Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

nannte ihn dann auch noch Fürstbischof und sagte,daß eraus einer Nachbardiöze se gewesen sei, also einwandfrei Fürst bischofZwerger von Seckäu,habesich an höchster Stelle über die schweren Beden ken verbreitet,welche sich angeblich vom kirchlichen Standpunkt der Kandidatur des Kremsmünster Abtes entgegenstell ten. Der Bischof habe sich nicht so sehr gegen dessen politische Haltunggewandt, noch habeer Zweifelwegender korrekten kirchlichen Gesinnung vorgebracht,wohl aber geltend gemacht, daß die bedauer lichlaxe Kirchendisziplin desWiener Kle rusdurcheine solche Persönlichkeitnicht gebessert und die hervorragende Stellung des Kirchenoberhauptes der Reichs hauptstadtzum Vorteil der großen katho lischen Parteien nicht genug ausgenützt würde. Das besondere Schlagwort, auf das Bischof Zwerger zurückgekommen sei,lautete: Verfall der Diözese.Daß diese Intervention Zwergers der österreichi schen Regierung mißfiel - sie beschul digteihn derKandidaturbestrebungenfür den nämlichen Posten ist irgendwie verständlich, machtunsaber auch bezüg lich der Objektivität der Berichterstat tung der Botschaft zurückhaltender". Daß bei allen diesen Aktionen gegen Gangibauer der Wiener Nuntius seine Hand im Spiel hatte,ist klar.Er stellte so gar den St. Pöltner Bischof zur Rede, wieso dieser Gangibauer überhaupt habe nennen können. In einem lateinisch ge haltenen Brief rechtfertigte sich Binder ziemlich unterwürfig, freilich ohne alle Details mitDatumzu belegen.Erseisogar zweimaldeswegen in der Nuntiatur gewe sen. Das eine Mal habe er den Nuntius nicht angetroffen,und daszweite Malhät ten dort so viele andere Besucher gewar tet, daß er wieder weggegangen sei. Er nannte dann dieim ersten Schreiben Vor geschlagenen. Er erwähnte auch das An gebot, welches man ihm gemacht hatte, und den Besuch von Präsidialsekretär Gautsch am 13. März sowie dessen schon erwähnten Eröffnung. Da er Gangibauer für einen religiösen Mann und Priester halte, der von allen gelobt und geehrt werde, besonders seit der Zeit, da er als Religionslehrer am Gymnasium in Kremsmünster tätig gewesen sei, hätte er es für ungerecht gehalten, wenn er sich geweigert hätte,über dessen Eignungund Würdigkeit ein Urteil abzugeben.Im üb rigen habe erzuerst sechsandere genannt und dann erst noch Gangibauer hinzuge fügt®". Nach Einsichtin dieAkten istuns heute klar, warum sich der Nuntius gegenüber der Regierung nicht rührte. Der Cultus minister war natürlich inzwischen unge duldig geworden.Er wandte sich deshalb am 22. Mai nach einer Frist von vier Wo chen an den Außenminister mit der Bitte um Anweisung,ob mit der Ausfertigung des betreffenden Ernennungsdekretes und Präsentationsschreibens sowie mit der offiziellen Kundmachung durch die „Wiener Zeitung" anstandslos vorgegan gen werden könne®'.An der Antwort,die dem Cultusminister fünf Tage später zu teil wurde,hat derkonzipierende Beamte, SektionschefCarl Frh. v. Kraus®',tüchtig gefeilt. Er wies zunächst darauf hin, daß die vertrauliche Anfrage an den Nuntius „unerwidert blieb". Seither sei mehr als ein Monat verstrichen. Dann schrieb er ursprünglich: „Gleichwohl glaube ich in einer Angelegenheit wie", ersetzte diese Worte aber durch „was nun" und fuhr dann fort: „die offizielle Verlautbarung der Ernennung des Paters Gangibauer und die Ausfertigung des betreffenden Ernennungsdekretes und Allerhöchsten Präsentationsschreibens betrifft, so glaube ich." Der Passus„die kompetente Verfügung Eurer Excellenz nicht beein flussen, sondern die dießfällige weitere Veranlassung dem erleuchteten Ermes sen Eurer Excellenzanheim geben zusol len" wurde wieder durchgestrichen und ersetzt durch „am Besten zu tun, sofern ich diese Angelegenheit der weiteren competenten Verfügung Eurer ExceUenz anheimgebe". Zum Schluß hieß es ur sprünglich: „Ich werde übrigens Sorge tragen, daß in Zukunft,sobald nach der Mitteilung an den hiesigen Nuntius von der erfolgten Ernennung eines geistigen Oberhirten der Zeitraum von vier Wochen verstreichen sollte,ohne eine Erwiderung zu erhalten"; diese Worte wurdenjedoch ersetzt durch:„Ich werde übrigens Sorge tragen,daß in Zukunft bei ähnlichen An lässen im Sinne des hierortigen Schrei bensvom 1.Juni1858,ZI.6514EuerExcel lenz rechtzeitig verständigt werden®'." Zu einem Eklat wollte esalso wederder Außen-noch der Cultusminister kommen lassen.EsgeschahebendannzweiMonate nichts. Abgesehen davon, daß sich Gangibauer vom 13. Juni bis 15. Julizum Gebrauch