böses Omen für den weiteren Verlauf der Ausstellung und deren letzte Resultate sein möge. — Die in den ersten Tagen des T-Iai eingetretene Börsenkatastrophe („Krach" genannt) erschütterte nicht nur die Börse allein, sondern äußerte ihre Wirkung bis in die weite sten Kreise. Unzählige Insolvenzen, Geschäftseinstel lungen, Verarmung Einzelner und ganzer Familien, Selbstmorde, Irrsinnsfälle, Defraudazionen und andei-e Verbrechen sind die näclisten Wirkungen davon, die weiteren Wirkungen dürften noch schmerzlicher für das Allgemeine (Wohl) werden. —"-") Im Jahre 1874 ereigneten sicli demnach mehrere sensationelle Selbstmorde in der Gemeinde, wie die Statistik ausführte: von den 20 Selbstmördern waren 15 Einheimische-^). Auch noch ein anderer „wehmütig stimmender Act" drückte ihn i. J. 1871 nieder, nämlich die am 24. Juni d. J. vollzogene Übergabe des Armeninstitutes an die Gemeinde (damals noch Dorf Ottakring); und er schreibt dazu: „Was die Kirche gegründet und so viele Jahre gewissenhaft gepflegt und gefördert, das weiter zu verwalten ist sie nach dem Princip der Konfessionslosigkeit des Staates (in der nunmehrigen libe ralen Ära) nicht mehr fähig und ihrer bisherigen Wirk samkeit wurde deshalb ohne weitere Umstände ein Ende gemacht." Er tröstet sich aber damit, „daß zum Glück hiedurch der christlichen Charitas ein neuer Impuls zur opferfreudigen Thätigkeit gegeben sei, und dieser Impuls bleibe nicht ohne heilsame Folgen"--). Und so eine Karitas, ja für die Sechzigerjahre als soziale Großtat zu bewertende Leistung war seine Gründung der Kinderbewahranstalt für Arbeiter kinder. Und da fand si(di, wie er sicäitlich anführt, eine besonders schöne Gelegenheit zur Kundgebung dieser Liebestätigkeit, wenn wie am hl. Christabend 1871 694 Kleidungsstücke nebst Gebetbüchern, Heiligen bildern, Spielsachen und Eßwaren an 180 Kinder der Anstalt verteilt werden konnten-')- Daß der unermüdlich Tätige auch nun in seiner neuen Pfarre Hütteldorf — von der großzügigen Bau tätigkeit der Gründerzeit und dem fernen Gedanken erfaßt, daß auch diese Pfarre einmal der Residenzstadt Wien eingegliedert werde-') — seinen Unternehmungs geist voll zum Einsatz brachte, ist selbstverständlich. Als Nachfolger des am 3. Juli 1873 verstorbenen Pfar rers Josef Weinkopf (1832—1873) und 41. Pfarrer Hüt teldorfs begann mit Paletz daselbst eine neue, eben die neueste Zeit. Unbelastet vom Traditionsgefühl und Feind halber Lösungen, begnügte er sich nicht mit einer Generalrenovierung der alten Pfarrkirche, son dern schritt zur radikalen Lösung: Niederreißung der alten und Erbauung einer dem Zeitgeist angepaßten neugotischen Kirche. Folgen wir kurz der neuen Pfarrgeschichte-'"'): „Paletz erwirkte die allerhöchste Erlaubnis, aus dem Pfarrpfründenvermögen eine ansehnliche Summe für den Kirchenbaufond auszugliedern. Der Kaiser genehmigte in seiner Eigenschaft als Patronatsherr an seinem 50. Geburtstag, am 18. August 1880, den Bau einer neuen Pfarrkirche. Der Pfarrer trieb die Vorarbeiten fleißig voran, so daß am 26. Juni 1831 die Grundsteinlegung durch Weihbischof Dr. Angerer er folgen konnte. Gemäß der damaligen Zeit wurde diese Feier mit größtem Pomp abgehalten. Paletz widmet in seiner Denkschrift, die nunmehr als historische Quelle zu werten ist, über 20 Seiten dem Kirchenneu bau. Der architektonische Plan wurde von Richard Jordan ,den Grundsätzen der Gotik nicht minder wie dem praktischen Zwecke meisterhaft entsprechend ...' ausgeführt. Am 9. November 1882 erfolgte die feier liche Konsekration dur-ch Erzbischof Cölestin Josef Gangibauer. Am Nachmittag dieses Tages wurde in feierlicher Prozession das Sanctissimum von der alten in die neue Andreaskirche übertragen und damit das Schicksal der alten Pfarrkirche, die für mehr als ein halbes Jahrhundert für die Hütteldorfer eine religiöse Heimstätte gewesen war, besiegelt. Die Kirche wurde niedergerissen, der Friedhof eingeebnet und das Grundstück verkauft. Interessanterweise wurde dieser Bauplatz, obwohl im Herzen