Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

geheimnisvollen Mutterschaft Mariens geweiht worden und Hen- DDr. Kumerer, ein bekannt eifriger und ge scheiter Herr, hat sich nach einiger Zeit bereit erklärt, neben seiner Professorentätigkeit an einer Mittelschule die Seelsorge an der Eisfabrik-Kirche zu übernehmen. So ist die einstige Maschinenhalle zu einem religiösen Werkraum geworden. In den Anfangswochen hat der glückliche Erbauer die tägliche Meßfeier und an den Sonntagen einen der drei Gottesdienste gehalten. Da bei erlebte er laut Aussage seines Tagebuches Freuden besonderer Art: „Es wird wirklich immer schöner, ich lebe in der Tat ein unbeschreiblich herrliches Leben. Jede Bet-Sing-Messe wird in dieser Marienkirche zu einem eigentlichen Fest, so daß es wirklich so ist und bleibt, wie man sagt: Wer sich der Gottesmutter ver dingt und ihr die Menschen nahebringt, der erfährt es, daß Maria wirklich die Ursache unserer Freude ist." 20. Das Marienkirchlein im Rosental Wer die Täler, die im Westen Wiens den Wiener wald gliedern, etwa das Steinbachtal von Mauerbach oder das Rosental unter dem Steinhof, nicht kennt, was weiß der von dem Zauber, den die Großstadt Wien auf ihren Besucher auszuüben imstande ist! Vom Stein bachtal war bereits die Rede in diesem Notklrchenbaubericht; nun soll auch dem Rosental die Ehre der Be achtung zuteil werden. Dieses Tal liegt, wie bemerkt, nicht weit vom traurigsten Haus der Stadt Wien, dem Steinhof, wo Gehirngeschädigte und psychisch Kranke sich befinden. öfters hat man mich darauf aufmerksam gemacht, daß in dieses Tal ein Kirchlein hineingehöre, weshalb sich der Kirchenbaumann dort um einen Garten um sah, den er von einem braven Mann um einen nicht allzu hohen Kaufschilling erhielt. Im September 1959 konnte ich in meinem Arbeitsbüchlein notieren: .,Dem Herrn und seiner Mutter sei tausendmal gedankt, das Platzerl im Rosental ist gesichert. Das Kirchlein soll ,Maria vom guten Rat' heißen. Der hohen Frau wird es geweiht, deren Schönheit uns entzückt und deren Wohlgeruch der Tugenden uns anspornt zu guten Taten." Zwei Jahre vergingen, bis es so weit war, daß das sehr bescheidene Rosentalheiligtum von Kardinal Dr. König, der an meinen Gründungen trotz seiner weltweiten Aufgaben immer rührendes Interesse zeigte, am 11. Juni geweiht werden konnte. Ich übernahm über die Sommermonate eine Trinationsmesse an den Sonntagabenden und die Kurz predigt. So hatten und haben weiterhin die dort woh nenden Katholiken und die Ausflügler Gelegenheit, ihrer Sonntagspflicht Genüge zu leisten. Vom ersten Junisonntag bis September erklingt nun im Rosental um 16.30 Uhr das Glöcklein vom bescheidenen Türm chen. Über die kalten Wintermonate bleibt die Holz türe am Rosenhang verschlossen, um dann im schönen Frühling für die Marienkinder des Tales und die vielen Ausflügler, damit sie über die herrliche Schöpfung den Schöpfer nicht vergessen, wieder geöffnet zu werden'''). 21, Die Pferdestallkirche in Inzersdorf Um die sechziger Jahre schössen im Süden von Wien im Gelände der Wienerberger Ziegelwerke große und ausgedehnte städtische Wohnbauten aus dem Boden.Da ergab sich die unbedingte Notwendigkeit für viele Tausende Katholiken, die dort Arbeit, Brot und Woh nung fanden, auch Soi-ge zu tragen zum Besuch der Sonntagsmesse und zum Empfang des Brotes des Lebens. Der Kirchenbauverein sah sich daher unten bei den Ziegelwerken beinahe die Augen aus und entdeclcte ein Gelände, einen fast abbruchreifen ehemali gen Pferdestall, den er von der Direktion der Werke gerne zugewiesen bekam und der mit verhältnismäßig kleinen Mitteln zu einer recht netten und würdigen Gottesdienststätte umgeschaffen werden konnte (was unseren hochverehrten Präsidenten-Stellverteter, Herrn Prälat Wagner, mit Freude ei'füllte). ,.Eine stille Freude