns die jenigen des Nuntiaturarchivs noch nicht zugänglich-dieses kurze Stück österrei chischer Kirchengeschichte an unserem Auge vorbeiziehen lassen, können wir ei nige Feststellungen machen. Zunächst war Ganglbauer keineswegs der erste und einzige KandidatderRegie rung für das Erzbistum Wien. Offenbar waren Frind,Gruscha und Binder aufder Liste vor ihm. Die Rede beim Jubiläum hatte aufden Kaiser keinen so bestimmenden Einfluß, wie manchmalangenommen wurde.Wohl aber scheinen der Apostolische Nuntius und die hinter ihm stehenden Kreise ne gativ davon beeinflußt wordenzu sein,so daß der Hinweis auf die Behinderung Gangibauers als Vorwand betrachtet werden muß. Der Informativprozeß hatte keine ent scheidende Bedeutung,die Würfel waren zuvor bereits gefallen. Warum hat übrigens der Vatikan nach gegeben? Es mögen die Situation,in der sich der Papst nach der Eroberung des Kirchenstaates befunden hat, und der Planeinereventuellen Ubersiedlung nach Trient,also aufein österreichisches Terri torium, mitgespielt haben"". Weder in Wien noch in Rom woUte man es übrigens zum vollkommenen Bruch kommen las sen. Köstlich ist noch, daß Ganglbauer schon 1886, also ein Jahr vor Vannutelli, zum Kardinal kreiert wurde'®®.Er hatte es bestimmt verdient, denn Ganglbauer be saß, was der berühmte Wiener Prediger Abraham a Santa Clara aus dem Augustiner-Eremitenorden von einem guten Christen gefordert hat: Redlichkeit und Treue'®'. Die Ernennung des Abtes Cölestin Ganglbauer von Kremsmünster zum Fürsterzbischofvon Wien Ergänzungen: DieseEigenschaften warenihm nochim Todesjahr, anläßlich des Selbstmordes von Kronprinz Rudolf, in besonderer Weise abverlangt worden. Wie wir aus dem Ceremonialprogramm entnehmen können,''® nahm Kardinal Ganglbaueram Begräbnis nicht teil.In der Kapuzinerkir che war zwar(hinter der Begleitung der Erzherzöge)Platzfür den „Herrn Aposto lischen Nuntius und die Herren Kardinä le",erschienen ist aber nur der Kardinal fürstprimas'". Die Aussegnung hielt der Hofund Burgpfarrer"^. Ganglbauer selbst starb am 14. Dezem ber 1889. Als Todesursache wurde, laut Kopie eines Totenscheines vom gleichen Tag, angegeben: Arteriosclerosis, Hypertrophia cordis ex arteria sclerosi, Nephritis chronica; catarrhus bronchialis chronicus; Emphysema modicum; Induratio apicis pulmonis dexteri; Pleuritis exudativa cinistra; Bronchialis acuta inprimis pulmonis dexteri cum Bronchopneumonia consecutiva"®. Obwohler sich anfangsganzbestürztzeigte, indem er bemerkte,er sei unwürdig und unge eignet,zu einer solchen Würde erhoben zu wer den(siehe Aussage Haubnersim Informativpro zeß; Vatikanisches Archiv,Processus Consistorialis 272). "Er war bisher der einzige Weihbischof,der während der letzten 100 Jahre Erzbischof wur de. Original im Ordinariatsarchiv Linz, Bi schof-Rudigier-Akten, Schuber 4,sowie im Diözesanarchiv St. Pölten, Nachlaß Binder; Kon zept im Ministerium für Cultus und Unterricht, Pr. 135(1861); vgl. Edith Saurer.Die politischen Aspekte der österreichischen Bischofsemennungen 1867-1903, Wien-München 1968, 27 f., und Franz Loidl, Cölestin Joseph Kardinal Ganglbauer, Fürsterzbischof von Wien (1881-1889)(Sonderabdruck aus ,,Beiträge zur Wiener Diözesangeschichte", März, Mai, Juli, September,November 