Hütteldorfs liegend, bis heue nicht verbaut. So sehr die Tatkraft des Pfarrers zu bewundern ist, müssen wir doch mit größtem Be dauern zur Kenntnis nehmen, daß er aus gänzlich unverständlichen Gründen alle künstlerisch oder histo risch bedeutsamen Denkmäler der alten Kirche der Vernichtung preisgab. Der Altertumsverein zu Wien bemühte sich leider vergebens, kostbare Objekte und Grabdenkmäler zu erhalten. Dabei geriet auch der Grabstein des Pfarrgründers in Verlust. Andere wert volle Grabplatten wurden zur Pflasterung des Pfarr hofes verwendet. Die Kunstgegenstände verschwanden spurlos. Nur der Hochaltar bekam in der von den Trinitarien betreuten Kaiser-Jubiläumskirche an der Reiclisbrücke (Wien II, Donaustadt) eine neue Heim stätte." Mehr sei über seine ein Vierteljahrhundert ' dauernde Tätigkeit — weil nicht zum Thema gehörig — nicht mehr berichtet. 1887 legte Pfarrer Paletz „wegen anhaltender Kränklichkeit" das Dekanatsamt zurück-"), am 23. Fe bruar 1900 starb er und wurde als erster im Priester grab der Hütteldorfer Pfarre beigesetzt-"). An Ehrun gen waren ihm zuteil geworden: 1881 die Ernennung zum Ehrendomherrn von St. Stephan-®), 1889 die zum f.e. Konsistorialrat und dann noch zum Päpstlichen Hausprälaten'^"); audi war er Ritter des kaiserlichösterreichischen Ordens der eisernen Krone III. Classe""). Zu Ottakring (Wien XVI) erinnert an ihn eine Paletzgasse^^). Quellen u. Lit.: Wiener Diözesanarchiv, Stadtpfar ren, Wien XVI, Altottakring (1850/1879); Gedenkbuch der Pfarre Altottakring Bd. II (1871—1953); Personal stand der Säkular- u. Regular-Geistlichkeit der Erz diözese Wien; Wiener Diözesanblatt: Wurzbach, Bio graphisches Lexikon des österr. Kaiserthums; Gottfried Scholz. Geschichte der Pfarre Hütteldorf. Mit Titelbild, Grundriß und Plan. Wien: Verlag des wissenschaftli chen Antiquariates H. Geyer, 1964, III, 188 S. Anm.: *) War der Grund zur Darstellung dieses kurzen Lebensbildes. — Ü Gedenkbuch der Pfarre Alt ottakring Bd. II. — Bei Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaisertums Österreich Bd. 21, S. 199 wird ein Stephan Paletz erwähnt, der als Professor an der Prager Universität im katholischen Geist wirkte und der erbittertste Gegner Jan Hussens war. — -) Wurz bach a. a. O., 198 f. — Dazu das in Bälde erscheinende OBL. — ") Die Theologen aus Böhmen und Mähren machten je nach Jahrgang ein Viertel, ja ein Drittel aus. — Sh. die Weihejahrgänge im Wiener Diözesan blatt ab 1867. — -') Ludwig Donin. Der Stephansdom und seine Diener, Wien 1874, S. 227. — ■•) Personal stand d. Säkular -u. Regular-Geistlichkeit d. Erzdiözese Wien. — Auch Wurzbach a. a. O. — ") WDBl 1867 S. 128, 284. — •') Ebda. 1873, S. 228. — ®) Gedenk buch II. — ''j Wurzbach a. a. O. — ^") Ebda. WDBl. 1867, 128. — ''-) Wurzbach a. a. O. — ~ abgefaßtes Gedenkbuch d. Pfr. Altottakring, weiters die folgenden Ansuchen an das f.e. Consistorium. — Diözesan archiv Wien, Stadtpfarren, Wien XVI, Altottakring 1850/1879. — !'■) Ebda. — i") Ebda. — ") Statistik aus dem Gedenkbuch II; 1871: 1009 Geburten, 341 Trauun gen, 860 Sterbefälle; 1872: Volkszählung der kk Poli zei m ihrem Rayon / 15. Oktober: 23.781 Seelen- 1872: 1033 Geb., 374 Tr., 904 Sterb.,; 1873: 1214 Geb 294 Tr 922 Sterb.: 1874: 1206 Geb., 266 Tr„ 943 Sterb. Zu Ge burten 12 Zwillinge, 3 Drillinge, 49 Totgeborne 295 Uneheliche. 1891 erfolgte die Vereinigung der Vor orte mit Wien zus. 19 Bezirken. Dadurch kam auch die Gemeinde Ottakring mit Neulerchenfeld als XVI. Bezirk zu Wien. Ottakring zählte 1880: 37.417 1891: 61.817, war also um 24.000 Einwohner angewachsen Interessant die Zusammensetzung: 58.324 Katholiken" 31 Griec^isch-llnierte, 43 Altkatholiken, 16 GriechischNichtunierte, 785 Evangelische A. B., 188 Ev H B 2365 Israeliten (es erfolgten auch Taufen), 2 "andere'r Confession, 63 Confessionslose. Gedenkbueh II. i") Gedenkbuch II. — Dazu folgender interessanter Vor fall über damalige Umweltverschmutzung: Durch die 29
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