Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Die Frau Fürstin Montleart widmete 150.000 fl. für ein Gemeindespital. Hätte selbe die Summe geteilt, so hätte mit dem Bau der so dringend notwendigen Kir che sogleich begonnen werden können. Am 29. April wurde der schon einmal verschobene Katholikentag eröffnet; Beginn, Verlauf und Schluß waren glänzend; während alle, die für Christus und sein Reich sind, jubelten und Gott priesen, schäumten die Antichristen und ihre Presse vor Wut und legten dadurch ein sprechendes Zeugnis für die Bedeutung dieser großartigen Manifestation ab. In überraschend kurzer Zeit wurde die Redemptoristenkirche, die auf dem Götheplatz hätte erbaut werden sollen, ziemlich fertig gestellt. Am 2. April d. J. fand die Glockenweihe durch H. Prälaten Koller statt, am 25. April 1889 die Kircheneinweihung durch Se. Eminenz. Bei der Maiandacht war die geräumige Kirche stets mit Andächtigen gefüllt, oft überfüllt. Seit dem leert sich unser Kirchlein immer mehr, weil sehr viele die neue Kirche besuchen. Selbst wenn die neue Pfarrkirche auf dem Stefanieplatz fertig sein sollte, ist sehr zu besorgen, daß diese ziemlich verlassen sein wird. Wie geeignet wäre der Goetheplatz für die Klo sterkirche gewesen? Die 19 Gegner dieses Kirchenbaues können ihre Abstimmung weder vor Gott, noch vor der Welt, nodi vor der Gemeinde verantworten. Diese Ab stimmung hat auch bewirkt, daß der Boden hier unter meinen Füßen zu brennen anfing und ich den Ent schluß faßte, die erste günstige Gelegenheit zu benüt zen, noch in meinen alten Tagen mich um eine andere Pfarre zu bewerben. Und dieser Entschluß wurde trotz meines 15jährigen Wirkens hier, trotz des mir so lieben Gartens und der reizenden Umgebung, trotz der be deutend besseren Einkünfte dieser Pfarre, die im Jahr zusteigen werden, ausgeführt. Am 6. Februar wurde der Senior der Priester unse rer Diözese Ehrendomherr und Pfarrer Columbus (Alt lerchenfeld) begraben. Es kostete einen langen und schweren Kampf und heißes Ringen im Gebete, bis ich endlich am 29. März das Bittgesuch überreichte. Es waren 16 Competenten. Se. Exz. Hr. Weihbischof Angerer hatte mir gar eigenhändig geschrieben, midi mit meiner Eingabe zu beeilen. Mittwoch d. 10. April wurde ich im Consistorium primo loco vorgeschlagen, am 7. Mai wurde ich für die Pfarre von der Statthalte rei präsentiert, am 12. Mai begrüßte mich eine Deputa tion aus Altlerchenfeld und begrüßte mich als ihren Pfarrer, am 1. Juni wurde ich investiert und am 2. hielt ich die Schlußpredigt. Deo gratias maximas für alle in diesen 15 Jahren empfangenen leiblichen und geistigen Wohltaten und Gnaden. Am 17. Juni hoffe ich mit der Wohnung in Altlerchenfeld, mit der Übergabe an den Hr. Provisor, mit Einpacken fertig zu sein, um dann den neuen Posten antreten zu können. Nadischrift: Am 17. Juni um %4 Uhr nachmittags verließ der Hochw. Hr. Can. Dittrich die hiesige Pfarre unter dem Geläute der Glocken. Die Kirche stand offen und war der Hochaltar auf das glänzendste beleuchtet, ein Werk des Scheidenden. Von Altlerchenfeld kam der Provi sor F., um den neuen Pfarrer abzuholen. Von hier aus begleiteten den Scheidenden — es waren 2 Wagen,dar innen Provisor Str. von Altottakring, Pfarrmesner Franz Ringberger, Kirchenvater M. F., Obmann des Vinzenzvereins, L. Sch., Hausbesitzer, Gastwirt und Kassier des Vinzenzvereins, drei weitere Bürger (Ge werbetreibende). Die zahlreichen auf der Hauptstraße stehenden Pfarrkinder empfahlen sich sichtlich sehr gerührt auf das herzlichste von ihrem scheidenen Seel sorger. — Der Empfang in Altlerchenfeld war sehr feierlich. Gleich bei der Linienkapelle hatte Hr. J. A., Fleischhauer, Obmann des dortigen Vinzenzver eins, einen Triumphbogen mit einem „Willkommen dem