Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

1856 in das von Eminenz (Erzbisdiof Rauscher) gegrün dete Knabenseminar berufen, um dieses Institut als erster Rector zu organisieren und zu leiten. 1859 wurde er zum f. e. geistlidien Rat und i. J. 1872 nach dem Tod des hochwürdigsten Bisdiofs Feßler (von St. Pölten) zum Ehrendomherrn des Metropolitankapitels von St. Stephan ernannt imd von Sr. Eminenz mit Ring und Kette huldvollst beschenkt. Nach fast ISjährigem Wirken im Knabenseminar wurde er am 25. Februar 1874 auf die Pfarre Ottakring investiert. Am 7. April (Osterdienstag) nachmittags um 4 Uhr erfolgte der feierliche Einzug in die Kirche. Am Abend um 6 Uhr wurde der neue Pfarrer von der Gemeinde repräsentanz begrüßt. Am 19. April fand die feierliche Installation statt. In der Gemeinderatssitzung am 20. März, also fast einen Monat nach der Investitur, wurde der Besdiluß gefaßt, dem Pfarrer das Deputatsholz nicht mehr zu geben. Als der Pfarrer sein Holz begehrte, wurde dieser Beschluß erneuert. Der Landesausschuß erklärte die sen Beschluß für ungiltig — vergebens. In diesem Jahr ereigneten sich mehrere sensatio nelle Selbstmorde in der Gemeinde. (Beridite über Reparationen, Anschaffungen, Wet ter, Ernte etc.) An Feiertagen wurde beim Frühgottesdienst immer eine hl. Segensmesse gelesen. Am 26. April hielt Canonikus u. Pfarrer Dittrich seine Antrittspredigt und predigte dann alle Sonntage um 10 Uhr bis Oktober — von da an übernahm er die Feiertags-Spätpredigten und Fastenpredigten für das Jahr 1875. Der Pfarrer führte die Prozession nach Maria brunn, die von 1000 Menschen begleitet war — er hielt beim Aus- und Einzug und in Mariabrunn Predigten. Von der unteren Schule wurde an einem Sonntag früh während der hl. Messe ein Turnausflug arrangiert, gegen welche Gesetz- und Pflichtverletzung vom Hochw. H. Strobl als Religionslehrer beim Ortsschul rat energisch protestiert wurde.Der Ortsschulrat suchte sich durch Entstellung der Wahrheit herauszuhelfen — Hochw. H. Strobl protestierte abermals xmd hat bis heute (3. Juli) noch keine Antwort.— Hochw.H.Spinka wurde im „Boten" verleumderisch angegriffen und klagte den Redakteur Dub — auf vieles Bitten und Zu reden stand er von der Bestrafung ab, aber erntete einen schlechten Dank. In der Kanzlei wurde ein eiserner Ofen gesetzt. Der Pfarrer regte den Kirchenbau an — Hr. Bür germeister reichte ein vom Pfarrer verfaßtes Bittgesuch um Überlassung des Fondes für die Franziskuskirche bei der Statthalterei ein — eine Deputation ging zum Bürgermeister und Se. Eminenz — bis jetzt ohne Aus sicht auf Erfolg. I. J. 1874 waren 1206 Taufen,943 Leichen, 266 Trau ungen, fast um 30 weniger als 1873. Selbstmörder 20, darunter 15 Einheimische. 12 mal wurden Zwillinge ge boren und 3 mal Drülinge. Totgeboren 49. Uneheliche Kinder: 295. 1875 Die an Blattern Verstorbenen mußten am Fried hof eingesegnet werden, was bei dem strengen Winter oft mit großen Schwierigkeiten verbunden war. Alles wegen Societät, aber die Zündholzfabrik darf ihre pestilenzischen Dämpfe ärger als je verbreiten. Eine von 30 Hausbesitzern unterfertigte, vom Pfarrer ver faßte Petition, wurde bei der hohen Statthalterei ein gereicht. Leider wieder ganz ohne Erfolg. Der Maskenzug wurde wegen Schneegestöbers nicht abgehalten. Trotz ungünstiger Witterung fand das frivole und sanitätswidrige Spektakel doch am Faschingsdienstag statt und selbst am I. Fastensonntag. Der Pfarrer protestierte bei der Polizei und beim Bür germeister, natürlich vergebens, da die Statthalterei um des humanen Zweckes willen die Einwilligung gab. Ich erreichte nur so viel, daß der Maskenzug nicht wie sonst vom Schottenhof