Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Wien sandte 2400 Mann unter dem Kom mando des Oberst Ulrich Freiherr von Kielmannsegg zu Hilfe. Während der Be lagerung fiel unmittelbar vor der Wand lung das spätere Michaeler-Gnadenbild ohnesichtliche Ursache von der Wand der Kirche.Man ging derSache nach und ent deckte,daß die Türken einen Gang unter die Kirche gegraben hatten, um diese in die Luft zu sprengen. Sofort wurden Ge gensprengungen unternommen und der türkische Anschlag vereitelt. 1669 mußte Candia unter ehrenvollen Bedingungen von den christlichen Trup pen geräumt werden. Beim Abzug mel dete sich beim österreichischen Befehls haber ein Priester und bat, er möge ihn und das Gnadenbild nach Österreich nehmen. Der Adjutant des Heerführers, Balthasar Olivicciani,erhielt den Auftrag, das Bild sorgfältig einzupacken und ei nige Zypressen zu fallen,da er in Wien ei nen Altar zu Ehren dieses Gnadenbildes zu errichten gedenke.Im Jahre 1672über gab Kielmannsegg dem Bamabiten P. Don Kasimir Dembsky das Bild. Da aber das Holz viel später in Wien eintraf, konnte der Altar erst am Ostermontag 1673 seiner Bestimmung übergeben wer den. Er stand an der Stelle des heutigen Juliusaltars im rechten QuerschifP. Kielmannsegg war verhindert, an dieser Feierlichkeit teilzunehmen. Er starb we nige Jahre darnach am 2. August 1676 zu Speyer. Am Ostermontag 1782 erfolgte dann die Übertragung des Gnadenbildes Maria Wegweiserin(auch Maria von Candien genannt)aufden heutigen Hochaltar. Bis in unser Jahrhundert hinein wurde der Tag der Übertragung festlich began gen. Als wundertätiges Bild erwies sich die Ikone im Pestjahr 1679. P. Don Kasimir Dembsky wurde beim Versehgangzu den Pestkranken angesteckt. Arztliche Hilfe war vergebens, und er bereitete sich auf den Tod vor.Im Traum erschien ihm Ma ria die Wegweiserin in Begleitung der hei ligen Rochus und Sebastian und machte ihn gesund.Eine Votivtafel,die sich noch 1951 im Kolleg St.Michael befand,machte aufdieses Ereignis aufmerksam®.Das An sehen, welches Dembsky in Verbindung mitdem Gnadenbild derMuttergottesvon Candien genoß,hatdazu beigetragen,daß er die Erlaubniszur Errichtung eines Kol legs im heutigen Wiener Bezirk Mariahilf erhielt. Daher wurde er mit Recht als er ster Gründer des Kollegs Mariahilf be zeichnet. Dembsky starb am 9. Juni 1683 zu St. Michael an einem bösartigen Fie ber'. Mit dem Ende der Monarchie hörte St. Michael auf, Hofidrche zu sein. Ja noch mehr. Das Pfarrgebiet wurde an die Nachbarpfarren aufgeteilt und die Kirche geschlossen.Unter diesen Umständen ge riet auch das Gnadenbild in Vergessen heit. Nach Wiedereröffnung der Kirche wurde die heute so berühmte Ikone mit folgender abfälligen Bemerkung abgetan; „Aufdem Hochaltar steht als Gnadenbild ein künstlerisch belangloses byzantini sches Ölgemälde"®. Erst nachdem der Kunsthistoriker W. Sas-Zaloziecky aufdie bedeutenden Qua litäten dieserIkone aufmerksam gemacht hatte, fand das Gnadenbild wieder Ein gang bei der Maipredigt und damit zum Herzen des Volkes'.Um so schmerzvoller trafalle derDiebstahlin der Nachtvom 17. auf 18. Dezember 1975.In die tiefe Trauer mischte sich der leise Wunsch: Maria möge dem Gnadenbild wieder den Weg zur Stätte ihrer Verehrung weisen". Und der Wunsch ging in Erfüllung.An fang 1977 erhielten Wiener Kriminalisten die Nachricht,daß Gemäldeim Werte von Millionenzum Verkaufangeboten werden sollen. Ein Wiener Barbesitzer, Gottfried Schlegel, geriet in Verdacht, und von da an wurden seine Telefonate abgehört". Schlegel stand in Verhandlung mit dem Millionär und Flugunternehmer Kommerzialrat Gerhard Berger.Im Wiener Hilton-Hotel sollte die Ubergabe von Kunst gegenständen an einen Käufer stattfin den. Das Geschäft hätte einige Millionen einbringen sollen. Beim Verlassen seiner Wohnung wurde der schwerbewaffnete Barbesitzer verhaftet. Verhaftet wurden auch die Kellner Alfred Belschan und Ernst Just sowie Kommerzialrat G. Ber ger. Letzterer gestand den Aufbewah rungsort der gestohlenen Kunstschätze und führte die Wiener Sicherheitsbeam ten nach Vomp in Tirol. Dort besaß er in einer Pension ein Dauerappartementund in dem dazugehörigen Nebenhaus „Kar wendelrast" ein KeUerabteil, in dem die Kunstschätze gelagert waren". Der Wert der Gemälde,Heiligenfiguren undIkonen wurde auf 120 Millionen Schilling ge schätzt.Um nur die wichtigsten aufzuzäh