Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Beiträge Diözesangesdiidite BE ILAQE DES WIENER DIÖZESANBLA T T E S Nr. 5 {Mai 1962) 100. Jahrgang Nr.3 Wien,1. Mai 1962 3.Jahrgang Inhalt: 8. Adam Latsciika, politischer, sozialer, vor allem Arbeiterinnen-Seelsorger und erster Pfarrer von Neuottakring. — 9. Regesten der Pfarre Midialstetten. 8. Adam Latschka, politisch-sozialer, vor allem Arbeiterinnen-Seelsorger und erster Pfarrer von Neuottakring Dr. Franz Loidl Wie versdiiedene Länder und Diözesen, so hatte auch die Wiener Erzdiözese unter dem von der sozia len und Arbeiter-Frage bestimmten Pontifikat Leos XIII. (1878/1903) neben großen geistlichen Theoreti kern und Bahnbrechern eine Anzahl von Seelsorgern, die nicht bloß in ihrem Alltag und in ihrer Umge bung an der praktischen Verwirklichung der sozialen Gedankengänge mithalfen, sich mehr oder minder ge schickt und erfolgreich versuchten und richtig abmüh ten, sondern die sich sogar als politische Beauftragte in der Öffentlichkeit mit Nachdruck dafür einsetzten. Zu ihnen zählt Pfarrer Möns. Adam Latschka. Er entstammte einem echt n. ö. Arbeitsbauerngeschlecht, wie das Taufbuch der dem Benediktiner stift Mi'chaelbeuern inkorporierten Pfarre Obersulz (Dekanat Pirawarth) ausweist, wozu der Geburtsort mit dem poetisch klingenden Namen Blumenthal als Filiale gehört. War am 5. Juni 1847 daselbst als Sohn des Halblehners Leopold L. und der Anna geb. Halzl geboren'). Besuchte die nur einklassige Volksschule und wurde früh vom Vater zur Arbeit angehalten. „Weil ich aber dazu kein Geschick hatte und verschie dene Leute dem Vater rieten, mich studieren zu las sen",erzählt er selbst,„versuchte er mich bei den Schot ten in Wien und bei den Zisterziensern in Heiligen kreuz als Sängerknaben unterzubringen, und meldete mich, als er vom f. e. Knabenseminar in Wien') er fuhr, hier an. Nachdem die Aufnahmsprüfung sehr gut ausgefallen war, wurde ich unentgeltlich aufge nommen, obwohl der Vater dem Direktor Dittrich^') geschrieben hatte, er möge mich nicht aufnehmen, denn er könne auch trotz Gewährung eines Freiplat zes ob der schlechten Zeiten nicht für Bücher, Wäsche und Kleider aufkommen. Als aber dennoch das Auf nahmedekret kam, wurde alles zusammengebracht und ich wurde Student*)" und zwar, wie es für die Seminaristen eingerichtet war, am Piaristengymnasium in der Josefstadt (Wien VIII.)'*) von 1861/68"). Der Abiturient trat sodann ins f. e. Alumnat ein und wurde schließlich am 21. Juli 1872 mit 21 Diako nen, darunter als Alphabetsnachbar der spätere Kirckenhistoriker J. Kopallik"), von Kardinal Rauscher im Stephansdom geweiht") und feierte am 28. d. M. ih seiner Heimatpfarre die Primiz"). Der ersten Anstellung als Kooperator in Böhmischkrut am 14. September"*) folgte bereits nach einem halben Jahr die nach dem bekannten Weinbau ort Perchtoldsdorf"), wo er siebeneinhalb Jahre ver bleiben sollte. Der junge Priester offenbarte auck hier einen richtigen Blick und ein warmes Herz für alle Volksschichten, vomehmlidi für die schaffenden Mit telständler und die sozial Bedürftigen und nahm leb haften Anteil an ihren Arbeiten und Sorgen, aber audi an ihren Festen und Bräuchen, wie seine i. J. 1884 herausgebrachte „Geschichte des n. ö. Marktes Perchtoldsdorf" erweist. Während sein . Pfarrer ganz mit der wenig glücklichen, damals ib Mode stehenden Neugotisierung der herrlichen Wehrkirche befaßt war und auch ihn bestimmend beeinflußte") lag ihm die dringliche Restaurierung des darniederliegenden reli giösen Lebens in der Pfarre am Herzen. Hatte doch schon Zacharias Werner vor mehr als einem halben Jahrhundert den Perchtoldsdorfern vorgehalten, „daß sie das Gute (ihre Früchte) nach Wien trügen, das Schlechte (Unsitten) aber von Wien herausbrächten". Von den etwa 4000 Seelen nahm nur ein Viertel am kirchlichen Leben teil und gingen kaum 40 Gläubige im Jahr zu den Sakramenten. „Der Pfarrer und ich", berichtete er, „berieten uns öfter, wie dieser traurige Zustand geändert werden könnte. Ich verkehrte viel mit den Jesuiten im nahen Kalksburg, besonders mit dem Geschichtsprofessor P. Chr. Stecher, der uns be weg, die Herz Jesu-Andacht und dann das Gebetsapostolat einzuführen. Das geschah und der Erfolg war überraschend. Es gingen jetzt monatlich mehrzu den Sakramenten als früher das Jahr über'^)". Im sechsten Jahr wurde Latschka von einem Freund geraten, um eine Kooperatur an der Stadt pfarre „Am Hof" (Wien I.) zu kompetieren. „Ich tat es", bekennt er, „indem ich aufrichtig die Motivedazu auseinandersetzte, wurde aber vom Konsistorium ab gewiesen und meldete mich daher nicht mehr". Dafür wurde er dann mit Dekret v. 14. Sept. 1880 als dritter Kooperator an die eben errichtete Propsteipfarre „zum göttlichen Heiland" an der Votivkirche (Wien IX.)'*) berufen, der der spätere populäre Weih bischof Dr. Godefried Marschall, damals auch Kano nikus von St. Stephan, als erster Pfarrer (1880/97) vorstand und die an die zwölfeinhalbtausend Seelen zählte. So steril nun gerade dieser Posten — die Vo tivkirche war auch als Garnisonskirche gedacht —er schien, dazu wurde ihm eröffnet, in der Seelsorge wäre nicht viel zu tun, weshalb er eine Schule in der Abelegasse in Ottakring") erhielt, so sollte er doch 53

RkJQdWJsaXNoZXIy NzM2NTQ=