Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

4.5. Eine schwere Prüfung brachte in Poysbrunn das Pestjahr 1680. Diese Seuche trat 1678 in Ungarn auf, kam 1679 nach Wien und Nö., besonders südlich und westlich von Wien, erreichte im September und Oktober ihren Höhepunkt und flaute im Dezember ab. Als man sie schon überwunden glaubte, kehrte sie im Sommer 1680 aus Böhmen und Mähren in die nördli chen Landesteile von Niederösterreich zurück und war vor allem nördlich der Linie Mistelbach—Hollabrunn— Horn äußerst bösartig. Fast jeder größere Ort besitzt eine Pestsäule aus diesem Jahr."^) Franz Megerle floh nicht vor der Seuche, sondern blieb gemäß den kirchli chen und staatlichen Weisungen bei seiner geprüften Herde. Im Sterbebuch fügte er der Jahresüberschrift „Anno 1680" hinzu: „Vere Ach — tzg!" und zu August: „Hoc mense incoepit pestis" und nach dem Tod seines 15jährigen Bruders am 12. November: .,0 annum 1680! in quo nil nisi lamentatio ista — Ach — tzgen.""") 87 Menschen starben zwischen August und November an dieser Geißel, ein Fünftel der Bevölkerung. 1681 be richtet der Pfarrer, daß er sie „aus wohl sonderbahren Höchsten Gnaden mit völliger Gesundheit yberstanden, auch keinem die begerte Not-Sacramenta Ver saget, sondern, wie einem Pastori gezihmel, allen mit dem Viatico beigesprungen,... auch Zeit diser meiner Exposition meinen lieben 60. Jahrigen Vattern sambt noch 4 Personen im Pfarrhof... dahinsterben:"-'") Seine Köchin Christine am 29. Oktober, dann sein Bruder. Im Sterbebuch klagt er: „Item pro dolor! Den 1.2. November ist auch gestorben Johannes Georgias Megerle des H. Pfarrers Zur Pest Zeit Exponierter leibl. Bruder, seines Alters im 15. Jahr. Die Pest hat er in dem Ministrieren bekommen, vndt weilen der Pfarrer keinen Pueben von der Gemain (uti alibi) kunte haben, hat er müsen sein bruder brauchen." Vier Tage darauf ist zu lesen: „Den 16. Nov. ist eine Braut Jesu Christi gestorben mit Namen Anna Maria Megerlin, ihres Alters im 10. Jahr, ein schwester des Hochbeträngten H. Pfarrers,... so sich wegen seiner schöfl exponiert vndt die leidige Contagion(=Pest) ex hac causa ins Haus vndt Pfarrhof bracht, daß also seine vnschuldige Freind die güftige Suppen ausessen." Nach drei Tagen: „Den 17. Nov. ist widerumb (O Layder!) in Gott seelig entschlafen der Ehren Mann — Mein lieber Vatter Philippus Megerle, Pater Parochi in Poysbrun fidelissimus. Dises Elend hat gebracht des H. Pfarrers... exposition."'") 4.6. Pastorale Maßnahmen in der Pestzeit. Pfarrer Franz Megerle eiferte in dieser Schreckens zeit die ganze Gemeinde zur Buße und zu Werken der Frömmigkeit an. Er ließ von ihr den hl. Kajetan von Tiene (Fest am 7. August) zum Pestpatron erwählen und das Gelübde einer jährlichen Prozession ablegen. W i e das geschah, ist uns nicht überliefert. Die Nach bargemeinde Wilhelmsdorf bei Poysdorf legte ihr Ge löbnis in folgender eindrucksvoller Weise ab: Die ganze Gemeinde versammelte sich zu einem gesungenen Amt. Anschließend wurde der mit den Unterschriften und Petschaften des Dorfrichters und der Geschwore nen versehene Gelöbnisbrief vorgelesen, worauf alle mit einem Eid bekräftigten, das Gelöbnis auf ewige Zeiten zu halten. Richter und Geschworene legten dabei zwei Finger auf das Ziborium, in dem das hl. Sakrament aufbewahrt war.''^) Das Votivblld der Gemeinde Poysbrunn aus dem Jahre 1680 ist in der dortigen Pfarrkirche erhalten. Es zeigt den hl. Kajetan in der römischen Kirche Santa Maria Maggiore in seiner Vision vor dem marianischen Gnadenbild und vor der Krippenreliquie jener Kirche in dem Augenblick, in dem ihm Maria das Jesuskind reicht. Im Hintergrund des Bildes sieht man den Ort Poysbrunn mit Kirche und Schloß, darüber einen Engel, der das Pestschwert in die Scheide steckt, und den Sensenmann, der den Ort verläßt. Darunter steht die Gelöbnisinschrift: „Votum. Gott dem allmächtigen, Mariä der Unbefleckten Jungfrau wie auch dem neuerw^älten Pestpatron S. Prister Caitano zu größern Ehre haben wir