Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

dienst, widerspricht keineswegs dem fraulichen Können einer Ordensperson. Die Ausbildung verlangt Begabung und Eifer. Für kleinere Orte auf dem Lande, wo keine bedeutenderen Anforderungen gestellt werden, kann die Schwester un schwer den Dienst übernehmen. Die Hauptsache im Chordienst bleibt doch Würde und Erbauung und nur künstleri scheLeistung.DieOrgelistin erster Linie Begleitung des liturgischen Gesanges und kirchlichen Volksliedes. Der liturgische Volksgottesdienst, Chormesse,Betsingmesse, Volksandach ten, ruft nach Hilfskräften zur Einarbei tung und Durchführung.Wie froh ist der Seelsorger um eine liturgiebegeisterte Schwester.Sie übtund probtdasgemein same Beten, das Kirchenlied der Jugend und leistetin der Schriftlesungin Erman gelungeinermännlichenKraftdenDienst des Lektors. Uberall merkst du die ordnende Hand der Schwester. Geht sie ihren Gang zu denHauskranken,wer wird ihrstilleAch tung versagen? In den Kapellen,am Weg kreuz,im Friedhofgibtes Handgriffe,die niemand tut Sie nimmt alles wahr und ordnet Die Schwester in der Pfarrkanzlei.Bei der oft ins Ubermaß gesteigerten Kanz leiarbeit brauchst du deine Kanzleikraft. Die arische Abstammung und die Fami lienurkunden werden uns noch lange mit Arbeiten versorgen,diezeitraubend sind. Auch dürfen wir ganz ruhig gestehen,daß die Ordnung in vielen Pfarrkanzleien ei ner echten Junggesellenordnung gleicht. Du atmest auf, wenn eine ordentliche Hand jeden Tag die Kanzlei in Ordnung hält. Der religiöse Schriftendienst des Pfarrblattes, der Zeitschriften kann von der Pfarrschwester vortrefflich geführt werden. Auf diese Weise ist der Berufei ner Pfarrschwester seelsorglich sehr wertvoll.Wir werden nur noch Bedenken wegen der Aufbringungder Mittel haben. Der Vorwurf,das hat wieder so ein Idea list, der nicht rechnen kann,geschrieben, ist gleich zur Hand. Wir brauchen uns nicht mitden bekannten Redensarten,wo der Wille,istaucheinWeg,und ähnlichem darüber helfen. Einige Mittel, wenn auch sehr bescheiden, stellt der Kirchen- und Chordienst zur Verfügung; die Kanzlei erübrigtetwas,und dasFehlendemuß die pfarrliche Caritasersetzen.Wirdürfen die Seelsorgehilfe nicht Not leiden lassen. Zufolge der Klostergemeinschaft hat die Schwester auch eine Gemeinschafts pflicht an alte, ausgediente Schwestern des Mutterhauses. Die idealste Form bleibt das herkömmliche Filialwesen kleiner Klostergemeinschaften, wo die Schwester auch das Gemeinschaftswesen pflegen kann,denn in erster Linie ist die Pfarrschwester Klosterfrau. N.S.: O- NHirtentasche Nr. 4, 1938, Beilage zum Hauptblatt Nr. 19. Korrespondenzblatt f. d. kath. Klerus, Wien 1937,Nr.9,S.140 f. Dr.F.L. Anregungen und Vorschläge zur Abhilfe der Kirchen- und Priesternot in Wien im Jahre 1924 P.Wilhelm Koppers SVD Den Winter des Jahres 1912-1913 konntederSchreiber dieserZeilenin Hol land,und zwar in der unweit Amsterdam gelegenen StadtHüversum verleben.Hilversum zählte damals 30.000 Einwohner, davon waren 8000 Katholiken. Für diese 8000 Katholiken bestanden bereits zwei Pfarreien.8000Seelen,aufzweiPfarreien verteilt,das war nach Auffassung der hol ländischen Katholiken schon zuviel. Um eine gründlichere und intensivere Seel sorge betreiben zu können,war man ge rade dabei, den bestehenden Pfarreien eine dritte anzugliedern. Also, die 8000 Katholiken wurden auf drei Pfarreien aufgeteilt,vondenen die erste mitvier,die zweite mit drei und die dritte mit zwei Seelsorgegeistlichen besetzt wurde. Vergleicht man damit unsere Wiener Verhältnisse, z.B. die Pfarrei Meidling mit ihren rund 70.000 Seelen, dann möchte man angesichts der wahrlich zum Himmel schreienden Kirchen- und Prie sternot den Mut verlieren und verzagt die HändeindenSchoß legen.Und doch wäre das,um es gleichzusagen,keineswegsdie richtigeFolgerung.Um wiederaufdas ka tholische Holland zurückzukommen, so muß nämlich daran erinnert werden,daß esauch dortnichtimmerso war,ja,daß es vorzwei Generationen undzum Teil auch noch später um das katholische religiöse ^Leben im Bereiche der Niederlande viel fach traurig und trostlos genug bestellt war. Ergo: potuerant hi et hae, cur non et nos!