po.Es ging um Beratung in Rechtsfragen, wie man sich bei Vorladungen durch die GeheimeStaatspolizei verhalten solle,um Vermittlung von Arbeit und Wohnung, ärztliche und zahnärztliche Behandlung. „Arische" Arzte durften ja keine Juden behandeln. Medikamente und Brillen wurden erbeten, alles Dinge, die einem Juden nicht zustanden. Es galt, die Auf nahme in ein Kinder- oder Altersheim zu vermitteln,und wennjemand starb,erhob sich dasschwereProblem derBestattung. Juden durften nicht auf„arischen"Fried höfen bestattet werden. Insgesamt wendete die Hilfsstelle 375.417,44 Reichsmark auf.DieseSumme mag heute relativ bescheiden erscheinen, aber Vergleiche aus der damaligen Zeit ergeben ein einigermaßen zutreffendes Bild. Im Juli 1940 erhielt in Wien ein Ka plan im 3. Dienstjahr ein Nettogehalt von 106,56 Reichsmark. Ein lediger Mittelschulpröfessor/Regierungsrat erhielt in der Anfangsslufe 408,00 Reichsmark. Der Journalist und Schriftsteller Frederic W. Nielsen zitiert in seinem Buch „Emigrant für Deutschland" einen Brief des PENClubs,dessen Mitglied er war. Dieser sah sich außerstande, „die versprochene Un terstützung von zehn Mark zukommen zu lassen". Statt dessen gewährte das Briti sche Flüchtlingskomitee einen„wöchent lichen Zuschuß von 2,50 Mark". Woher kam das Geld? Neben den Spen den von Klöstern und Pfarreien brachten immer wieder unbekannte Helfer kleinere oder größere Beträge. Teils brachten sie diese direkt in die Hilfsstelle, teils über brachten sie das Geld ihren Seelsorgern, gaben es im Beichtstuhl oder Sprech zimmer ab. Gelegentlich kamen größere Beträge von einzelnen Bischöfen oder von Papst Pius XII. Der größte Geldgeber aber war Kardinal Innitzer. Jeden Monat stellte er einen festen Betrag zur Verfü gung und halfdarüber hinaus,wieetwaim Fall des ICjährigen „Herbert", mit einer größeren Summe aus. Natürlich mußte auch der Wiener Erzbischof das Geld ir gendwoher haben. Er selbst lobte sparta nisch einfach, um Bedürftige unterstüt zen zu können.Jedoch hätte dies bei wei tem nicht gereicht. Ein bekannter Wiener Chirurg übergab dem Kardinal nachjeder Operation eine hohe Geldsumme für Arme und Verfolgte. Der Herausgeber wurde aber auch in diesem Fall um Wah rung der Anonymität des großherzigen Wohltäters gebeten. Von Ende 1940 bis Ende 1942 wurden in 48 Transportenje 1000Juden in das Gene ralgouvernement, nach Litzmannstadt (Lodz) und nach Theresienstadt ver schleppt. 1943 folgten kleinere Transpor te. Insgesamt wurden hievon etwa 2000 Katholiken betroffen. Die Aushebungen erfolgten bei Tag und Nacht, meist ohne vorherige Verständigung. Den Betroffe nen verblieben zwei bis dreiStundenzum Packen der wenigen Habseligkeiten, die sie mitnehmen durften.Alle Versuche des Kardinals, über kirchliche wie außer kirchliche Stellen die Transporte zu ver hindern, blieben erfolglos. In einzelnen Fällen gelang es der Hilfsslelle, Schütz linge von den Transportlisten streichenzu lassen oder einen Aufschub zu erwirken, etwa, um Verwandte in den gleichen Transport zu bekommen. Viele wurden vor der Abreise mit einem größeren Geld betrag,mitWäsche,Kleidung und Decken versorgt.Mitden nachPolen Deportierten stand die Hilfsstelle bis Mitte 1942 in Briefwechsel. Dann ging dieser zurück und brach ganz ab.Die Hilfsstelle sandte auch Pakete von Wien, aus der Provinz und dem Protektorat nach Polen. Dies war keine leichte Aufgabe- von der Be schaffung derLebensmittel und Kleidung einmal abgesehen, es war ja alles ratio niert, denn viele Postämter weigerten sich, „Judenpakete" anzunehmen. Aus Theresienstadt kam zunächst sehr spärli che Nachricht. Bis Ende 1942 waren der Hilfsstelle etwa 20 Anschriften bekannt, bis Ende 1943 etwa 150. Die Korrespon denz mit den Schützlingen bedeutete die sen sehr viel,wenn sie auch aufeine Post karte beschränkt blieb. Ab Weihnachten 1942 begannen die Sendungen nach The