Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Gedenkrede beim Requiem für den verstor benen Herrn Heimito von Doderer,gehalten von P. Leo Möstl, OCD,Prior der Karmeliten, Wien XIX. Eure Eminenz! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Exzellenzen! Liebwerte Familie! Christliche Trauergemeinde! Immer, wenn ein hartes Tagewerk zu Ende geht, wird den Fernseh-Teilnehmem in verschiedenen BUdern die Schönheit unserer Heimat vor Augen ge stellt und Österreich besungen: „Heimat bist du großer Söhne!" Heute stehen wir an der Bahre solch ei nes großen Sohnes unserer Heimat! Es bedarfwohl beredtererZunge,um von be rufenem Munde das Lob eines Heimito von Doderer genügend zu künden und ihm als einen der größten Dichter und Schriftsteller unserer Tage,den Lorbeer kranz seines Ruhmes zu flechten. Meine Aufgabe kann esdarum nursein: einen Heimito von Doderer als den auf rechten Christen zu zeichnen,als den ich ihn in den leidvollen Tagen seiner Krank heit schätzen und lieben gelernt habe. Er hat es verstanden,seine Größe unter dem Mantel bescheidener Menschenfreund lichkeit zu verbergen und alle in seinen Bann zu ziehen.Er warein Mann,derehr lichen Herzens Gott suchte und sich an derseits seiner menschlichen Schwächen bewußt war. In einem kleinen Gedicht kommt er auf dieses menschliche Versa gen zu sprechen, wenn er schreibt: „Ein Knecht in den dunklen Gassen, empört über Deine Last und will doch von Dir nicht lassen, welch traurige Diener Du hast!"(36) Wie ein Ernst von Strassolt hat gleich sam auch ergedachtund gesprochen:„Oft steh' ich da und sinne und horche sternnächtelang o Herr nach Dir hinaus; ein sam und weit ist meine Seele. Und wenn ich die Sterne fragen ging,o Herr,ich frug sie nur nach Dir, ich frug nach Haus!" Ein Sehnen nach Gott und ein Fragen nach Haus war wohl seine am 28. Aprü 1940 erfolgte Konversion zum katholi schen Glauben.Ein Fragen nach Haus,ein letztes Näher mein Gott zu Dir-war letz ten Endes auch sein Sterben am Vortag des Heiligen Abends. Mit welcher An dacht hat er doch vor seiner schweren Operation gebeichtet und kommuniziert; wie bewegt war sein Herz bei der Weih nachtsfeier im Rudolfinerhaus, wo er spontan jene Kinder beschenkte,die ihm den Tannenzweig mit der brennenden Weihnachtskerze brachten,und nach uns die Arme ausstreckte, um uns zu umar men!24 Stunden später entschlief er im Kusse desHerrn;nachdem er unmittelbar vor seinem Heimgang nochmals kommu niziert und die Sterbesakramente emp fangen hatte. Mit der Liturgie dürfen auch wir in das Lob unseres verewigten Bruders in Chri sto einstimmen: „Selig die Toten, die im Herrn sterben,denn ihre Werkefolgen ih nen nach!" Vertrauensvoll dürfen auch wir uns aufdas Herrenwortstützen:„Wer an mich glaubt,wirdleben;selbst wenner gestorben ist!"Wasnun anihm von dieser Welt ist, übergeben wir heute der geweih ten Erde.Er,der sich öfter als einen „Döblinger"bezeichnet hat,wollte dort,wo er lange Jahre gelebt,— auch begraben sein! Das Heiligtum U.L.Frau mitdem geneig ten Haupte,deren Türme er als „Torpfei ler vor der himmlischen Weite" bezeich nete,soll heute und fernerhin die Gebets stättesein,von woaus unsereBittefürden lieben Verstorbenenzum Himmelempor steigt! Heimito von Doderer war ein inni gerVerehrerU.L.Frau mitdem geneigten Haupte.Ihr Bildnis trug erjahrelang mit sich,esstandaufseinem Schreibtisch und neben seinem Sterbelager. Möge die „Trösterin der Armen Seelen" sich in Hulden auch ihm zuneigen und Gott un serem Bruder, der