MitZurückhaltung wird noch Dr.Anton Gruscha,damalsFeldbischof,erwähnt(er wurde dann 1890 Fürsterzbischof von Wien!)".Er würde ihn primo loco setzen, wenn er die- Überzeugung hätte, „daß er die oben geforderte katholische Ent schiedenheit besitze". Ein Feldbischof könnte „sich im Lauf der Jahre an eine Bevormundung gewöhnt haben". Sollte diese Befürchtung zutreffen, was der Mi nister sicher beurteilen könne,dann wolle er ihn gar nicht genannt haben. Der andere Suffraganbischof,Matthäus JosefBinder von St.Pölten'% war aber of fenbar in das Vertrauen des Ministeriums viel mehr einbezogen.Auch er erhielt das offizielle Schreiben Conrads unter Datum vom 3.Februar,durch daser ersucht wur de,„unmittelbar jene Personen namhaft zu machen, welche Hochdieselben mit Berücksichtigung der Verhältnisse der Wiener Erzdiözese für geeignet und wür dig erachten,seiner kaiserlich und könig lichen Apostolischen Majestät behufs der Ernennung des künftigen Fürst-Erzbischofs von Wien gegenwärtig gehalten zu werden'-'".Diesem offiziellen Brieffolgte am nächsten Tag schon ein privater hand geschriebener Brief des zuständigen Mi nisters.In diesem hieß es unter anderem: „Bischof Frint (sie!) in Leitmeritz'"' scheint eine sehr beachtenswerthe Per sönlichkeit zu sein, und ich möchte wün schen, daß er von Euer Bischöflichen Gnaden genannt werde. Ich würde sehr gerne mich über die Sache mit Ihnen be sprechen, auch zunächst darüber, ob Hochdieselben selbst sich in eine Nomination gebracht sehen wollten."-Außer dem vermerkte der Minister seine Bereit schaft,nach St. Pölten zu kommen,wenn Binder nicht selber Wien aufsuchen könne'^ Zwei Tage später, es war ein Sonntag, antwortete Binder ebenso privat. Er werde am Mittwoch (also am 9. Februar) nach Wien kommen und sich beim Mini ster melden lassen. Außerdem teilte er gleich mit,„daß die güthigst angedeutete Combination nicht in meinen Wünschen liege, werden Euer Excellenz erklärlich finden""'. Zum 8. Februar ist seine offi zielle Antwort datiert,die sich aufdie Zu schrift vom 3. bezieht. Er ist der Meinung,daß vorallem solche Würdenträger, die schon in Wien bisher ihr Domizil gehabt haben, mit den Ver hältnissen genug vertraut seien. Darum nenne er: den Weihbischof und mehrjäh rigen Generalvikar Eduard Angerer",den Feldbischof Anton Gruscha", den k. k. Hof- und Burgpfarrer Laurenz Mayer"* und schließlich den Alumnatsdirektor Domherr Ernest Müller'. Sollten aber auch kirchliche Würden träger außerhalb Wiens in Erwägung ge zogen werden,solenke er das Augenmerk auf Franz Albert Eder, Fürsterzbischof von Salzburg'"', und auf Anton Ludwig Frind, Bischof von Leitmeritz'"*. ■ Es ist durchaus möglich, daß der Bi schof von St. Pölten dieses Schreiben-" selber am 9. Februar in Wien überreicht hat. Außerdem ist nicht auszuschließen, daß bei dieser Gelegenheitjene „interpellatio" stattfand, durch die ihm selber die Nachfolge Kutschkers in aller Form an geboten wurde. Er sprach in seinem spä teren Rechtfertigungsbrief an den dama ligen Nuntius in Wien, Erzbischof Serafino Vannutelli"'" davon; wir werden auf dieses Schreiben^^ noch zurückkommen. Inzwischen begannen schon die übli chen Gespräche mit und ohne Auftrag wegen der Besetzung des Wiener erzbischöfiichen Stuhles. Allgemein erwartete man die Ernennung des Feldbischofs Gruscha^'. Es gingen diesem schon Glückwünsche von verschiedenen Seiten zu.u.a. mit Berufungaufden Fürstprimas von Gran.Die Gesellenpräsides,zu denen Gruscha gehörte,jubelten bereits-"*. Am 12.Februarfand dann eine Unterre dung zwischen Kardinal Friedrich Jo hann Nepomuk Fürst Schwarzenberg, Fürsterzbischofvon Prag-®, und Gruscha statt. Als alter Wienerund ältester Bischof Österreichs drängte Schwarzenberg Gru scha zur Annahme. Er meinte, daß alle Wohldenkenden und Wohlfühlenden sich nach ihm als Fürsterzbischofsehnten.Er selber sei auch zunächst zögernd von Salzburg nach Prag gegangen. Der Feld bischof erklärte jedoch, daß er seine der zeitige Aufgabe nur ungern verlasse-'*.Auf den Ratseines Beichtvatersteilte Gruscha seine ernst erwogenen Gründe dem Erz herzog Albrecht'^ mit, welcher sie dann Kaiser Franz Joseph vortrug. Der Kaiser ließ den Kandidaten zu sich rufen,um aus seinem Munde die Ablehnungsgründe zu vernehmen.Bei der Audienz bat Gruscha, in seiner bisherigen Stellung bleiben zu dürfen.DerKaiser