Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

seines Willens meinen Holzbezug durchsetzte — bei Mayer, weil er die Lieferung der Kirchendachrinnen nicht bekam — bei Degner, weil ich ihn nicht persön lich zum Fronleichnahmsfeste einlud — Rauthen strauch, weil er auf meinen Antrag wegen verschiede ner eigennütziger Unregelmäßigkeiten vom Präsidivun des Ausführungs-Comitees beim Verschönerungsver ein entfernt wurde. Ich bin von Herzen froh, daß ich nicht gewählt wurde. Abgesehen von den Opfern an Zeit und Mühe würde ich mich nolens volens mit Men schen verfeindet haben und durch sie in weiten Krei sen das mir bisher geschenkte Vertrauen und die von allen Seiten entgegengebrachte Achtung verloren haben. Hr. Stock wurde mit keiner großen Majorität Bürgermeister. Am 1. Okt. 1876 fand Schlußsteinlegung, Einweihung und Eröffnung der neu erbauten 8 klassi gen Mädchenschule statt. Einige Herren vom Ausschuß wollten anfangs von einer Einweihung nichts wissen, wurden aber niedergestimmt. Von Spitzen erschienen: Sektionschef F., Bezirkshauptmann K., Bezirksinspek tor N. etc. — Ich wurde ersucht, den Weiheakt vorzu nehmen.Ich nahm Rücksprache mit Hr. Dechanten und dem Hochwgst. Fürsterzbischof. Meine Ansprache machte nach allgemeinem Urteil ganz gegen meine Er wartung den besten, erhabensten Eindruck. Die ganze Feierlichkeit verlief in vorzüglichster Weise, so daß die 8 Tage später in Hernais stattgehabte Schuleinweihung durch Hr. Dechanten — die Hernalser ließen sich nur durch unser Beispiel zur Einweihung bewegen — trotz der Anwesenheit des Cultursministers und Statthalters nicht so effektvoll ausfiel. Monat Juli wurde H. H. Heinrich Schultheß, ehe mals Cooperator hier, als Pfarrer in Hernais installiert. Ich wurde ersucht, die Predigt zu halten. 1876 waren 243 Trauungen, um 40 weniger als im Vorjahr, was sich aus dem Mangel an Arbeit und Ver dienst erklärt — ferner 1240 Tote, 1229 Taufen. 1877 Trauungen 222, Tote 1039, Geborene 1328. Am 7. Februar 1878 starb nach 4 Uhr nachmittags der Hl. Vater Pius IX. (es folgt nun eine Datenüber sicht)... Wie mir ging es vielen anderen, man möchte ihn eher um seine Fürbitte anrufen als für seine See lenruhe beten... (Es folgt dann der Bericht über die Wahl Leos XIII., gleichfalls mit den Lebensdaten). Das Hochw. Ordinariat teilte erst am 26. 2. die Todesnachridit von Pius IX. mit — ohne solche zu er warten, verkündete ich der Gemeinde schon am 10. die Trauernachricht und lud sie und die Gemeinde-Vertre tung für Donnerstag, den 14., zu einem feierlichen Requiem samt Libera ein. Sehr viele Kinder erschienen auf die Einladung von Seite ihrer H. Katecheten. Die Kirdie war dicht gefüllt. H. Mesner Ringberger**) und H. L. ... haben sich besonders durch würdige Aus schmückung ausgezeichnet. Das Kirdienportal war schwarz verhängt — das Castrum doloris war auf einer Estrade von schönen großen Leuchtern mit brennenden Kerzen umgeben. Ein schwarzer Baldachin überragte das Castrum. Der Sarg war mit einer aus weißen und roten Rosen gefertigten Tiara (10 fl.) gekrönt. Auf Taburts lag der rote Hut,die Schlüssel, Birett; der Stab mit dem Doppelkreuz war am Sarg befestigt. Das Ge samtbild war ein ergreifendes und imposantes. Den ganzen Tag strömten Leute in die Kirche, um das Castrum zu sehen und zu bewundern***). Ebenso ohne Aufforderung des Ordinariates, die wieder zu spät kam, hielt ich am 17. Februar nachmittags eine Betstunde um eine baldige und glückliche Wahl und am 24. Februar wurde nach der Messe das Te Deum ge halten. — Möge Gott das Wirken Leos XIII. zum Heile der Kirche