eingeführten Claqueuren für die nötige Stimmung sorgen sollten. 2. Gerüchte um Kardinal Innitzer und Kle rusversammlung Einzelne naive Personen verbreiteten das Gerücht, Kardinal Innitzer sei mit 30.000 S über den Brenner nach Italien durchgegangen. Deshalb dürfe man sich nicht wundem, wenn es der Kirche schlecht ergehen werde. Ernster zu neh men war ein zweites, durch einen ge heimnisvollen Telephonanruf in der Pfarrkanzlei verstärktes Gerücht,Kardi nal Innitzer werde in seinem Palais be wacht und könne dort nicht mit seinem Klerus in Verbindung treten. Deshalb möge jede Pfarre einen Vertreter nach St. Rochus senden, von wo aus ein Kon takt mit dem Bischof möglich sei. Nach einer fernmündlichen Verständigung mit der Pfarre Neusimmering fuhren Kaplan Anton Steinbock und der Berichterstat ter nach St.Rochus.In der Sakristeifrag ten beide den Mesner,in welchem Raum denn die angesagte Klerusversammlung stattfmde. Seine wenig respektvolle Aus kunftließ den Verdachtaufkommen,daß hier etwas nicht in Ordnung sei. Tatsäch lich waren in dem bezeichneten Saal viele Pfarrer, Religionslehrer und Kapläne versammelt. Wortführer war Religions lehrer Johann Pircher. Es war bereits eine etwas erregte Debatte im Gang.Im mer wieder wurde gefragt, auf wessen Anordnung die Zusammenkunftvor sich gehe.Eswurden Ausredengebrauchtund schließlich doch Eminenz telephonisch angerufen. Kardinal Innitzer gab kluger weise eine ausweichende Antwort, aus der die Versammelten sich darüber klar wurden, daß die Zusammenkunft nicht die Billigung des Oberhirten hatte. Pir cher stimmte ein Lob auf Hitler und den Nationalsozialismus an. Pfarrervereini gung und Katechetenverein müßten eine Erklärung abgeben,daß sie sich ganzhin ter den Führer stellten. Jetzt wurden von allen Seiten entschiedene Proteste laut. Pircher verlor die Geduld und behaupte te, wenn die verlangte Erklärung nicht abgegeben werde,würden beide Vereini gungen aufgelöst. „Aha",ertönte es jetzt fast einmütig. Nur der eine oder andere Pfarrer,der bishergern in der Öffentlich keit hervorgetreten war, meinte: „Schreib mich auf!" Der Berichterstatter äußerte zu seinem Freund Steinbock: „Hier haben wir nichts verloren. Gehen wir!" Mitsammen machten sie sich auf den Heimweg. Die gewünschten Erklä rungen kamen nicht zustande. Der sehr rührige WienerKatechetenverein,derun ter Kanonikus Wenzel Jaksch und Msgr. Karl Umlauffür seine Zeit hervorragend geeignete und allgemein anerkannte Re ligionsbücherfür Volks- und Hauptschu len in einträchtiger Gemeinschaftsarbeit geschaffen und dabei die Vermittlung dauernder religiöser Grundsätze fürs Le ben und die Anleitung zu religiöser Betä tigung wohl berücksichtigt hatte, hörte auf zu bestehen. Auch von der Wiener Pfarrervereinigung war nichts mehr zu hören. 3. Alltäglichkelten Was das tägliche Leben betrifft,so wur denzunächst allejüdischen Geschäfte ge schlossen. Die Partei hatte aber anschei nend in Simmering anfangs so wenig ge eignete Mitglieder, daß sechzehn- bis siebzehnjährige Burschen, die vor ihrer Bewaffnung selbstAngstgehabtzuhaben schienen, mit geladenem Gewehrzur Be wachung aufgestellt wurden. An die Lehrkräfte, darunter auch an die Haupt schulkatecheten,erging die Weisung der Bezirksbehörde, nachmittags bei der Kleinviehzählung mitzuwirken.Dem Be richterstatter imd seinem Konfrater Franz Hofstaetter wurde ein Zählungsbogen für je eine der vier Laden gassen zugewiesen. Damit war eine günstige Gelegenheit für Hausbesuche geschaffen. Die einzelnen Familien zeig ten,anfangs Angst.Sie wich aber bald,als der Gefertigte sie beruhigte:„Sie können Hühner,Kaninchen,Enten usw.angeben, soviel, als Ihnen gut scheint. Ich werde nicht nachkontrollieren." Nicht weniger als dreimal wurdeer gewarnt:„Dieseimd jene Familien,Hochwürden,sind wirkli che Nazi." Kollege Hofstaetter dagegen wurde von einer Partei bei einem Partei genossen angezeigt, daß sich ein Pfarrer beiden Leuten in der Gasse herumtreibe. Es wurde ihm eine Legitimation abver langt.Erkonnte antworten,daß der Magi strat ihm keine ausgestellt,aber doch die Zählung verlangt habe, worüber er sich selbst wundere. Eine ährdiche Tätigkeit wurde im Semptember 1939 den Religionslehrem wie den weltlichen Lehrkräftenim Keller eines Schulgebäudes als Nebenbeschäftigxong zugewiesen.Für den Bezug von Be darfsartikeln, wie Kleider, Schuhe, Wä sche und dergleichen waren nämlichjetzt Bewilligungen