Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Dr. Gebhard Müller^) und Josef Märk^), in den heute bereits abgebrochenen Notpfarrhof ein. Wir beschlossen, als bescheidenes Kollegium nach der Regel des be kannten Bartholomäus Holzhäuser^) zu leben und nach geistlicher Vollkommenheit zu streben. Die Weihe der Kirche konnte im Jahre 1932 über Wunsch der drei Vorarlberger Seelsorger mit der gern gegebenen Genehmigung unseres guten Kardinals Dr. Innitzer unser Heimatbischof, der selbstlose Gönner des Wiener Seelsorgewerkes, Dr. Sigismund Waitz, vor nehmen. Das Leben hier an der Philadelphiabrücke ließ sich wundersam an. Kein Dichter kann die Szenen schildern, die sich in den nächsten Monaten auf dem Innenhof der Namen-Jesu-Kirche abspielten. An den Abenden nach den Maiandachten oder an den Sonn tagen kam es fast täglich zu eigentlichen Volksfesten: Die vielen Besucher, Kinder und Erwachsene, standen um uns Priester, bis nach einer Stunde einer der geist lichen Herren zum Aufbruch mahnte mit den Worten: „Und jetzt ist das Spiel aus!" Heute, fast vierzig Jahre später, entbiete ich per sönlich den fast durchwegs unbekannten Besuchern der ersten Notgottesdienststätte, die ich in Wien bauen durfte, mit diesem Bericht herzlichen Gruß mit der Bitte, sie mögen dem Gründer ihrer Gottesdienststätte nicht nur ein dankbares Gedenken bewahren, solange er sich des Lebens freuen darf, sondern auch, ja be sonders dann, wenn Gott ihn in seinem vom Namen Jesu mit Glanz überstrahlten Himmel den hochheiligen Namen Jesus, der über alle Namen ist, für immer ver herrlichen läßt. Sie mögen dabei oft das wie für ihre Kirche eigens geschaffene Gebet zum heiligsten Namen Jesus verrichten: „Gott, Du hast Deinen eingeborenen Sohn zum Heiland des Menschengeschlechtes eingesetzt und ihn Jesus nennen lassen; so laß uns in Deiner Huld voll Freude schauen, dessen heiligen Namen wir auf Erden verehren. Durch Ihn unsern Herrn, der mit Dir lebt und regiert in Ewigkeit. Amen." 2. Die Maria-Namen-Kirche in Ottakring Schon 1931 hatte ich mit „Zweigroschenblatt"-Geldern in Wien XVI, Hasnerstraße/Hippgasse, wo mich immer eine hohe Pappel majestätisch begrüßte, einen großen Platz gekauft. Er hatte mehr als 100.000 S ge kostet. Heute würde man ihn nach meinem Dafürhalten nur um viele Millionen bekommen. Während meines Aufenthaltes im nahen Kloster in der Kaiserstraße plante ich beim Kauf dieses herr lichen Platzes den Bau einer großen, würdigen Kirche. Jetzt aber, nach Fertigstellung des Meidlinger Projek tes, ging mir wohl die Verbauung dieses Platzes durch den Kopf. Doch dachte ich wegen des argen Aderlasses an der Philadelphiabrücke nicht mehr an einen Prunk bau, sondern eher an eine bescheidene Holzkirche, die ich mit den Gesinnungen eines treuen Kindes der ge liebten Mutter Maria weihen zu lassen gedachte, und zwar ihrem heiligen Namen,nachdem die erste Wiener Kirche dem- Namen ihres Sohnes Jesus geweiht wurde. Die Weihe der Holzkirche wurde ebenfalls von mei nem Heimatbischof. Dr.Sigismund Waitz, vollzogen. Die ziemlich geräumige Kirdie war teilweise mit farbigen Fenstern geziert. Ihren überragenden Schmuck bildete ebenfalls'^) ein Sellemond-Kreuz. Es ist dieses Kruzifix wohl das eindrucksvollste Holzkreuz, das Wien besitzt. Es möchte einem fast wundernehmen, daß dieser er schütternde Christus nicht allgemein als zentraler An ziehungspunkt tief religiöser Christen gilt und daß nicht Wallfahrten aus entlegenen Pfarren der Stadt, ja der ganzen Erzdiözese Wien,zu diesem Gekreuzigten unter nommen werden. Würden bei solchen Wallfahrtsgottes diensten Kreuzpredigten, das fünfte Gesetzchen des Schmerzhaften Rosenkranzes gebetet und zum Schluß ein Kreuzpartikel den Wallfahrern zum Kusse gereicht, eine solche Stadtwallfahrt müßte eine außerordentliche Wirkung und Gnadenfülle nach sich ziehen. Die Seelsorge in Maria Namen übte ich ungefähr ein Jahr lang selbst als Erbauer aus: Von meiner Woh nung aus hatte ich ein Gruß- und Andachtsloch zum neuen Tabernakel herstellen lassen, weshalb ich