(Also:Diese undjene vermochtenes, warum nicht auch wir?) Ausgerechnet ein Sohn unserer Wiener Stadt, der gefeierte, 1923 im Herrn ent schlafene Prälat H.Swoboda hat vor gut anderthalb Jahrzehnten der Welt eine klassische, viel beachtete pastoraltheolo gische Studie zur Großstadtseelsorge (Verlag Fr. Pustet,Regensburg 1909)ge schenkt.Es wird mir niemand widerspre chen,wennich sage,daß speziell wir Wie ner das Licht,das da aufgesteckt worden ist, besser hätten leuchten lassen sollen. Krieg und Nachkriegszeit, die uns am schwersten getroffen, entschuldigen v/ohl viel, aber doch nicht alles. Fast unübersteigbar groß und schwer starrt dem Beschauer das Problem Kir chen- und Priesternot in Wien entgegen. Fragend und suchend schweift das Auge über die Welt.Wofindetsich ein Vorbild, an dem man sich aufrichte, dem man es, wenn auch mutatis mutandis(unter Be rücksichtigung unserer individuellen Verhältnisse und Bedürfiiisse) nachma chen könnte: Das Beispiel des katholi schen Holland ist gewiß ermutigend,aber imsere wahren Verhältnisse liegen doch weitgehend anders: Dort viele zerstreute kleinere,aberim allgemeinen nichtarme, sondern wohlhabende Gemeinden, hier Riesenansammlungen einer vorwiegend armen proletarischen Bevölkerung. Das Auge bleibt in diesem Falle ruhen-man wundere sich nicht darüber - auf dem jungen katholischen Berlin, das in den letzten Jahrzehnten vor dem Weltkriege zahlreiche Pfarreien in den Vororten der sich außergewöhnlich rasch entwickeln den Weltstadterrichtethat.Biszum Jahre 1909 (siehe Swoboda S.109) entstanden ihrer allein unter der Regierung des Kar dinals Kopp nicht weniger als 21! Man fragt interessiert: „Wie haben die Berliner Katholiken das fertiggebracht?" Die kurze Antwortlautet:„Das ganze ka tholische Deutschland hat mitgeholfen!" Dies gilt nicht nurin bezugaufdie bereit gestellten finanziellen Mittel, sondern auch hinsichtlich der Priester,denen die neugegründeten Pfarreien anvertraut wurden. Alle an Priestern reichen Diöze sen, so namentlich Münster, Paderborn, Trier usw. ließen gern einzelne gerade opferfreudigste PriesterzurReichshaupt stadt ziehen. Zur Gewinnung der nötigen fmanziellen Mittel bediente mansich vornehmlich der drei folgenden Wege: Bettelbriefe, Kirchenkollekte und Hauskollekte. Die Bettelbriefe gingen von der Zentrale aus, wo die neue Pfarre und Kirche entstehen sollte. Sie durchflatterten das ganze ka tholische Deutschland, ja fanden ihren Weg nicht selten auch darüber hinaus z.B.zu uns hier in Österreich und hatten im ganzen genommen gute Erfolge. Die Kirchenkollekten für die einzelnen Neu bauten wurden in allen Kirchen der ein zelnen Diözesen wenigstens acht Tage vorher angekündigt und dann die An kündigungen entsprechend durchge führt.Ähnlich in demselben Sinnezu ver anstaltende Hauskollekten vorgenom men durch eine vertrauenswürdige Per son, welche die bettelnde Gemeinde ent sandte. Eine vertrauenswürdige, vom Pfarrer des Ortes bestellte Person beglei tete jene und führte sie in alle katholi schen Häuser und Familien, die nach Maßgabe ihrer Verhältnisse zu spenden pflegten. (Fortsetzung folgt) Herausgeber, Verleger und Eigentümer: Erzb. Ordinariat, 1010 Wien, Wollzeile 2 - Verantwortlicher Schriftleiter: Prälat Univ.-Prof. Dr. Franz Loidl 1010 Wien WoUzeüe 2.-Druck und Versendung:Herold Druck, 1080 Wien, Strozzigasse 8 32

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