Poysbrunner dise Tafel allhier Verlobt und versprochen, jährlich auf den 1. Sontag im Ocktober als am Fest des S. Rosenkranz Mariä de Victoria in Schloß u. Dorf mit dem Hochwürdigen u. unser lieben Frauen Vesberbild in einer Procession mit öffendlicher Bettung des h. Rosenkranz um baldige abwendung der leidigen Contagion und Pest herum tragen zu lassen. Anno 1680. VotVM Deo VIrglnl parentl et beato Caitano pro peste poysbrVnenses obtVLere. Vezit pictor." Das Chronogramm zeigt das Jahr 1680 an. Dieses Votivbild wurde von einem Maler (mit Namen Pictor?) in Nikolsburg angefertigt und mit dem Wagen bis auf die Höhe des Triftberges nördlich des Ortes gebracht. Als es von dort feierlich eingeholt wurde, fiel dichter Neb3l auf Poysbrunn, das Zügenglöcklein läutete und zeigte den letzten Pesttoten an. So erzählen die alten Leute heute noch.-'") Die damals gelobte Rosenkranzprozession wird noch heute, freilich ohne Monstranz, ohne das noch erhaltene Vesperbild und nur im Dorf gehalten. Der hl. Kajetan von Tiene — heute in Österreich kaum bekannt und verehrt — wurde damals nach sei ner Heiligsprechung durch Klemens X. im Jahre 1671 viel verehrt und hatte als Pfleger der Pestkranken hohen Ruf (Patron Bayerns!). Mit den Theatinern, auch Kajetanern genannt — der von ihm gegründeten Priestervereinigung —, kam Franz Megerle vielleicht in Salzburg (Kajetanerkirche!) oder in München in Be rührung. Abraham a S. Clara förderte besonders nach seinen Romreisen diese Andacht, ließ in der Wiener Augustinerkirche einen Kajetanaltar errichten und hielt immer wieder Kajetanspredigten, z. B. 1678, 1689, 1695.-") Ein zweites Andenken an 1680 ist die hinter dem Schloß in Poysbrunn stehende steinerne Dreifaltigkeits säule (Gnadenstuhl), die früher die Jahrzahl 1.680 ge tragen haben soll. Auch heute noch zieht am Drei faltigkeitsfest die Gemeinde in feierlicher Prozession zu dieser Stätte. Diese Statue könnte auch eine Stiftung (der Herrschaftsinhaber?) für das Erlöschen der Pest sein. Ähnlich war ja auch in Wien nach Erlöschen der Seuche im Frühjahr 1680 ein achttägiges Dankfest zu Ehren der hl. Dreifaltigkeit vor einem provisorischen Dreifaltigkeitsbild auf dem Graben gehalten worden, bei der Abraham a S. Clara die Schlußpredigt hielt.^") Ob die von den Poysbrunnern bis in die letzten Jahrzehnte gehaltene Wallfahrt zum Pestheiligen St. Sebastian in das benachbarte Altruppersdorf auch aus dieser Zeit stammte, ist nicht mehr festzustellen. 4.7. Am 12. März 1681 bat Megerle das Consistorium um eine bessere Pfarre: „Wann nun Euer G. Vermög einem Vorm Jahr ausgesandten Decret Ver sprochen, die sich exponierenden Priester Zu Promo vieren,... Fitten, Mir betrübten Pfarrer Zu Poysprun von diser geringen vndt mir vnglickseeligen Zu einer besseren Pfarr gd, Zu helfen." Er legt eine Befür wortung des Fürsten Ferdinand Dietrichstein bei und fährt fort: „Dan auch mein H. Vetter P. Abraham bey den PP. Aug. Prior Vnd kaiserl. Hof Kirch Prediger, welcher ...Umb ein bessere Condition dienmutigist aufzuwarten mir befohlen Vndt anleitung geben." Zuletzt weist er auf den Verlust seiner Geschwi ster und seines Vaters hin, „die auf mein gutmainendes begern erst ein halbs jähr zuuohr aus dem Reich ... herunder zu mir kommen'""'). Die amtliche Aktnotiz auf seinem Gesuch ..Fiat wie begehrt" kann nicht so fort erfüllt werden; aber schon am 11. Juni erbittet er „ein Testimonium wegen seines Wohlverhaltens wäh rend der Pest'"", das er wohl für die Bewerbung um eine andere Pfarre braucht. 5. Pfarrer in Großhaselbach 5.1. Tatsächlich präsentiert bereits am 22. Jän ner 1682 Kaiser Leopold I. den ..Lic. Theol. Franz Megerle" auf die Pfarre Großhaselbach im nordwest lichen Waldviertel in Nö., das Consistorium nahm sie am 30. Jänner an'"*), am 10. Feber erhielt er die Confirmation und zahlte 6 fl dem Offizial und 3 fl dem Notar.^'*) Daß bei dieser Präsentation der kaiserliche Hofprediger seine Hand im Spiele hatte, ist kaum zu 11

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