mich von der ersten Stunde an in Maria Namen zu Hause fühlte. Einige Jahre später erwies es sich ob des er freulich starken Anschwellens der Besucherzahl - als unbedingt notwendig, an der Kirche einen Anbau zu erstellen. Den mir persönlich bekannten und unbekannten Besucherinnen, die den Namen unserer Mutter Maria und mächtigen Fürsprecherin im Himmel verehren, seien folgende Gebete besonders empfohlen: „Dein mächtiger Name, Maria, sei mir Schutz und Hilfe in allen Gefahren des Leibes und der Seele. O,Maria hilf." Und: „Maria, ohne Sünde empfangen, bitte für uns, die wir zu Dir unsere Zuflucht nehmen." 3. Die Verklärung-Christi-Kirche .,Am Tabor" Von Maria Namen in Wien XVI aus betrieb ich den Bau einer dritten Notgottesdienststätte „Am Tabor" im II. Bezirk. Ich hatte bei Streiffahrten festgestellt, daß jenseits des Kanals im 2. Bezirk in der Gegend des „Tabor" unbedingt eine Kirche gehört. Die nächsten Kirchen gegen Kai und Praterstern waren zu weit ent fernt vom Tabor, so daß die vielen hier wohnhaften Katholiken seelisch ziemlich „verhungern". Darum auf zum heiligen Kampf! Hier muß eine Notgottesdienst stätte geschaffen werden! So ging ich auf Suche nach einem Platz bzw. einem Haus. Ich stieß in der Rueppgasse auf eine stillgelegte Verarbeitungsfabrik für Häute. Der Besitzer war froh, sie loszuwerden, und so war der Handel bald abgeschlossen. Einer der sich mel denden Baumeister wurde zur Vorlage eines Verbauungsplanes eingeladen. Die Genehmigung des Magistratsamtes wurde erteilt und am 3. März des Jah res 1935 ist der schön gestaltete Kirchenraum als Taborkirche eingeweiht worden. Möge dieser Tag von den dortigen Katholiken immer vorgemerkt und als Fest des Dankes gefeiert werden. Beim Altar wurde abermals ein kunstvoller Sellemond-Christus angebracht. Bei der Säule nahe dem Eingang habe ich das zu jener Zeit aus dem Heiligen Land vom Berge Tabor mitgebrachte heilige Steinchen in eine Nische eingelassen, wodurch der dieser Gottes dienststätte gegebene Name „Taborkirche" als begrün det erschien; der Platz unweit der Kirche ist gleichfalls Am Tabor im Stadtplan vei'merkt. Drei schöne Glocken läuteten von jetzt an vom kleinen Türmchen über die Dächer der vielen Häuser und luden die Willigen zum Gottesdienst ein. Die ..Un willigen" bringt man mit Kanonenschüssen nicht dort hin, wo sie ihr Glück und ihre Ruhe finden würden. Im 1. Stock schlug der bisherige Seelsorger von Maria Namen sein Quartier auf, und es war ihm eine neue schöne Aufgabe gestellt, nämlich die Kirchengemeinde Am Tabor aufzubauen. Rechts des Kirchenraumes wurde in einem ehemaligen Fabrikslagerraum ein ..Festsaal" eingerichtet, in welchem Vortragsabende und Familienfeiern veranstaltet sowie Theaterstücke aufgeführt wurden. Bald stellte sich von den Missionaren des Kost baren Blutes ein würdiges Mitglied als Helfer beim Gottesdienst zur Verfügung. Durch die Missionare von der Kongregation des heiligen Kaspar de Bufalo bin ich Am Tabor, wie schon gemeldet, von der Seelsorgearbeit bald entlastet worden. Daher war ich frei für weitere Gründungen. Den vielen lieben Gläubigen Am Tabor rufe ich heute, viele Jahre später zu: „Harret aus Am Tabor dieser Erde, ja harret aus, ist audi euer Leben Am Tabor verbunden mit Mühe und Arbeit. Harret aus! Und will das Werkel gar nicht mehr reibungslos weiter laufen, dann betet, liebe Taborleute, das Gebet am Fest der Verklärung Christi: ,Herr, heilige die Werke, die wir verrichten durch die glorreiche Verklärung deines Eingeborenen und reinige uns durch den Glanz seines Lichtes von den Makeln der Sünden durch ihn unsem Herrn.'" 4. Eine Andachtsstätte in der Klosterneuburger Straße Von der Taborkirche aus war es möglich, in der Pfarre St. Brigitta an der Klosterneuburger Straße 10 eine Gottesdienststätte zu errichten, „aus dem Nichts" zu schaffen. Ich mietete diesen Raum,ein aufgelassenes Bierlokal, wo es oftmals bestimmt sehr lebhaft zu gegangen war, und richtete eine recht liebliche An46

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