Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Von Prälat Gorbach und seinen Mitarbeitern in Wien Dr.Gebhard Müller Schon seit Jahren war Dr.Gorbach mit dem überaus apostolatsfreudigen Schul direktor JosefMoser,dem Begründer des Canisiuswerkes, bekanntgeworden und folgte dessen Einladungen zu Predigtund Vortragsreihen nach Wien. Dabei durchstöberte er die kirchenarmen und volksreichen Bezirke Wiens und sah sich mit kundigem Auge nach Bauplätzen, leerstehenden Hallen oder sonstigen Ge bäuden um, die geeignet wären, als Not kirchen zu dienen. Das Jahr 1931 brachte die große Wende. BischofWaitz hatte volles Verständnisfür die Lage; in einer Versammlung sagte er einmal; „Was würde es uns schließlich nützen,wenn Vorarlberg christlich bleibt, aber Wien entchristlicht würde?"So legte Dr. Gorbach seine Arbeitsbereiche in Feldkirch und Vorarlberg in die Hände seiner bisherigen Helfer, zunächst noch ohne förmliche Ubergabe, begab sich nach Wien, schaffte sich eine Wohnung mit Haushalt und ging an seine neue Ar beit. Nur die Herausgabe und Redaktion des wöchentlich erscheinenden „ZweiGroschen-Blattes" behielt er sich persön lich vor. Am S.Mai1932konnte BischofDr.Waitz auf Einladung des Wiener Erzbischofs, Kardinal Piffl, die Einweihung der ersten Seelsorgsstation vornehmen,im 12. Wie ner Gemeindebezirk,Schedifkaplatz3,zu Ehren des heiligen Namens Jesu. Am selben Tag wurdein Lochau in Vor arlberg seine vielgeliebte Mutter Jose phine begraben;ich stand im Namen und Auftrag des priesterlichen Sohnes an ih rem Grab und weiß, daß es ein schweres Opfer für ihn bedeutete, nicht dabei sein zu können; Dr. Gorbach brachte dieses Opferjedoch großmütig und zum reichen Segen für die neue Gottesdienststätte. Wer sollte diese, und ebenso die noch folgenden, aber betreuen? Der Gründer erbat sich von Bischof Waitz dafür zwei Vorarlberger Diözesanpriester; und zwar fiel seine Wahl auf Kaplan Josef Märk in Götzis und auf meine Wenigkeit. Ich wollte eigentlich nicht mehr nach Wien, da ich mit der Führung des Studentenkonviktes betraut war,einer Aufgabe,die mich voll ausfüllte und die ich liebgewon nen hatte, aber der Bischof zerstreute meine Bedenken,versicherte mich seines Wohlwollens und meinte, die Mitarbeit bei den verdienstvollen Werken Dr. Gor bachs würde auch mir reichen Segen bringen.Sofuhr ich am 3.September 1932 miteinem Kindertransport nach Wien,auf zwei"bis drei Jahre,wie alle meinten,tat sächlich Sind aber vierundvierzig Jahre daraus geworden.Am 15.Septemberkam Kap.'as M&i» nach, und die Station Na men Jesu war versorgt. Der Gründer konnte auf neue Eroberungen ausgehen. Der Stadtdekan von Feldkirch, Msgr. Anton Ender,hat bei einem seiner belieb ten Spielabendeim Priesterkreis denlau nigen Ausspruch getan;„DerDr.Gorbach ist wie ein Spitzbub, überall zündet er Feuer an, und wenn er sieht, daß es brennt, dann läuft er davon." Und so war es auch. Da er seine erste Station versorgt sah, zog er weiter zur nächsten,für die er den Baugrund schon früher gekauft hatte. Er entwarf seine Pläne,undschonim Maimonatginger mit seinen Arbeitern und Handwerkern ans Werk,wobei er selbst kräftig Hand anleg te.Am 10.September1933konnteBischof Dr.Waitz bereits die Weihe dieserzweiten Seelsorgestation vornehmen; sie war Ma ria Namen geweiht. Rektor Feger,der aus Liechtenstein gekommen war und sich dem Werk angeschlossen hatte, wurde hier als Seelsorger eingesetzt. Im folgenden Jahr konnte Dr.Gorbach bereits seine dritte Seelsorgestation er öffnen und wieder mitzweiPriestern vom Kostbaren Blut, die sich ihm zur Verfü gung stellen durften, besetzen. So war seines Bleibens nie