neuen Seelsorger" errichtet. In der Kapelle hat der neue Pfarrer das Rochett angezogen, und nach kurzem Gebet fuhr er weiter bis zur herrlichen Pfarrkirche. Die Kirche war auch von außen beim Eingang mit Blumen geschmückt. Beim Kirchentor begrüßte ihn die Bezirks vertretung, der Patronatskommissär; auch waren viele weißgekleidete Mäddien aufgestellt, von denen eine die Kirchenschlüssel auf einem Polster trug. Der Zug ging hinein in die Kirche, die dicht mit Gläubigen gefüllt war, unter denen sehr viele Ottakringer sich befanden. Im Chor sangen sie „Benedictus, qui venit" etc., darauf war der hl. Segen mit lauretanischer Litanei vom Chor und wieder der hl. Segen und dann der Einzug in den ebenfalls geschmückten Pfarrhof. Möge der liebe Gott den hochw. Hr. Can. Dittrich recht viele Jahre in seiner neuen Pfarre erleben lassen. Es sollten ihm jedoch nur mehr 5 Jahre beschieden sein, denn er starb am 13. Dezember 1894, seit einem Jahr ob eines Schlaganfalls bereits kränklich, in Alt lerchenfeld. Anmerkungen: •) Johann Grippel. Geschichte des f. e. Knabenseminars der Erzdiözese Wien zu Oberhollabrunn. Oberhollabrunn 1906, S. 124—126. — •*) Ringberger war auch Inhaber der alten Leichen bestattung in Ottakring. — **') Solche castra doloris oder Katafalks-Trauer- oder Schaugerüste, zum Trauergottesdienst aufgestellt, waren hei der nodi barock fühlenden Wiener Bevölkerung sehr beliebt und wurden je nach Würde und Stand des Verstorbenen ausgestattet. P. Abraham a S. Cl. erwies sich darin als richtiger Meister, wie seine Entwürfe in der Hofkirdie St. Augustin bewiesen. Dr.F.L. 46. über Flüchtlingsseelsorge in Niederösterreich während des Ersten Weltkrieges (1914/1918) Zu den nidxt wenigen vmd ach so traurigen Aus wirkungen der beiden vergangenen Weltkriege zählt gewiß auch das Flüchtlingsproblem bzw. -elend, wovon die am Krieg Unschuldigsten so schmerzlich betroffen wurden. Erbrachte der Erste Weltkrieg (1914/1918) nur eine vorübergehende Umsiedlung und Absicherung der Be wohnerschaft der Kriegssdiauplätze, so der Zweite Weltkrieg (1939/1945) für einen Großteil der solcherart vom Krieg Betroffenen, vornehmlich der sogenannten Volksdeutschen, die dauernde Aussiedlung, ja Vertrei bung aus der von ihren Ahnen in mühseligster Kultur arbeit ge.schaffenen Heimat und damit den dauernden Verlust. Zum Unterschied vom Ersten Weltkrieg traf diese Bevölkerung im und nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur das physisch-psychische Leid, sondern auch das moralisch-seelische, sagen wir es gleich heraus: die durch den antichristlichen und antikirchlichen Natio nalsozialismus veranlaßte Unterdrückung und Aus schaltung der seelsorglichen Betreuung und seelischen Hilfen. Der Flüchtlingsstrom ergoß sich 1914/1915 vom russischen und italienischen Kriegsschauplatz, vor allem nach der Hauptstadt Wien mit etwa 200.000 un bemittelten Flüchtlingen, weiters nach Brünn,Prag und Graz mit mehr als 100.000 Personen. Mehr als 100.000 wurden in Barackenniederlassungen versorgt, wovon Gmünd mit 30.000 Ruthenen, Leibnitz mit 30.000 Polen, Nikolsburg und Gaia mit 20.000 Juden die umfang reichsten waren. „Diese Barackenniederlassungen wa ren aber nicht bloß einfache Wohnstätten, wo die Men schen zusammengedrängt und gespeist wurden, sondern die Fürsorge des Staates ging dahin, ihnen dort ihre heimatliche Welt ganz zurückzugeben"*)- Und dazu zählte nicht zuletzt die seelsorgliche Betreuung durch mitgefiüchtete oder dafür herbeigerufene Priester. Wie im Ersten Weltkrieg vom damaligen Staat — d. i. der österreichisch-ungarischen Monarchie — und von den damit beauftragten Behörden dafür gesorgt wurde, sei aus dem folgenden Bericht über die Lager in Nieder47

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