und dadurch des Staates segnen. An Sonntagen in der Faste ordnete ich an,daß statt um V^3 Uhr erst um 5 Uhr der Kreuzweg beginnt; dar auf hielt ich die Fastenpredigten über das Weltgericht, die Kirche füllte sich immer mehr; dann betete ich aus dem von mir verfaßten Gebetbuch die Litanei vom Leiden und Sterben Christi vor, den Engel des Herrn — nach 7 Uhr Ende. Das geschenkte Bild des hl. Josef wurde in der Kapelle schön geschmückt aufgestelt, nach der Segen messe betete ich dort die Litanei vom hl. Josef und hielt eine kurze Ansprache über: Ite ad Josef. 1878 Katechetisches. Mit April beginnt die neue Stimdeneinteilung für die Katecheten. H. Spinka gibt wöchentlich 20, H. Pinsker 19, H. Strobl 16 Stunden — 2 Lazaristen werden die unteren Knabenschulen über nehmen. — Das ist für die in der Seelsorge so an gestrengten H. Cooperatoren und bei der großen Ent fernung hier offenbar eine offenbar auf Geist und Kör per nachteilig wirkende Überbürdung. Damit ist die Religionsunterrichtsfrage nichts weniger als gelöst. Jeder erhält für 1 Stunde wöchentlich (über die 12 offenen) pr Jahr 30 fl.Wie lange? Und was dann? Bittgänge. Die Prozession an Bitttagen wturde unter großer Teilnahme abgehalten. Erfreulich war, daß viele Kinder erschienen (auf Aufforderung der Katecheten), denen ich (Pfarrer) vorbetete. Am 2. Februar wurden 65 Paare, bis jetzt die höchste Zahl, in der Kirche verkündet. Es ist auffal lend, weil wegen Niedergang des Drechslergewerbes fast keine Drechsler heirateten. (Bericht über Kirchenbauverein und Schwierigkei ten... Uber die Reichsratswahlen ...) Ende 1879; Trauungen: 285, Sterbefälle: 1013, Ge burten: 1444. 1880 Am 23. Mai nach der %9 Uhr Messe fand die Weihe der Schulfahne der 3. Knabenklasse statt. Es hatte sich ein Comitee mit dem Obmann G.... gebildet, die durch Sammlung und durch Bestkegelschieben die Kosten (über 200 fl.) aufbrachten. Der Pfarrer hielt vor und nach der Weihe Ansprachen. Am 23. Mai 1880 wurde mein ehemaliger Zögling im Knabenseminar Dr. Gottfried Marschall, der die Söhne des Erzherzogs Karl Ludwig in Religion unter richtete, als Propstpfarrer der Votivkirche vom Weih bischof feierlich installiert. Heuer fanden bereits 4 Judentaufen in unserer Pfarrkirche statt, eine fünfte Person hat sich bereits wieder bei mir zum Unterricht gemeldet. Altkatholiken: Hier scheint ein eigenes AgitationsComitee zu bestehen, um zum Ubertritt zum Altkatho lizismus zu verleiten. Seit meinem Hiersein dürften 20 Fälle von der Bezirkshauptmannschaft im Pfarramt angezeigt worden sein. Hoffentlich wird dieses Un wesen nicht lange mehr dauern. 1881 Volkszählung: Der Andrang wegen Taufzetteln war sehr groß; Kanzlei und Hof waren mit Menschen ge füllt — Außer dem gewöhnlichen Schreiben mußten 3 Personen aushelfen — es wurde öfter bis 9 Uhr abends gearbeitet. Der Bürgermeister hatte fälschlich durch Anschlag gefordert, daß alle Bewohner sich mit Zeugnissen ausweisen müßten, was nur von den Kna ben geb. 1860—1870 galt. Ich ging mit dem Pfarrer Schulteß von Hernais zur Bezirkshauptmannschaft, die sogleich einen Erlaß an das Bürgermeisteramt gab, die Anordnung zu widerrufen. Auch ich ließ anschlagen, daß nur die betreffenden Knaben Zeugnisse brauchen. Resultat: Einwohner 37417, Häuser 973, Katholiken 33455, Israeliten 1257, A. C. 527, H. C. 54, Altkatholiken 53, Griechischunierte 20, Niditunierte 17, Anglikaner 11, Confessionslose 23. Deutsche Umgangssprache: 33531. Im Jahre 1880 Geburten: 1376 Trauungen: 303 Todesfälle: 1138 incl. der Totgeburten. 39

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