ausging, sondern unterhalb der Kirche von der Breitenseerstraße aus. Der Gottesdienst war sehr schwach besucht. Die Auslagen für den Skan dal betrugen 3000 flJ? und doch witzelten liberale Blätter über den schäbigen Aufzug und die bemitlei denswerten halberfrorenen Narren. Die Friedensköni gin legte sich in Folge der unausbleiblichen Unter kühlung aufs Krankenbett; sie starb 8 Tage darauf mit dem Vorwurf gegen ihre Mutter, die sie gegen den eige nen Willen dazu aufmunterte, daß sie ihr junges Leben hinopfern müsse. Ich verfaßte auf Anregung des Hochw.H. Weihbischofs einen Protest, den Se. Eminenz dem Minister überreichen ließ! Am 24. Jänner wurden 54 Paare aufgeboten. Am 6. Februar erkrankte ich an einer heftigen Halsentzün dung — ich lag noch am 8. zu Bett, mußte aber auf stehen, weil H. Coop. Sp.... mir sagen ließ, daß er von den 8 Trauungen nur eine halten werde. Ich litt an den Folgen dieses vorzeitigen Aufstehens über 3 Monate. Am 16. Juni wurde eine hl. Segenmesse gehalten und nach einer kurzen Ansprache wurde das feierliche Gebet gesprochen, durch das die ganze Pfarrgemeinde dem hlgst. Herzen Jesu geweiht wurde. Am 1. und 8. August wurde die Prozession zur Ge winnung des Jubiläumsablasses von mir nach Penzing und Hitzing geführt. Es nahmen gegen 100 Personen nur, aber unter erbaulicher Andacht teil. Im September wurde hier ein Verschönerungsver ein, der mich zum Ausschuße wählte, gegründet, fer ner ein Wohltätigkeitsverein „Nikiaus" zur Bekleidung armer Schulkinder. Am 6. Dezember wurden 6 Knaben und 6 Mädchen ganz neu gekleidet und dann in W... Gasthaus bewirtet von diesem Verein. Am 24. November um 3 Uhr ist Se. Eminenz Cardinal Rauscher selig im Herrn entschlafen. Seine Krank heit dauerte nur eine Woche. Von allen Seiten die größte Teilnahme — selbst die Blätter der Gegner konnten ihm ihre Bewunderung nicht versagen. Die hiesige pfarrliche Kinderbewahranstalt hat an ihm einen großen Wohltäter verloren. Die öffent liche Meinung bezeichnet H. Weihbischof und Kapitel vikar (Kutschker) als dessen Nadifolger. Die Weinlese war heuer nach Quantität eine sehr gute; die meisten unterschätzten den Ertrag. Daher Faßmangel. 1875: Taufen 1278, Sterbefälle 979, Trauungen 283, Selbstmörder 11. 1876 Der Faschingszug unterblieb heuer zur Freude aller Gutgesinnten. Vielleicht hat meine Eingabe an das Ministerium etwas beitragen — nur in Betreff der Zündholzfabrik haben wir bisher nichts erreicht. Selbst meine, von fast 30 Anrainern verfaßte Eingabe an die Statthalterei hat keinen anderen Erfolg, als die Zahl der fruchtlosen 4 Commissionen um eine zu vermehren. H. P. Hofmeister wül jetzt bis zum Ministerium gehen. Sonderbarer Rechtsstaat!! Zwischen dem 13. und 18. Juli fanden die Ge meindewahlen für die Periode 1876 bis 1879 statt... Im 2. Wahlkörper wollten die Lehrer mich wählen, aber die Kuffner-Stock-Degen-Partei meinte, ich werde ohnedies im I. Wahlkörper gewählt — und im I. Wahl körper agitierten diese Herren mit Mayer und Rauthenstrauch gegen meine Wahl, so daß ich mit Schachhuber und Kreutner zweimal in die engere Wahl kam. Degen meinte: der Ausschuß könnte durch meine Wahl in den Geruch des Clerikalismus kommen — Mayer: ich sei zu gescheit und beredsam, es sei zu besorgen, daß ich den ganzen Ausschuß beherrschen und alles mit mir stimmen würde. Rauthenstrauch kam als Gesandter, mich zu fragen, ob ich die Wahl annehmen werde. Ich stimmte aus Liebe zur Gemeinde zu und er erklärte dann dem Comitee: Ich hätte absolut abgelehnt. Es scheint auch eine kleine spiesbürgerliche Sache dabei im Spiel gewesen zu sein — bei Stock, weü ich trotz 38

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