len: die 1975 aus dem Rektorenpalast in Dubrovnik erbeuteten Gemälde Tintorettos,Carracis und andere; die 1974 aus der Kirche in Hagenbrunn bei Wien gestohle nen drei Kremser Schmidt und die Kreuzwegstationen; aus der Leonhards kirche in Spital am Pyhrn einen Kremser Schmidt; aus Traunkirchen fünf Altarbil der; aus der Kirche in Thalheim bei Wels vier Skulpturen und aus der Kirche in Gaflenz (Oö) zwei Skulpturen usw. Und dann kam für Wien die große Überra schung: unter dem Diebsgut befand sich auch die kostbare Ikone der Michaelerkirche Maria die Wegweiserin". Miteinem Schlag kam nunauch Lichtin das bisher geheimnisvolle Dunkel rund um den Diebstahl des Gnadenbildes. Ein 33jähriger Angestellter der Hausverwal tung im Kolleg St. Michael hatte für an geblich 15.000 Schilling dem Dieb Zutritt zum Altarbild verschafft".DasVerhörder Verhafteten Schlegel und Berschan hatte hingeführt auf die Spur des eigentlichen Ikonendiebes Wilhelm Saub. Nachdem ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden war, stellte er sich selbst im Wiener Lan desgerichtam 28.Februar 1977.Er wurde sofort verhaftet". Mit einem „Blitzprozeß'"® gegen die Kunstdiebe wurdeam 23.September1977 die größte österreichische Kunstdieb stahlsaffäre beendet.Der Kaufmann Ber ger bekam als Anstifter und Hehler vier einhalb Jahre Freiheitsstrafe und 50.000 Schilling Geld- und 800.000 Schilling Wertersatzstrafe... Auch der Diebstahl der Ikone wurde re lativ milde beurteilt. Der gerichtlich bei gezogene Kunstexperte Herbst schätzte den Wert der Ikone unter dem Gesichts punkt,daß es sich um ein Unikat handle, auf mindestens 1,2 Millionen Schilling, Der von der Verteidigung beauftragte Gutachter billigte ihr nur einen Handels wert von 200.000 Schilling zu.Das Gericht stützte sich auf das Fachgutachten des Experten Herbst und verhängte über den Ikonendieb Wilhelm Saub eine Strafe von drei Jahren.Der an dem Diebstahl mitbe teiligte Hausverwalter erhielt eine be dingte Strafe von 15 Monaten. Eine große Menschenmengesäumte die Straßen der Wiener Innenstadt, als am I.Mai 1977 Erzbischof-Koadjutor Dr. Franz Jachym das wiedergefundene Gna denbild in feierlicher Prozessin von der Kirche St. Peter am Graben nach St. Mi chaelheimgeleitete".DieInthronisierung des Gnadenbildes „Maria, die Wegweise rin" hatte so tiefen Eindruck hinterlassen, daß man beschloß, alljährlich am 1. Mai eine Heimkehr-Feier in St. Michael zu veranstalten. Kaum ein anderes Gnadenbild weist eine solch bewegte Geschichte aufwie die Ikone „Maria, die Wegweiserin" auf dem Hochaltar der Michaeierkirche. Christen des Ostens und des Westens haben vor diesem Bild gebetet. Über das Meer kam die Ikone in stürmischen Zeiten nach Wien. War den Wienern Zuflucht in Krankheit und Not; hat still gewartet, als man sie zu vergessen schien; kam unerwartert wieder,als man sie verloren glaub te... An solchen Zeichen des Himmels soll man nicht achtlos vorübergehen. Anmerkungen; 'Neue Kronen-Zeitung v. 19, Dez. 1975, S.8. ^W. Sas-Zaloziecky, Das Gnadenmuttergottesbild der Michaelerkirche in Wien.Ein Denk mal der italo-byzantinischen Schule. In: Jahr buch d. österr. byz. Gesellschaft, Wien 1951, S. 143. ^ Ebenda S. 138. 'Anonym, Gründlicher Bericht von dem Gnadenbild der MultergottesausCandien,gedr. bei Leop. Kirchenberg. Wien 1773. Dazu: W. Posch, Maria, die Wegweiserin, in: Michaeler Ffarr-Brief, 1. Jg., Nr.6, Wien 1951. "Anonym (P. D. Severin Wachtelhofer), Die k. k. Hof-Stadt-Pfarr- und Collegiums-Kirche St. Michael zu Wien, Wien 1861,S.41 f. * W.Posch,Maria,die Wegweiserin a. a. O. 'Severin Wachtelhofer, Series R, Patrum Barnabitarum ...ab anno 1626, Nr.65. Wien 1864, Manuskript, Kollegsarchiv/Mariahilf. ® E. Schaffran, St. Michael in Wien, in: Hei matkundliche Wanderungen, österr. Bundes verlag Wien, Verlagsnummer F81, S. 10. 'W.Posch,a. a. O. '® Ders., Diebstahl des Gnadenbildes der Wiener Michaelerkirche, in: Salvatorianische Mitteilungen, 28. Jg.. 2-76, Köln-Wien,S.12 f. "Neue Kronen-Zeitung v.21.Februar 1977 S.6 f. "Dieselbe,22. Februar 1977,S.6 f. "Dieselbe,21.Februar 1977. "Die Presse v. 24. Februar 1977, S. 10 und Wiener Kurier v. 24. Februar 1977,S. 6. Die Presse v. 2. März 1977,S. 10. '®Die Presse v. 24./25. September 1977, Nr.8851,S. 16. "Wiener Kirchenzeitung v. 1. Mai1977,S.1 u. 8. Mai 1977,S. 8. 34

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