lange. Bauen, eröff nen, mit den Gottesdiensten beginnen, imd weiterwandem. Auf diese Weise konnte er bis 1938, das für ihn und sein Werk eine neue Wende bringen sollte,sie ben solcher Seelsorgestationen errichten, von denen biszum 1. Jänner 1939 fünfzu Pfarren erhoben wurden.Das Leben da selbst war meistsehreinfach,sogar primi tiv,das tat aber dem Seelsorgseifer seiner Mitarbeiter keinen Eintrag, diese brauch ten in dieser Hinsicht nur aufihren Mei ster zu schauen. Der Presse-Apostolatsverein wurde nach dem Umsturz Hitlers aufgelöst, und die Seelsorgestationen wurden, soweit bereits Kirchen bestanden, vom Erzbischöflichen Ordinariat bzw.vonderErzdiözeseübernommen.Im übrigen wurde die Kirche damals allge mein mit Argwohn betrachtet und unter Druck gesetzt. Eine besondere Note hat die seelsorgli che und soziale Tätigkeit der von Dr.Gor bach errichteten Stationen_zwischen 1932 und 1938 durch die Kinder-Ferienaktio nen erhalten, die jährlich eine wachsende Zahl von Kindern durchwegs armer Eltern von Wien nach Vorarlberg brachten, wosie beiguten Menschen eine liebevolle, manchmal nur durch Opfer ermöglichte Aufnahme fanden. 1936 brachte der größte dieser Transporte 1200 Kinder nach Vorarlberg,von denen allerdings die meisten in Heimen, Anstalten und Gast häusern untergebracht waren. Auf dringende Ratschläge und War nungen hin verließ Dr.Gorbach Ende No vember 1938 Wien und begab sich über Vorarlberg ins Ausland und schließlich nach Jerusalem,um dort einen alten Plan von einem Apostolat unter den Arabern aufzugreifen. Infolge des Kriegsausbru ches wurdeer aber von derenglischenBe satzungsmacht konfiniert und mußte schließlich wegen der Feindseligkeiten zwischen Juden und Arabern das Heilige Land verlassen.UberRom kehrte er nach Vorarlberg zurück und war hier und in Innsbruck neuerlich mit der Errichtung von Seelsorgestationen beschäftigt, bis er •1955 von Erzbischof-Koadjutor Dr. Jachym vonneuem nachWiengeholtwurde, um dort seine vor dem Krieg so erfolgrei che Arbeit fortzusetzen. Ertates mitFeuereifer.AlsDirektordes Wiener Kirchenbauvereins und Mitarbei ter des Bauamtes der Erzdiözese war er nicht nur mit dem Erwerb von Baugrün den befaßt, er zimmerte, pinselte und hämmerte auch gern an seinen Barackenkirchlein, von denen er in den sechzehn Jahren seineszweiten Wiener Wirkens bis zum Jahre 1971 nicht weniger als zwanzig errichtete. In der letzten, der 27. Station, feierte er noch seinen 80. Geburtstag. All die Jahre hielt er fast regelmäßig,zumal im Sommer,drei Gottesdienste, nun aber wolltees nicht mehrgehen.Derein Leben lang unermüdliche Priester und Apostel kehrte nach dem rastlosen Wandern und Bauen, Predigen und Schreiben, Beten und Opfern in seine Vorarlberger Heimat zurück,nicht,um sich zur wohlverdienten Ruhe zu setzen, sondern um nun durch sein stilles Beten und Leiden Kirche zu bauen. Am Allerseelentag 1977 wurde er ins Krankenhaus gebracht. Seiner Haushäl terin, die ihm 43 Jahre lang treu gedient hatte, sagte er zum Abschied;„Nun sind wir lang genug beisammen gewesen, ich darf jetzt heimgehen zu meinem Herrn und Meister Jesus Christus und zu seiner Mutter Maria! Deo gratias!" Möge der Ewige Hohepriester selbst sein ewiger Lohn sein! Anm.: Von Msgr. Dr. Gebhard Müller (Weiler in Vorarlberg),zuletzt Pfarrer von Neulerchenfeld, Wien XVI(und dies seit 1.1.1969),mitSchreiben vom 9.Juni 1978 zur Publikation berechtigt, sei hier ver merkt, daß der Artikel im „Neuen Gro schenblatt",Wien,1978,Nr.4und 5,unter dem Titel erschienen ist; „Der Vater des Groschenblattes, Notkirchenbauer." Dr.F.L. 44

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