Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

was ihn weithin bekannt und verehrungswürdig madite und wodurch efl gewiß dem späteren Seelsor ger und Pastoralprofessor'") Gruscha zum Vorbild wurde. Kein geringerer als der fruchtbare Publizist und einflußreiche Prälat Dr. Sebastian Brunner hat in seiner Kirchenzeitung und dann in seinem „Woher? Wohin?" ausführlich und bleibend diese Priesterper sönlichkeit gewürdigt. Seit Ende August 1839 nach Perchtoldsdorf als Kaplan versetzt, fand sich Brunner nach eigenem Geständnis im benachbarten Rodaun eben bei Pfarrer Krieschrj heimisch und besuchte ihn auch häufig. „Dieser vortreffliche Mensch ist als ein armer Teufel hingegangen", vermerkt er, „und hat es auf dieser kleinen Welt nie auf einen grünen Zweig bringen können"!." Die kleine, von Perchtoldsdorf 1783 excindierte Pfarre Rodaun konnte auch nicht, viel eingetragen haben. Eine Vorstellung von den ärmlichen Verhältnissen mag die erste Eintragung von Kriesches Nachfolger im Rodauner „Denkbuch" geben: Der Pfarrhof fand sich höchst vernachläßigt... Die Zimmer seit vielen Jahren nicht gereinigt, der Fußboden so ausgetreten, daß der Schutt dalag, der grüne Ofen im Mittelzimmer mit Hadern verstopft und mit Papierstreifen verkleistert, kurz alles — alles bes. aber das Küchenzimmer und die Küche im er bärmlichen Zustand. Dagegen fand sich beim Armen institut ein so großer Betrag, daß eben vom Nach folger eine Hofkammerobligation gekauft werden konnte'"). Brunner berichtete dann in seinem Nachruf wei ter: „Ein unbescholtener Wandel, unaffektierte echte Frömmigkeit, ein Streben nach Wissenschaft, über alles aber eine Herzensgütcs gegenüber von leidenden darbenden Mitmenschen, welche ihn immer auf sich selbst und auf seinen nöthigen Lebensbedarf verges sen ließ, das waren die vortrefflichen Eigenschaften des Pfarrers Kriesche. In allen Bedrängnissen, in welche er durch sein mitleidiges Herz sich selbst ver setzte — bewahrte er eine Heiterkeit und einen Frie den, welche einen völlig erquickten, wenn man in seiner Nahe war; er konnte ordentlich von seinem frohen Wesen auch etwas mittheilen, und es hatte den Anschein, daß, wenn Kriesche schon alles bis auf seinen letzten Mundvorrath vertheilt hatte — er doch noch durch seinen Gesichtsausdruck und seine fröhlichen Mienen immer ein Stück Heiterkeit her schenken wollte. Schreiber dieses verlebte, als Krie sche noch zu Rodaun war, drei Jahre in seiner Nähe in Petersdorf als Kaplan und fand so Gelegenheit, diesen edlen vortrefflichen Mann nach allen Rich tungen kennen zu lernen und ihn nach Gebühr wertzuschätzen und zu lieben. Die Gebseligkeit Kriesches war aber nicht vielleicht eine gewisse Schwäche — sio war Princip — es war seine Lebensaufgabe, sich da durch die Liebe Gottes zu verdienen nach den Wor ten: Hilarem datorem diligit Deus. Er besaß Geist und Wissen und konnte nicht nur in Theologie und Philosophie seinen Mann stellen, wobei ei- in aller Liebenswürdigkeit und ohne im mindesten zu verletzen, doch ein hartnäckiger Be haupter sein konnte — es standen ihm überdies — bei einer etwas beleibten nicht sehr ansehnlichen Figur, — auch gesellschaftliche Gaben zu Gebot — und er blieb keine Antwort schuldig. Kriesche war durch aus kein Kopfhänger — icli erinnere nuch uocn, wie er im Sommerhause des Advokaten Dr. Kafka, wel cher den guten Pfarrer besonders wertschätzte und täglich seine Gesellschaft suchte, und selbst neben diesem Eigenthümer der glänzendsten gesellsciiaftlichen Gaben gehörig Stand zu halten wußte, In der Seelsorge war er eifrig; obwohl ihm die Gabe der Rede zu Gebote stand — schrieb er sich jede Predigt gewissenhaft auf. Sein versöhnliches Wesen brachte in manchen Gemeindemitgliedern friedliche Ausgleichung in zänkischen Angelegenhei ten zustande. Im Almosengeben war er so großartig, daß er auch seine letzten Stiefel aus Barmherzigkeit wegschenkte. So ließen sich hierüber viele eben so originelle wie rührende Züge erzählen. Einst hatte er sein weniges Gewand insoweit verschenkt, daß der k. k. Regierungsrat Groß, Sekretär S. M. der Kaiserin Mutter Maria Karolina (Groß besaß ein Landhaus in Rodaun) darüber seiner hohen Frau berichtete und diese höchst edle Dame, die großartigste Wohltäterin der Armen, dem Pfarrer sogleidi zwei neue Röcke anfertigen ließ. Gewissenhaftigkeit und Treue in seinem Beruf — untadelig in seinem Leben, heiter und freundlich und liebevoll mit jedem Menschen, war Kriesche der hei terste Geber und fröhliche Arme, den ich je gese hen..."^"). Am 29. Oktober 1843 — übrigens Gruschas Wei hejahr — wurde Kriesche vom Dechant von Himberg der Gemeinde Neudorf „durch eine angenehme Rede" beim Altar vorgestellt und installiert, nachdem ihn diese, wie er selbst dann in der Chronik'') vermerkte, schon bei seiner Ankunft am 19. d. M. „liebevoll" empfangen hatte. Pfarrdorf und erzbischöfliche Herr schaft Neudorf zählten damals über 100 Häuser mit etwa eineinhalbtausend Einwohnern, die sich größ tenteils mit Wein- und Adcerbau, dann auch mit Viehzucht beschäftigten, eine „im schönen Stil" ge baute Kirche"), ein Herrschaftsschloß (Erzbistums pfründe), ein Posthaus, weil als erste Poststation an der Hauptpoststraße von Wien nach Italien gelegen, und eines der größten und besuchtesten Brauhäuser in N.-ö.'"), Natürlich berichtet Kriesche wie jeder Pfarr chronist von Ereignissen und Unternehmungen, wie sie sich mehr oder minder gleich in jeder Pfarrei er eignen, z. B. über Gottesdienste, weltliche und kirch liche Veranstaltungen, Schule, Visitationen, Repara turen, Stiftungen, auch daß er durch die Bemühungen bestimmter Pfarrkinder einen Koopei'ator erhielt, da mit eine zweite hl. Messe gelesen wurde, und vom Einzug der „Guten Hirtinnen, die in Kirche und Pfarre" ein sehr gutes Beispiel gaben und für deren Stiftung er am 4. Oktober 1854 den Grundstein segnete etc. etc. Doch widmet er — und das ist das Bezeich nende und Ehrende für seine Einstellung, Sorge und Wirksamkeit — der Schilderung der Nöte seiner Ge meinde den breitesten Raum. Waren ja die Jahre 1844, 45, 46 bis zum Höhepunkt im Jahre 1847 durch die schlechte Witterung, die Mäuse — und Ungezieferplage und vor allem durch die Getreidefäulnis und „Erdäpfelseuche"-") ausgespro chene Mißjahre, die nicht nur eine Verteuerung der Lebensmittel und Schmälerung der Einkünfte, son dern für seine sich meistens von der Handarbeit er46

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