resienstadt. Anfangs waren es 20 bis 30 monatlich.Im Juli 1943 stieg die Zahl auf 200 und mehrim Monat.Im Jahr 1944 wa ren es genau 7277 Päckchen, meist 2 kg. Einzelne Pakete gingen auch in die Kon zentrationslager Ravensbrück, Buchen wald, Birkenau und Auschwitz. Trotz aller materiellen Hilfe, die vielen das Uberleben überhaupt erst ermöglich te, war doch die seelische Stütze wohl noch bedeutsamer:„Daß ihr uns nicht al lein gelassen habt in unserer Angst... Daß ihr immer wieder zu uns gekommen seid, obgleich unsere Wohnungen als Ju denwohnungen gekennzeichnet wa ren...Daß wirzu euch kommen durften, wenn wir nicht mehr weiter wußten... Daß ihr einfach für uns da wart, hat uns aufrechtgehalten, hat uns als Hoffnung und Trost begleitet ins Lager, in die De portation und ins grausame Ende..." Nach Uberwindung zahlreicher Schwierigkeiten konnte der Herausgeber Ende 1978 eine Dokumentation über die „Erzbischöfliche Hilfestelle für nichtari sche Katholiken" in Wien vorlegen. Sie dient nicht der Sensationshascherei,son dern versucht, Hintergründe und Zu sammenhänge aus der Zeit des Nieder gangs der Menschenrechte und Men schenwürde aufzuzeigen und einen Bei trag zur historischen Wahrheitsfindungzu leisten.Die Dokumentation ist in der Wie nerKatholischen Akademie.A-lOlO Wien, Freyung 6, I. Stiege, 1. Stock erhältlich. Ein zweiter Band dürfteim LaufdesFrüh jahrs 1979erscheinen.Die Beurteilungder Amtsführung Kardinal Innitzers dürfte noch lange Gegenstand heftiger Auseinandei-setzungen sein. Jedoch auch der unnachsichtigste Kritiker wird einräu men müssen, daß der damalige Wiener Erzbischof unermüdlich seinem Wahl spruch „In Liebe dienen!' nachgeeifert hat, Seine Hilfsstelle wird für immer ein RuhmesblattderKirche Wiensund seines Erzbischofs, Theodor Kardinal Innitzer, bleiben, P. Lothar Groppe SJ A-3500 Krems Dr.-Gschmeidler-Str.22-30 Über die NS-Verfolgungsära Gegen Rückschluß! Dr.Streidt 4751 26.Juni 1946. Betr.: ZI. 13854-V-1946, Daten für das „Rotbuch" auf dem Gebiete der Kultusverwallung. An das Bundesministerium für Unterricht. W i e n,I., Minoritenplatz 5. Nachstehend übermittelt das Erzbi schöfliche Ordinariat die gewünschten Daten und statistischen Unterlagen für das von der Bundesregierung geplante „Rotbuch".DieseDaten beziehen sich nur aufden Bereich der Erzdiözese Wien. 1. a) Zahl der Weltpriester: 966 (1945) — 1170(1938). b) Zahl der Ordenspriester und Brü der 1493(1945) 2363(1938). c) Zahl der Ordensschwestern: 6117 (1945) 7128(1938). 2. Zahl der Verhaftungen von Geistli chen und Ordensangehörigen:82. 3. Zahl der Anhaltungen von Geistli chen und Ordensangehörigen in Konzen trationslagern: 5. 4. Zahl der Ausweisungen: 13. 5. Zahl der Hinrichtungen: 3 (w'ögen angeblichen Landes- und Hochverrates). 6. Zahl der verhängten Predigt- und Redeverbote: 17.-Zahl der Religionsun terrichtsverbote im Reichsgau Wien: sämtliche Seelsorgepriester. Im Reichs gau Niederdonau: 31. - Sicherungsgeld (Wohlverhaltenskautionen)in 38 Fällen in der Höhe von RM 38.420. 7. Zahl der aufgehobenen katholischen Schulen und Kindergärten:278.-Zahlder aufgehobenen Knabenseminare: 3 (Hollabrunn; Erzdiözese, Hetzendorf: Lazaristen, Katzelsdorf). 8. Zahl der aufgehobenen Kloster und Stifte: 3(Deutscher Orden, Stifl Kloster neuburg und Missionshaus St. Gabriel. Alle enteignet.) Aufgehobene kleinere Niederlassungen: 54(zumeist an Landes kindergärten). 9. Zahl der Beschlagnahmen sonstiger kirchlicher Gebäude;46 größere Objekte, die im Zuge der Umsiedlung von Volks deutschen aus der Bukowina von 1941 bis zum Kriegsende beschlagnahmt waren. 10. Zahl der aufgelösten kirchlichen Vereine und Stiftungen: 1278. 11. Zahl der Alumnen des Erzbischöflichen Priesterseminars: 1937: 147 1940: 25 1943: 3 1938: 116 1941: 13 1944: 3 1939: 79 1942; 2 1945: 1 Anm.: Nachlaß Fried.
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