Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Ein Seelsorger-Brief Gr.Rußbach, 1. Okt. 1925 Eure Eminenz, Hochwürdigster Vater in Gott! Vom ganzen Herzen tausend Dank für die väterlichen Zeilen vom 28. 9., die ich am kommenden Sonntag meinen Pfarr kindern zur Kenntnis bringen werde. Da ich weiß, welches Interesse Ew. Eminenzdaran haben,so kann ich berich ten,daß die Wallfahrtnach Maria Zellsehr gut gegangen,daß ein Geist heiligerFreu de,rührender Zufriedenheit und Verträg lichkeit herrschte-obwohl diesmal meist Frauen und Mädchen, da letztesmal bei der Heimkehrer-Wallfahrt nur Burschen und Männer waren - kindliche Andacht bei den gemeinsamen Andachtsübungen und, mir kam vor, eine hl. Begeisterung für die Ausführung der Vorsätze, die ich den Leuten nahelegte, damit sie ein Sau erteig werden, der mit seinem Geiste die Pfarrgemeinde durchdringe! Wenn es Ew.Eminenz interessiert,lege ich die Urschrift unserer Wallfahrts-Ord nung bei, aus der Eminenz ersehen mö gen:es ist eine wirkliche Gebetsfahrt!Am Sonntag, 27., feierten wir Seelsorger in unserer Pfarrkirche noch einmal Wieder sehen mit unseren Wallfahrern an der Communionbank,um die Vorsätze zu be festigen, die drinnen gefaßt worden sind. Es waren für uns Tage schwerer Mühe und Arbeit, aber großer seelsorglicher Freuden und Hoffnungen,für mich Tage seelischer Erholung! Denn ich konnte während der ganzen Ferien nicht über 2 Tage von meiner ar men Mutter weg. Seit 19.Juni ist sie hilf los wie ein Kind,muß gehoben und gelegt werden, wir müssen ihr mit der Trink schale Nahrung einflößen, oft an einem Tage 3mal Bett wechseln! Manchmal schreit sie die ganze Nacht! Ich bin mit meinen Nerven schon ganz herunten, hatte nach diesen Ferien heuer kaum die Courage mit dem Schulgehen anzufangen, und kostete mir eine große Selbstüberwindung! Ich bin darum so froh und dankbar, daß man mir meinen lieben braven H. Coop. gelassen, der so gut ist für mich und die alten Leute, das Kreuzruhig mitträgt.Ein Wechsel wäre da wohl fürchterlich für mich! Ich bitte recht, daß Ew. Eminenz für mich auch beten,daß mir der 1. GottKraft und Geduld zum Tragen und dabei auch zur Pflicht-Erfüllung gebe. Längere Zeit hatte ich die Pflegeschwester des Verei nes Heimkrankenpflege bei Mutter,da es für meine Dienstboten auch schon viel wird! Nur ist diese auch schon die dritte Woche krank und muß ich auch für diese noch sorgen!Und das alles mit266 Schil ling monatlicher Congrua. Eine geistliche Schwester ist natürlich schon ganz unmöglich, weil es viel zu hoch kommt.Wie Gott will-und so lange er will! Nun geht es an die Vorbereitung unse res Anbetungstages, 26. Oktober. Unmit telbar vor demselben werden die Frauen und Mütterihre Standesvorträge nach Art von Exerzitien haben.