heimwärts ging, ein gnädiger Richter sein! Wenn er nun als Arme Seele mit uns beim Hl. Opfer fleht: „Vater unser, der du bist im Himmel,... vergib uns unsere Schuld,..," mög der barmherzige Vatergottauch ihm das Wort der Schrift zurufen: „Fürchte dich nicht,...ich hab dich bei deinem Namen genannt,-mein bist du!" Und weil es ein heiliger und heilsamer Gedanke ist, für die Verstorbenen zu be ten, wollen wir den lieben Herrgott innig bitten:„Herr,wenn er etwas schlecht ge macht,-das verzeihe! Und alles, was er recht gemacht,-das weihe! Wien,den 2.Jänner 1967. Psychiatrische Erkrankungen und geistlicher Beruf Ein weiterer Beitrag zur Geschichte der Pastoralmedizin In Wien Dr. med. Gottiried Roth Eine psychiatrisch-diagnostische Ab handlung „über Ner\'en- und Geistes krankheiten bei katholischen Geistlichen und Nonnen"aus dem Jahre 1913' ist in sofern psychiatriegeschichtlich und pa storalpsychiatrisch bemerkenswert, als einige Aspekte deutlich machen,wie sehr die Pastoralpsychiatrie ein proprlum Viennense ist. Schon früher wurde auf diese für Wien charakteristische Gege benheit hingewiesen^ In der Geschichte der pastoralpsychiatrischen Bemühun gen,die in Wien mit Anton de Haen(1704 bis 1776)ihren Anfang genommen haben dürften^ folgen Dr.BrunoSchön mit ein schlägigen Publikationen" und Dr. An selm Ricker mit seiner Monographie über Pastoralpsychiatrie, der ersten im deutschsprachigen Raum; denn die be kanntere Monographie gleichen Inhaltes von I. Familler folgt erst zehn Jahre nach A.Ricker® ®. P.BrunoSchön war Minoritenpater und Krankenseelsorger in der k. k.Irrenanstaltin Wien in der Mitte des 19. Jahrhunderts,P.Anselm Ricker(1824 bis 1903) war Benediktiner,Konventuale der Schottenabtei in Wien und Professor für Pastoraltheologie an der Universität Wien. Den beiden Theologen folgt nun nach Anton de Haen,einem derLeibärzte der Kaiserin Maria Theresia, wieder ein Arzt; Dr. Alexander Pilcz (1871-1954) Universitätsprofessor für Psychiatrie in Wien, der Verfasser der oben zitierten Studie; er wird 1935 einen Leitfaden für Seelsorger und Katecheten schreiben: Nervöse und psychische Störungen,eine kurzgehaltene Pastoralpsychiatrie,rnit ei nem Vorwort von'Kardinal Dr.Th.Innitzer'. Die oben angeführte Publikation bietet einen Uberblick über die psychiatrischen Erkrankungen bei 169 Ordens- und Welt geistlichen und 153 Nonnen aus der Pri vatpraxis von A. Pilcz; zusätzlich 42 Krankengeschichten aus der psychiatri schen Klinik im Allgemeinen Kranken haus und weiterer15Krankengeschichten aus der alten Wiener Irrenanstalt. In der publizierten Übersicht werden in der da maligen Nomenklatur die vorgefundenen psychiatrischen Erkrankungen angege ben. Dabei zeigt sich, daß die Häufigkeit und Symptomatologie der Nerven- und Geisteskrankheiten bei katholischen Priestern und Nonnen im allgemeinen sich nicht wesentlich von den Verhältnis sen bei anderen Berufsklassen unter scheiden. Als „auffallend stark vertreten" wurden schizophrene Patienten genannt. Ein TeU von diesenseischon während der Studienzeit,bzw.noch vor der Erlangung der Weihen erkrankt, was sich durch eine sorgfältige Anamnese nachweisen ließ. Bei den weiblichen Patienten war manchmal Hysterie als Anfangsdiagnose gestellt worden. „Sexualität und Mysti zismus traten bei dem Material dieserspe ziellen Kategorie weder quantitativ noch qualitativ irgendwie anders in Erschei nung,als bei allen übrigen Schizophrenen meiner an der Klinik oder privat gewon21

RkJQdWJsaXNoZXIy NzM2NTQ=