Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Beiträge Diözesangesdiichte BE I LAQE DES WI ENER DIÖZESANBLATTES Nr.1 (Jänner 1976) 114. Jahrgang Nr.1 Wien,am 1.Jänner 1976 17.Jahrgang Inhalt: 1. Die Kardirualsbiret-Aufsetzung in der theresianisch-josephinischen Zeit. — 2. Kardinal Inrützer und die NS-2eit (Zur Wiederkehr des Geburtstages am 25. Dezember 1975). — 3. Heilig-Geist-Kirche in Edlach a. d, Rax (Nachtrag). — 4. 100 Jahre Haus der Barmherzigkeit. 1875 bis 1975. — 5. Pläne zur Studienrefoi-m an der kathol.-theol. Fakultät der k.k. Universität Wden. 1887 bis 1918. — 6. Das Wie ner Notkirchenbauwerk (Fortsetzung). — 7. Das Wiener Arsenal. 1. Die Kardlnalsbiret-Aufsetzung in der theresianisch-josephinischen Zeit*) Gottfrieda Wright Die Kardlnalsbiret-Aufsetzung gehört zu den älte sten kirchlichen Ehrenrechten, die der Papst dem Hause Österreich pro honore zugestanden hatte, sie ist aber in ihrem Wesen z. B. von der „nominatio regia" (Landesfürstliches Ernennungsrecht) bei den Bischofs ernennungen und dei' dazugehörigen weltlichen Lehenserteilung sehr wohl zu unterscheiden. Die Ein leitung dieser Arbeit bezieht sich auf diese Differenzie rung der Kardinalsernennung ad sacram purpuram durch den Papst im Gegensatz zur nominatio regia bei den Bischofsernennungen, weitem auf den Vorgang der päpstlichen „Kj-eierung" bis zur Benachrichtigung des Kaiserhofes, femer auf einiges Grundsätzliches "über die Calotte und das Biret und dessen Geschichte als Bestandteil klerikaler Amtstracht. Als Grundschema für die kirchlich-dynastischen Zeremonien der Kardinalsbiret-Aufsetzung folgt die Beschreibung der festlichen „Inauguration der Cardinäle" durch die Erteilung des Birets in der Hof kirche zu St. Augustin in Wien dui-ch Kaiser Leopold I. an den Nuntius Julio Spinola am 12. April 1667. Unter Kaiser Karl VI., im Jahr 1718, wurde die Predigt in laudem Neopurpurati abgestellt, und die nächste „Neuerung" fiel in das Jahr 1753 unter Maria-There sia, als die Trompeten und Pauken in der Kirchen musik abgeschafft wurden, damit durch dieses „bruyante" Prachtgewand die liturgische Basis des Geschehens nicht zu sehr in den Hintergrund gedrängt werde. Bei dieser Gelegenheit wei-den einige Charakteristlka des barocken Frömmigkeitsstils im kaiserlichen Wien und der Ursprung der wiedererblühten religiösen Begeisterung des 17. Jahrhunderts, sowie deren Be ziehung zum kirchlich-dynamischen Zeremoniell ange führt. Ein zentrales Hauptthema dieser Arbeit bildet die in jeder Phase ausführlich dargestellte und kommen tierte Beschreibunig der Bireterteiiung Maria-Theresias an den Nuntius Paolucci C. v. Merlini am 1. Dezember 1743 und vor allem, wie es überhaupt zu dieser ersten Bireterteiiung aus Frauenhandd) gekommeni war; Da mals ein noch nie dagewesener Präzedenzfall, dem „anfänglich verschiedene Difficulteten" zwischen Rom und Wien vorausgegangen waren,die von beiden Seiten ausdauernd und hartnäckig verteidigt wuixien. Der Wiener Hof hatte dabei sogar in allen Details des bis her bei solchen Solennitäten üblichen Zeremoniells „gesiegt". Die ehrwürdige Überzeugung vom Gottesgnadentum des habsburgischen. Herrscherhauses war unantastbar. Die außergewöhnliche Erhöhung der Souveräne im *) Aus der Diplomarbeit der kath.-theol. Fakultät. 1975, III -j- 76S. damaligen Zeitalter ließ in dieser Arbeit auch einen Exkurs über das von Karl VI. am Wiener Hof einge führte „burgundisch-spanische Zeremoniell", dessen Ursprung in der burgundischen Idee des .seigneur naturel" und dem damit verbundenen Herrschertabu zu suchen ist, angebracht erscheinen. Nicht unerwähnt konnte dabei auch die „Pietas Austriaca" bleiben, die vorerst wohl nur die religiöse Haltung als Herrscher tugend der Casa de Austria meinte, später jedoch zum Inbegriff barocker Volksfrömmigkeit in Österreich überhaupt wurde. Als besonders vorbildliches Beispiel unter den katholischen Monarchen jener Zeit wird Kaiser Leopold I. angegeben und sein in Stein ver ewigtes, demütiges „flectamus genua" als Sinnbild jener längst vergangenen, ehrfurchtsvollen Pietas Austriaca. Der Höhepunkt dieser glanzvollsten Epoche des österreichischen Barock wird unter Kaiser Karl VI. als supremus Advocatus et protector ecclesiarum er reicht — Wien wurde 1722 Erzbistum. Der Ausklang von Österreichs „goldanem Zeit alter", der Übergang unter Maria-Theresia zu einer durch den „lothringischen Einschlag" verursachten freieren Richtung und das unaufhaltsame Vordringen der rationalen Aufklärungsideen mit ihren vielfältigen Säkularisierungstendenzen kennzeichnen den mm fol genden, immer nüchterner werdenden Zeitgeist bis zu seiner letzten Konsequenz im absoluten Staatskirchentum des „Josephinismus" und bilden in dieser Arbeit den jeweils aufgezeigten Hintergrund, auf dem sich die traditionellen kirchlich-kaiserlichen Zeremonien der Kardinalsbiret-Au'fsetzungen der theresianischen und der josefinischen Zeit abspielen. Diese so bedeutsame Zeitenwende im 18. Jh., der Übergang vom überschwängLichen und begeisterungsfähigen Frömmigkeitskult des barocken Menschen noch unter Kaiser Karl VI, über Maria-Theresia zum kritisie renden, reformierenden und rationalisierenden Geist der neuen,aufgeklärten Weltanschauung im säkularisierten josefinischen Staat^rchensystem wird hinter den höfischen Kulissen begleitet vom zähen Ringen zwischen Alt und Neu, zwischen barocker Tradition und aufgeklärtem Fortschritt: sorgenvoll „glossiret" von verschiedenen beikümmerten Anmerkungen des Obersthofmeisters Fürst Khevenhüller-Metsch — er galt als der „Hohepriester strenger Etikette" — in sei nem Tagebuch, aus dem in dieser Arbeit des öfteren (damals noch) inoffizielle Details entnommen wurden, um die offiziellen und .umständlichen Berichte über die althergebrachten und ziemlich starren Formen des kirchlich-kaiserlichen Zeremoniells menschlich le bendiger aufzulockern und zu bereichern. Maria-Theresias zweite Bü'et-Erteilung, an den Kardinal Johann J. Graf v. Trautson am 10. Juni 1766 wird b^chrieben, und vor allem wird ihre dritte und letzte diesbezügliche kirchliche Funktion, die Inaugura tion Kardinals Christoph A. v. Migazzis am 2. März 1762, wieder als ein Hauptthema dieser Arbeit in vielen Details und auch biographischen Begleitumständen •1

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