Ich hatte kaum die Gangtür im ersten Stock geöffnet,alsichauchschon ein Pol tern beim Haustorvernahm,als würde mit Eisenstangen darauf geschlagen. Ich dachte noch: da kommt ihr nicht herein. Doch war ich noch nicht bei meiner Woh nungstür in der Mitte des Ganges ange langt,als aufeinmalim Haus(auch da wa ren Fenster zur Quadratur offen) Scher ben klirrten, Ich begab mich rasch ins Zimmer,fühlte mich aberimmer noch so sicher, daß ich weder einen Riegel vor legte noch zusperrte. Außen war freilich an der Tür keine Schnalle,sondern ein Knopf,so daß man nur mit einem Schlüssel öffnen konnte. Ich ging zum Fenster und sah auf dem Platz vor dem Haus eine Schar junger Leute,die sich nun vereint gegen das Tor stemmten und mitHo-ruck einzudringen versuchten. Immer noch meinte ich, daß ein solches Beginnen unmöglich sei. Auf einmal aber schien nach einem abermali gen Ho-ruck das Tor nachzugeben, den die ganze Rotte verschwand in den Haus flur hinein.Ich war sprachlos und konnte mir das Geschehen nicht zusammenrei men. Was war geschehen. Die Kirchendiener hatten aufden Krawall hin ihre Wohnung verlassen,aber in der Eile weder das Fen ster verschlossen noch die Türzugesperrt. Die Torstürmer pochten zunächst vergeb lich an das Tor.Doch sahen sie bald, daß gleich daneben das Fenster offen war. Auch wenn es im Hochparterre war, so bauten sie rasch eine „Räuberleiter" und über Hand und Schulter gelangten sie leicht ins Zimmer,über die unversperrte Tür ins Haus.Sie brauchten nur über die Stufen hinunter zum Tor,Schwenkhebel und Schieber herauszuheben und dann, war es ein leichtes,den Schlüsselbart von außen einzudrücken, das Tor war offen. Der Lärm war sofort im ganzen Haus vernehmbar. Ehe ich noch recht überle gen konnte,wasjetztzu tun wäre,klopfte es dreimal an meiner Tür. Ich dachte,Dr. Nagler wäre mit den Leuten mit hereinge kommen und wolle zu mir.Ich stürzte zur Innentür,riß sie auf,hielt dann aber einen Augenblick inne, ob er sich etwa melde. Draußen muß man das öffnen der Innen tür bemerkt haben, denn nun forderte eine Stimme: „Aufmachen, sonst wird eingetreten." Die Drohung war nicht von derHandzu weisen,weil dieTürfüllungen nicht allzu massiv waren.Erstjetzt schob ich den Riegel vor die Außentür und ver sperrte die innere. Ich richtete mich auf Verteidigung ein. So begann ich mich zu verbarrikadieren in der Annahme, sol cherart etwaigen Eindringlingen die Sa che so schwer als möglich zu machen.Es tat sich aber bei meiner Tür nichts mehr. Nur allgemeins Lärmen und Poltern konnte wahrgenommen werden. Ich ahnte noch nicht,daß sich unterdes sen bei meinem Nachbar Krawarik ein Drama anbahnte.Er hatte beidem Tumult die Hausangestellten der Küche gegen über seiner Wohnung(als Ökonom war er für sie zuständig) angewiesen, ihre Woh nungim Singerstraßentraktaufzusuchen, ihnen aber auch gesagt, falls das nicht mehr möglich sei, möchten sie bei ihm anklopfen und er würde sie dann in die Wohnungeinlassen(bei der herrschenden Diffamierung von Priestern durch die Machthaber wollte er keinen Vorwandfür Angriffe bieten). Tatsächlich liefen die Angestellten den Eindringlingen direktin die Hänge und wurden genötigt,stehenzu bleiben. Unterdessen kamen diese aber zur Tür von Domkurat Krawarik,auf ihr Klopfen riß er in derMeinung,es seien die Angestellten, die Tür auf und schon hat ten ihn die Fäuste der Jugendlichen ge faßt. Was dann weiter geschah,ist aus an deren Aussagen bekannt. Ich nahm lediglich etwa 20 Minuten nach Beginn des Sturmes einen schrillen Pfiffim Hause wahr,als ich wieder beim Fenster hinuntersah, strömte alles aus dem Hause fort.So räumte ich wieder die Sicherungen weg. Bei einem weiteren Blick durchsFenster sah ich noch,daßje mand aufeiner Tragbare in ein Rettungs auto verladen wurde. Als ich dann hin ausging, erfuhr ich vom argen Schicksal des Kollegen Krawarik sowie von den sonstigen Vorgängen im Haus,das in den zugänglichen Teilen allerlei Verwüstun gen über sich hatte ergehen lassen müs sen. Anm.: Dr. Schoiswohl war seit 1. Au gust1930 Domkurat beiSt.Stephan.-Sh. dazu die Berichte über dasselbe Ereignis von Domkurat Johannes Krawarik in: Beiträge zur Wiener Diözesangeschichte, Wien 1973(Jg. 14), Nr. 6. S.41 f. und von Domkurat Josef Göbel, ebenda 1966 (Jg. 7), Nr.3, S.22 f. Um das NuntiaturGebäude in Wien Wien,am 18. April 1945 Der Erzbischofvon Wien Pr.Z.61/945 An die Delegation der USA. Das Gebäude der ehemaligen Apostoli schen Nuntiatur in Wien IV, Theresianumgasse 31 wurde im Jahre 1938 nach Auflösung der österreichischen Nuntiatur an den Reichsnährstand vermietet.Da das Gebäude weiterhin grundbücherlich ein getragenes Eigentum des Apostolischen Stuhlesist und miteiner Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwi schen dem Apostolischen Stuhl und Österreich gerechnet werden kann, bitte ich im Namen des Hl. Stuhles, das Haus unter amerikanischen Schutzzu nehmen. Theodor Kardinal Innitzer Erzbischof DAW,Bischofsakten,Innitzer, 18. Nuntiatura Apostolica Germania Nr.640204 Eichstätt, den 1. September 1945 Eminenz! Ich benütze die gute Gelegenheit und ausordentliche Liebenswürdigkeit des Herrn Ing. Rudolf Wenzl aus Wien,Eurer Eminenz nach so vielen schweren Erleb nissen meine ehrfurchtsvollen Grüße zu übermitteln, verbunden mit den besten Wünschen für Ihr persönliches Wohlerge hen und Ihre pastorale Tätigkeit. Es wäre mir sehr angenehm,etwas zu wissen über das Palais der Nuntiatur in der Theresianumgasse. Vielleicht wird es Eurer Eminenz möglich sein, durch ir gend einen gelegentlichen Boten meinen Wunsch zu erfüllen. Indem ich Ihnen im voraus für alle Be mühungen verbindlichst danke, versi chere ich Eure Eminenz meiner vorzüg lichsten Hochschätzung und tiefsten Ver ehrung und verharre,den hl. Purpur küs send. Eurer Eminenz in Ehrfurcht ganz ergebenster + Cesare Orsenigo Erzbischof von Ptolemais Apostolischer Nuntius. Mit Bleistift: 26/45 DAW,Bischofsakten,Innitzer, 19. 46
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