begleitete den Kirchenbaumann bei diesem Tun", heißt es in meinen Aufzeichnungen, „weil sich wieder was tat und er wieder dem König der Könige einen zwar sehr bescheidenen Thron errichten konnte; doch diesmal eine Wohnstätte, die ihn lebhaft an den Ort erinnerte, wo er das Licht der Welt erblickt hatte." Wenn Kritiker mit dem Hinweis kamen,daß es sich hier um ein Objekt handle, das sich unwürdig erweise für diesen hohen und hehren Zweck, dann wies fast triumphierend der schwarze Mann in der blauen Arbeitsbluse darauf hin, daß es sich bei diesem Kirdienbau um eine lOOprozen tig biblische und apostolische Sache handle: Das Christ kind sei ja doch auch in einem Stall geboren worden. Die gut besuchten Gottesdienste bewiesen, daß unsere heilsbegierigen Katholiken biblische Anschauungen schätzen, indem sie mit rührender Liebe an. ihrer Pferdestallkirche hingen. Diese Liebe bekundete gleich eine junge Dame von dort, indem sie meiner braven Haushälterin'"), die bislang die neuen Gottesdienst stätten und in ihnen die Altäre zu schmücken pflegte, die Blumen und Geschirre aus der Hand nahm mit den Worten: „Lassen Sie das bitte, das machen wir schon selber." 22. Die Kirche im Heimbautal Weit weg von der Pfarre Wolfsgraben in Nieder österreich war eine volkreiche Eigenheimsiedlung ent standen. Da die Siedler dem Glauben nicht abgestorben waren, hegten sie den aufrichtigen Wunsch, in ihrer Nähe eine Kirche zu haben, damit wenigstens an Sonn tagen Gottesdienst gehalten werde. Wo ein Wille, da ist bekanntlich auch ein Weg. Es war für den Kii-chenbauverein nicht schwer, in der Gegend südlich des Wienerwaldsees einen geeigneten Bauplatz zu ergat tern. Mit Meister Frühling fuhr ich in aller Früh Tag für Tag hinaus ins Heimbautal und wir beide schufte ten — ich kann nicht anders schreiben — in blauer Bluse und Arbeitshose, darauf los wie zwei wirkliche Schwerarbeiter. Weil keine Fabrikssirene die Mittagslunde ansagte, bestand Gefahr, daß wir zwei sogar aufs Essen von Wurst und aufs Trinken der in den Taschen steckenden Bierflaschen vergaßen. Später hal fen auch die lieben Siedierleute und so ward ein recht nettes und geräumiges Gotteshaus, das von Wolfsgraben aus seelsorglich betreut wird'"). 23. Die Kreuzkirche in Favoriten, Hausergasse Als ich am 25. April 1962 nach längerer Zeit in die Hausergasse in Favoriten kam, um mich nach den dort angeordneten Vorarbeiten für eine Gottesdienststätte umzusehen, sah ich mich veranlaßt, auch hier persön lich Hand anzulegen. So ist das dortige Kirchlein, frei lich ein sehr kurzlebiges, wie man bald erfahren mußte, rascli in dem volkreichen Stadtviertel entstanden. Als schönsten Schmuck, ja geradezu als Kostbar keit, zierte die Altarfront dieses Heiligtums ein erschüt terndes, 2m hohes und 1'-^ m breites Bild vom gekreu zigten Christus. Man kann das sterbende Antlitz nicht betrachten, ohne zu Tränen gerührt zu werden. Leider hat ein gehässiger Feind der Kirche — man spricht von einem russischen Soldaten des letzten Krieges — dem Bild drei unselige Schnitte versetzt. Der Gekreuzigte und seine Mutter mögen dem unseligen Täter die Tat vergeben. Wenige Jahre nur hat die gute besuchte Notkirche ihren Dienst getan. Die Patres von der Heiligen Fami lie, die seit Jahren in Maria Ellend segensreich wirken, hatten die Seelsorge übernommen und den Bau einer neuen, von Prof. Holzmeister entworfenen Kirche am Puchsbaumplatz beim Baubischof der Diözese durch gesetzt. (Einige der von Prälat Gorbach errichteten Not kirchen blieben hier unerwähnt, z. B. die am 27. März 1967 geweihte Notgottesdienststätte in Wien XI, Geiselbergstraße 13, ..Maria Verkündigung". Dort lebte Govbach bis zum April 1971, als er krankheitshalber in seine Heimat Vorarlberg zurückkehrte. Freudig ver- ,7

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