(Namen Jesuoktav hatten sie die Mädchen, Carwoche die Burschen, Bittwoche die Männer). Das soll nun eine jährlich wiederkehrende Einrichtung werden und erhoffe sich doch Nutzen davon. Fangen jetzt doch schon einige Bur schen an, darunter einer meiner bisher größten Gegner- abends zu mir zu kom men mit all ihren Anliegen. Zu einem sagte ich neulich:„Ich glaube,es geht bei uns mit dem rel. sittlichen Leben doch langsam aufwärts", und er antwortet:„H. Pfarrer, das können wir besser beurteilen wie Sie; wir sind oft wochenlang im Gast hause beisammen, ohne daß ein unan ständiges Wort fällt." Und als er neulich wieder da war,bat er vor dem Gehen:„Hochwürden ich hätte noch ein Anliegen,ich möchte beichten." Das machte mir große Freude, es war Vz 11 Uhr abends. An unserem Jugend sonntag nahm die ganze Bevölkerung teil -auch die deutsche „Intelligenz, der Ge sangsverein und Turnerbund", und ich hoffe, daß gerade das Anlaß zur Uberbrückung von Gegensätzen geben wird, die bisher viele von uns getrennt haben. Vielleicht ist daran auch zum Teile Schuld unser Mitarbeiter am deutschen Schulverein,von dem ich Ew.Eminenzin Ob. Kreuzstetten berichtet habe, und die Ew.Eminenz in der Art auch gebilligt ha ben! Seien Eminenz nicht böse über die lange Epistel, aber es drängte mich,Ew. Eminenz an unserer Freude teilnehmen zu lassen. Mit der Bitte um Gebet und Segen Ew. Eminenz kindlich Ergebener Carl RondonelL DAW,Bischofsakten,Piffl, 1925.Handge schriebener Brief. Eine Wallfahrts-Ordnung 1925 Groß-Rußbach 1925. Ordnung für die Wallfahrt nach Mariazell 24.-26.Sept. 1925. Donnerstag, 24.: Vor 4 Uhr früh Mor gengebet u. hl. Messe in Pfarrkirche Groß-Rußbach, Auszug. - Vz Uhr Ab fahrt von Nieder-Kreuzstetten. %3 Uhr Ankunftin Mariazell(Einquar tierung). 5 Uhr Einzug, Ansprache, hl. Beichte, Vj 7 Uhr Segen. Abendgebet, gemeinsa mes Abendessen. Freitag: V4 7 Uhr Morgengebet u. hl. Messe mit Generalkommunion. Früh stück. 9 Uhr beim Gnadenaltar Freitagsgebet, dann Kreuzweg. Besichtigung der Schatzkammer.-Frei. Vz 12 Uhr beim Gnadenaltar schmerz hafter Rosenkranz,Litanei, Lied. 12 Uhr gemeinsames Mittagessen. ~ Nachmittag frei. Vor6Uhr beim Gnadenaltar glorreicher Rosenkranz. V2 7 Uhr hl.Segen,darnach Lichterpro zession mit brennenden Kerzen (Lied: Großer Gott...) Ansprache,Abendgebet. Abendmesse. Samstag: 'A 5 Uhr Morgengebet, hl. Messe u. Kommunion-schnell frühstükken. V2 6 Uhr Auszug, 6.40 Uhr Abfahrt von Mariazell. AnkunftWien:11.40-Ab Wien Ostbahn 1.30.- Ankunft Nieder-Kreuzstetten 2.46 eu 3). Zirka 725UhrEinzugin Groß-Rußbach. Mitnehmen: Assem Gebetbuch Kreuz wegbüchlein, Rosenkranz, Morgen- und Abendgebet! Keine unnützen Einkäufe,nichtzu viele Lebensmittel! Gesänge zur Litanei: 1. Beim Auszug aus der Pfarrkirche: Wir rufen freudig zu dir hin Ins Zeller Thal,o Königin Zu deinem Gnadenthrone. Erwirk' uns Mutter Gottes Huld, Für alle uns're Sündenschuld Bei Jesus Deinem Sohne. 2. Zur Gnadenkapelle: In Demutssinn erscheinen wir-Maria Zell als Büßer hier -DuZufluchtallerSünder?-Entzieh'uns deine Gnade nicht-neig mildiglich dein Angesicht- Wir sind ja deine Kinder! 3. Beim Auszug aus der Gnadenkirche: Wir sprechen deinem Gnadenort-Maria Zell das Scheidewort- Mit wehmutsvol lem Herzen!-Und nun erfleh'n,lieb Mut ter wir-Den letzten Segen noch von dirEr lindert alle Schmerzen. 4. Beim Einzug in die Pfarrkirche: Wir danken dir für jede Gnad'- die unsere Seel'empfangen hat- Von Jesus deinem Sohne!- Einen schönen Gruß von Maria Zell - Bringt unsre freudenvolle Seel'- Von ihrem Gnadenthrone! DAW,Bischofsakten,Piffl, 1925.Hand geschrieben. 24

RkJQdWJsaXNoZXIy NzM2NTQ=