würdigteseine Motive, verlangte von ihm aber nun, er solle Bi schof Binder von St. Pölten vorschlagen, was er auch gehorsamst tat"®. Nun ver suchte Schwarzenberg in einem weiteren Brief,Gruscha doch noch zurAnnahmezu überreden. Bischof Binder dürfte zwar mehr Kenntnisse des kanonischen Rech tes und der Geschäftsroutine haben,aber seine körperliche Schwäche und Schüch ternheit nähmen ihm den frischen Mut und würden seine Gegner nur ermutigen. Er wisse auch nicht,ob dieser vom Linzer Bischofvorgeschlagen sei,wohlaber.höre man, daß dies bei Gruscha der Fall sei. Schwarzenberg wußte also nichts von der Zurückhaltung gegenüber Gruscha, die bei den Worten Rudigiers mitschwang. Gleichzeitig bat Schwarzenberg Gruscha, diesen Brief seinem Beichtvater zu zei gen-"'. Der Feldbischof blieb aber bei sei ner Ablehnung. Einer seiner engen Freunde vom Kolpingverein her,nämlich Konsistorialrat Anton Hieronymus Jarisch, Stadtdechant von Komotau"'- er war einer der ersten Gratulanten" -, meinte, Gruscha habe ein einfacheres, gemütlicheresLeben dem äußerst beweg ten Wirkungskreis eines Erzbischofs von Wien vorgezogen. Außerdem hätte er Furcht vor unliebsamen und unvermeid lichen aufregenden Konflikten von außen und nervösen Zuständen von innen ge habt.Dann fügte Jarisch noch hinzu:„Als Erzbischofden Sitzungen des Herrenhau ses beiwohnen,am Ende garRedenzu hal ten, das würde Dich zu sehr erregen, zu sehrangreifen,so daß Du gewiß vonjeder Sitzung krank nach Hause kämest"." Inzwischen haben die kompetenten Au toritäten ihr Augenmerk aufden von Gru scha vorgeschlagenen BischofBinder von St. Pölten gerichtet. Dr. Paul Gautsch Frh. von Frankenthurn, damals Präsidialsecretär im Cultusministerium, der spätere Cultusminister und Ministerpräsident, damals noch ein verhältnismäßig junger Beamter'-, wurde nun zum Bischof nach St. Pölten geschickt.Ersprach am 13.Märznachmit tags bei Binder vor. Seine Marschroute war klar festgelegt.Erfragte nochmals,ob Binder nichtdoch bereit sei anzunehmen. Die schriftlich fixierte Antwort lautete: „Ich wiederhole zunächst meine drin gende Bitte an seine Excellenz den Herrn Ministerfür Cultus und Unterricht beider Besetzung des Wiener fürsterzbischöflichen Stuhles auf meine Person-wenn ir gendwie möglich - keine Rücksicht zu nehmen. Sollten sich jedoch die Um stände derart gestalten, daß nicht durch die Wahl einer anderen Persönlichkeit die etwa bestehenden Schwierigkeiten be züglich der Besetzung des Erzbisthums Wien behoben werden könnten und somit die hohe Regierung auf der Wahl meiner Person bestehen zu sollen erachtet, so würde ich in diesem äußersten Falle einen an mich ergehenden Ruf nicht ablehnen, müßte mirjedoch vorbehalten, bezüglich der hierzu erforderlichen materiellen Mit tel die entsprechenden Bitten unterbrei ten zu dürfen®®. Auf diese ablehnende Antwort war der Beamte schon vorbereitet. Er erklärte da her nun,daß der Kandidat der Regierung dann Gangibauer sei. Gleichzeitig bat er BischofBinder,er möge in Ergänzung zu seinen früheren Vorschlägen doch diesen Abt von Kremsmünster als Kandidaten nachbenennen. Binder handelte wie be fohlen.Im Nachgang zu seinem ergeben sten Schreiben vom 8. vorigen Monats be ehrte er sich, „die hohe Aufmerksam keit... auch noch auf den Abt von Kremsmünster, Cölestin Gangibauer, hinzulenken, welcher die zur Übernahme deserzbischöflichen Stuhles von Wien er forderlichen Eigenschaften nach meinem unmaßgeblichen Dafürhalten besitzen dürfte'"*. Diese wohl etwas zurückhal tende ergänzende Bemerkung brachte also Gangibauer ganz offiziell ins Spiel. Wer hat auf ihn hingewiesen? Wohl nicht Gruscha,der gegenüber dem Kaiser und Cultusministerimmer wieder Binder genannt hat. Eine Auffassung, in der er nach seiner Darstellung von Kardinal Schwarzenberg sowie vom Apostolischen Nuntius und Erzherzog Carl Ludwig'® nur bestärkt wurde"'. Es ist nicht ausge schlossen, daß den Namen Gangibauer vor allem Universitätsprofessor Dr. Carl Werner genannt hat, der gleichzeitig als Ministerialrat im Cultusministerium fun gierte. Er rühmte sich jedenfalls, seinen Freund aufdiesen Posten gebracht zu ha ben und „sich selber damit und seinen Büchern undFreunden dieTreueerhalten zu haben"".Die beiden kannten sich seit ihrer gemeinsamen Studienzeit Während
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