notwendig, die von den Genannten auszustellen waren. Wieder eine Gelegenheit zum Kontakt mit nicht sehr religiös gesinnten Bevölkerungs schichten. Der Berichterstatter hat mit größter Freundlichkeit alles bewilligt, was verlangt wurde.Eine weltliche Kran kenpflegerin aus dem Altreich beklagte sich bei einer Lehrerin,der sie mitihrem Ansuchen zugeteilt war,daß der Pfarrer dort viel mehr bewillige und der Ansicht sei, daß der von ihr angemeldete Bedarf berücksichtigt werden solle. Daraufhin mahnte die Lehrerin den „Pfarrer" dis kret, man müsse mit Bewilligungen sehr sparsam sein.Vorder„Machtergreifung" hatte sie sich ziemlich lautstark zur„Va terländischen Front" bekannt. Jetzt glaubte sie, dem neuen Regime sehr ge horsam sein zu müssen. Ihre Mahnung wurde vom „Pfarrer" mit fröhlichem La chen quittiert. 4. Die erste Urneneinsegnung In eine viel ernstere Situation war die ser schon gegen Ende März 1938 geraten. Sein Mitkaplan Alois Weissingerkam von einer Einsegnung am Zentralfriedhofmit der Nachricht:„Am Mittwoch ist eine Ur neneinsegnung. Ich bin froh, daß ich an diesem Tag nicht Dienst habe." Merk würdigerweise kam an diesem Tag keine Verständigung von der Friedhofsverwal tung über eine Einsegnung. Es handelte sich, wie man in Erfahrung gebracht hat te,um die Urnevon Otmar Bereiter,eines ehemaligen treu katholischen und tüchti gen Verwalters der „Bundeserziehungs anstalt" Kaiser-Ebersdorf,die um 14 Uhr beigesetzt werden sollte.Aufeinen Anruf beim Zentralfriedhofhin wurdezunächst eine solche Beisetzung geleugnet, dann aberleise hinzugefügt:„Esdürfte sich um eine private Sache handeln."DerBericht erstatter verfügte sich daraufhin in die HalleII desFriedhofs,gutezwanzig Minu ten vor der festgesetzten Stunde. Er traf dortdie Witwe des Verewigten inschwar zer Kleidung,die allein bei der Urne To tenwache hielt.Es war dies die erste Urne eines von der Gestapo ermordeten Öster reichers,diein Wien-es war gegen Ende März 1938-beigesetzt werden sollte.Von der Witwe erfuhr der Priester,daß Berei ter unter der Regierung Dollfuß zum Direktor der großen Strafanstalt Garsten bei Steyr ernannt worden war.In dieser Strafanstalt wurden unter anderem ge wöhnlich jene Ulegalen Nationalsoziali sten inhaftiert, die Bombenanschläge verübt oder sonstige Gewalttaten began gen hatten, aber gut und korrekt behan delt. Kurz nach dem Einmarsch deut scher Truppen in Österreich verbreitete die Gestapo zunächst Greuelmärchen über angebliche Mißhandlungen von ge fangenen Nationalsozialisten, verhaftete dann Bereiter und einen ihm unterstell ten Polizeileutnant und erschoß beide in den Donauauen beiLinz.WieFrau Berei terdem Gefertigten berichtete,wurdeder Pfarrer zur heiligen Familie in Linz ge zwungen, einen Totenschein mit der An gabe von Lungenentzündung als Todes ursache auszustellen. Bei der Beisetzung der Urne des Polizeileutnants in Linz-Ur fahr habe die Gestapo siUe Teilnehmer photographiert. Sie wolle sich ihre Urne selbstund alleinzum Grab-unweithinter der Halle II-tragen,damit niemand Un annehmlichkeiten habe. Da keine Trau ergästezu erwarten waren,schlug derBe richterstatter nach Trostworten vor, gleichzurEinsegnungzuschreiten.Inder Einsegnungskapelle verweigerte der städtische Angestellte zunächst seinen Dienst, hauptsächlich aus Furcht und vielleicht auch deswegen,weil die katho lische Einsegnung einer Urne nicht üb lich war. Nach einem beruhigenden Zu spruch und der Erklänmg des Schrei bers, daß er im Weigerungsfall selbst die Kerzen anzünden werde, schwaiid der Widerstand. Aufdem Wegzum Grab gin gen die Witwe mit der Urne und der Prie ster mit Rochett und Stola nebeneinan der. Als der Witwe die Urnezu entgleiten drohte, trug sie der Priester selbst. Nun war er aber den meisten bei den Gräbern beschäftigten Gärtnern bekannt, die bei diesem Anblick alle schreckensbleich wurden.Sehr aufgeregt warauch der To tengräber. Auch hier bedurfte es einiger beruhigenderSätze.Allehatten Angstvor der Gestapo. Die Einsegnung am Grab wurde nun langsam und feierlich vollzo gen. Als die Witwe dem Totengräber et was Trinkgeld reichte, traten Tränen in die Augen des sonst rauhen Mannes.Auf ihre Bitte hin begleitete der Priester die Witwe zurück zur Halle. Da begegneten ihnen vier Mann der Gestapo. Sie kamen zu spät,dadasBegräbnis infolgefrüheren Beginns bereits vorüber war. Wunsch15
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