1964), 9. OriginalDiözesanarchiv St.Pölten,Nachlaß Binder. "1881 X 21 Anton Ludwig Frind,18239Ran spach(Böhmen), 1847 Priester, 1851 Katechet und Lehrer, 1859 Direktor am Gymnasium in Leitmeritz, später Eger, 1869 Domkapitular in Prag,1877 Bischof von Leitmeritz,berühmt als Kirchenhistoriker, f 1881X28 in Leitmeritz (Ost. Biogr.Lexikon I, Graz 1957,369). Original und wohl von der Hand Gautschs, durch den Ministergering verbessertesKonzept (Ministerium fürCultusund Unterricht,Pr.363); vgl. Loidl, Ganglbauer 11-13. Siehe Text in der Gedenkschrift: die elf hundertjährige Jubelfeier des Benediktinerstif tes Kremsmünster, 18., 19. u. 20. August 1877, Linz 1878,77 f., sowie Loidl, Ganglbauer 13 f. Originalbericht(Haus-, Hof- und Staatsar chiv, Akten der Administrativen Registratur,F 26,Nr.46),Konzept(Ministerium fürCultusund Unterricht,Pr. 363); vgl. Loidl, Ganglbauer 13. Sebastian Mayr,Cardinal Dr. Coelestin Jo seph Ganglbauer, Fürsterzbischof von Wien, Wien 1890, 13. 1834 XI 26 Genazzano(bei Rom),1860 Prie ster, Professor des kanonischen und bürgerli chen Rechtesam Appollinare undderDogmatik am RömischenSeminar,ab 1864 hintereinander Uditore bei den Nuntiaturen in Mexiko und Bayern, 1869 Titularerzbischof von Nicäa, gleichzeitig Apostolischer Delegat in Peru und anderen südamerikanischen Staaten,1875 Nun tius in Brüssel, 1880 in Wien,1887 Kardinalprie ster, bis er schließlich als Kardinalbischof von Ostia 1915 VllI 19inRomverstarb(Enciclopedia cattolica XII, Cittä del Vaticano 1954, 1026 s). Hof- und Staatshandbuch der öst.-ung. Mo narchie von 1881,Wien o. J., 6. "Geheimbericht Heidlers an Haymerle von 1881 VIII 5(Haus-,Hof- und Staatsarchiv Wien, Akten der Administrativen Registratur,F26,Nr. 26 E). Entwurf des Briefes(ebd.). Alois Hudal, Die österreichische Vatikan botschaft 1806-1918, München 1952, 219-235, sowie Hof- und Staatshandbuch der öst.-ung. Monarchie von 1881,Wien o. J.,6. "Entwurf (Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien,Akten der Administrativen Registratur,F 26, Nr. 46). Abschrift(ebd.). Konzept(ebd.). Loidl,Ganglbauer 15 f., der sich auf(Mayr), Ganglbauer 14, beruft. ^ Er war am 29. März 1881 gewählt worden,f 1901 III4(Monasticon MetropolisSalzburgensis antiquae, Supplementum,ed. Pirmin Lindner, Bregenz 1913, 16, Nr. 163). "Originalschreiben Gruschas an Binder von 1881 IV 1 (Diözesanarchiv SL Pölten, Nachlaß Binder). "Linzer Volksblatt v. 1881 IV 23. "Linzer Volksblatt v. 1881 IV 27; Loidl, Ganglbauer 16, und(Mayr), Ganglbauer 13. "1765 IX 18,zum Papst erwählt 1831 II 2,f 1846 VI1,G(eorg)Schwaiger,Art.Gregor XVI., in: Lexikon für Theologie und Kirche IV, 1198-1192. "Augustin Reslhuber, 1860-tl875 IX 29 (Kellner,Profeßbuch 443-445, weiß nichts von einem Niedergang der Disziplin; Lindner, Mo nasticon 296, Nr. 3254). "Er spielte damit offenbar auf Tim 3, 9, an; dortist aber von den Eigenschaften der Diakone die Rede,und das Zitat ist außerdem ungenau; eslautet nach der Vulgata;Habentes mysterium fidei in conscientia pura!" Wohl ohne Ahnung von dem heutigen Stel lenwert der Pastoralbriefe(siehe die Briefe an Timotheus und Titus, der Briefan die Hebräer, übersetztunderklärtvon Joachim Jeremiasund 22

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