von Mineralschlammbädern nach Pistyan in der Slowakei begab und von dort völlig wiederhergestellt zurück kehrte®*. Jetzt wurde der Cultusminister noch malsaktiv.Er riefKrausvom Außenmini sterium zu sich und bat ihn, ein Tele gramm an die Botschaft nach Rom zu schicken. Ein solches ging tatsächlich am 21. Juli an den Geschäftsträger Heidler mit folgendem Wortlaut ab:„Cultusmini ster Conrad wünscht dringend zu erfah ren,aus weichem Grund die wegen Erzbi schof Gangibauer am 23. März erfolgte Anfrage an den hiesigen Nuntius bisher unerwidert geblieben ist®®." Tatsächlich vermochte jetzt Heidler den Kardinal staatssekretär zu bewegen, daß er sofort telegrafisch Order an den Nuntius wegen offizieller Erteilung der Zustimmungs antwort der Kurie zur Ernennung Gangi bauers gab. Außerdem solle der kanoni sche Prozeß behufs Präkonisation im nächsten Consistorium unmittelbar be gonnen werden. Das konnte Heidler schon am nächsten Tag um 4.40 Uhr nach Wien in Chiffre telegrafieren und gleich zeitig mitteilen,Jacobini habe versichert, „die erst jetzt behobene Ungewißheit ei ner die Vornahme kirchlicherFunktionen ermöglichenden Heilung hat die abwar tende Haltung des Heiligen Stuhles be gründet®®". Das Außenministerium ver ständigte nun gleich den Cultusminister. Diesmal war es kein verfrühter Alarm. Nun gingtatsächlich allesschnellvorsich. Der Nuntius verständigte den Außenmi nister durch eine förmliche Note,aus der entnommen werden konnte, „daß die Präsentation des von seiner Majestätzum Fürsterzbischof von Wien ernannten Abr tes des Benediktinerstiftes Kremsmün ster seiner Heiligkeit,dem Papst,genehm ist". Das Außenministerium gab diese NoteandasCultusministerium weiter mit der Aufforderung, das Präsentations schreiben anher vorzulegen®'. Noch am selben Tag kam der Minister dieser Auf forderung nach®®. Gleichzeitig wourden Gangibauer,die Statthalter von Wien und Linz mit der Bitte um Weitergabe der Nachricht an die bischöflichen Konsisto rien von Wien und St. Pölten bzw. Linz und außerdem die„Wiener Zeitung" und das ministerielle Verordnungsblatt in Kenntnis gesetzt®'. Am Samstag,dem 30. Juli,fand der In formationsprozeß in der Nuntiatur statt. In diesem wurde zunächst festgestellt, daß der Kaiser dem PapstGangibauerfür die Besetzung von Wien vorgeschlagen habe („proposuerit"). Unter Eid sagten zweiZeugen aus,und zwar der vierzigjäh rige Dr.theol.KarlHaubner,Ehrenhofkaplan und Spiritualdirektor von St. Augu stin in Wien'®, und der uns schon be kannte Univ.-Prof. Dr. Carl Werner",ein guter Freund des Kandidaten. Beiden wurden diegleichen Fragen vorgelegt,die sichinzwei Abschnitteteüten:die persön lichen Umstände und die Verhältnisse in derDiözese.Die Antworten verraten deut lich,daß die beiden um die Schwierigkei ten wußten,diegegen Gangibauergeltend gemacht wurden. Natürlich stellten sie ihm das beste Zeugnis aus. Bemerkens wert scheinen mir auch folgende Frage und Beantwortung:„An sciateum aliquo graduin Jurecanonico velin sacratheologiainsignitum esse."Daraufgab Haubner u.a.mitdem Hinweis,daß Gangibauerein eifriger Leser der Linzer Quartalschrift sei", eine beruhigende Auskunft. Natür lich wußte auch er um die Schwierigkei ten bezüglich des ersten Trinkspruches aufden Kaiser,darum gab er denzweiten Trinkspruch auf Pius IX. wörtlich wie der".Werner wies u.a.aufdie Verdienste des Kandidaten um den oberösterreichi schen Landeskulturrat hin. Er sagte von Gangibauer,daß sich dieser auf das theo logische Doktorat vorbereitet habe, aber durch die Bestellung zum Gymnasialleh rer an der Ausführung seines Vorhabens gehindert worden sei. Die Fähigkeit,eine Kathedralkirche zu leiten, habe er schon dadurch unter Beweis gestellt, daß er ei nem Stifl vorstehe, dem 25 Pfarreien in korporiertseien.Seine bisherigeTätigkeit habe daher auch mit der Regierung einer Diözese eine gewisse Ähnlichkeit gehabt. Von ihm seizu erwarten,daß er die kleri kale Disziplin mit größter Wachsamkeit beobachten werde".Um den Stellenwert, d. h. die Bedeutungslosigkeit dieses Pro zesses richtig einzuschätzen, muß man beachten, daß schon drei Tage zuvor, nämlich am 27. Juli,im Wiener Diözesanblatt verlautbart wurde: „Dem wohlehr würdigen Diözesanklerus wird hiermit die sehr erfreuliche Mitteilung gemacht, daß seine k. u. k. Apostolische Majestät den Hochwürdigsten Herrn Abt des Stif tes Kremsmünster, Cölestin Gangibauer, zum Fürsterzbischof von Wien allergnädigst zu ernennen geruht hat'®." 21

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