geführten Kirdienbeiträge dürfen keineswegs als kir chenfreundliche Maßnahme verstanden werden, viel mehr sollten die Katholiken auf diese Weise der Kirche entfremdet werden. Diese Maßnahme steht in engem Zusammenhang mit einer großen Kampagne für den Klrdnenaustritt (geschätzte Zahl 300.000®)), in deren Verlauf auch vor Druck und Zwang auf den einzelnen Kirchenangehörigen nicht zurückgeschreckt wurde. Im Unterschied dazu waren Versuche, nach reichsdeutschem Vorbild die Spaltung in die Reihen dei: Kirche hineinzutragen, wie z. B. die „Arbeitsgemeinschaft für den religiösen Frieden", angesichts der Geschlossenheit und Entschlossenheit der Katholischen Kirche in Öster reich zum Scheitern verurteilt. Die Bestrebungen des NS-Staates, das gesamte Schrifttum nationalsozialistisch auszurichten bzw. unter seine Kontrolle zu bringen, führten zu zuneh mender Behinderung, Einschränkung und Verbot des vor dem März 1938 umfangreichen katholischen Schrifttums. Flugblätter, später auch Pfarrblätter und sonstige religiöse Zeitschriften wurden untersagt, nur noch das amtliche „Wiener Diözesanblatt" konnte unter großer Vorsicht weiter erscheinen. Auch Vei*- suche, durch hektrographierte Publikationen Ersatz zu schaffen, wurden erschwert und schließlich unter bunden. Kaum ein Schriftleiter eines Pfarrblattes blieb von Maßregelungen verschont. Die Spannungen zwischen dem NS-Regime und der katholischen Kirche in Österreich kamen in der großen Ausschreitung vom 8. Oktober 1938 offen zum Ausbruch, als als Repressalie auf eine katholische Ju gendkundgebung vom Vortag das Erzbischöfliche Palais von jugendlichen Nationalsozialisten gestürmt und ver wüstet und Jagd auf Priester gemacht wurde. Auch in der Folgezeit kam es da und dort zu einzelnen Aktio nen gegen die Kirche und ihre Anhänger. Meist han delte es sich dabei um Übergriffe untergeordneter NSStellen und -Gliederungen, während die offiziellen Ver folgungsmaßnahmen möglichst unbemerkt von der mehrheitlich katholischen Bevölkerung vor sich gehen sollten. Zu letzteren gehörte vor allem auch die Be spitzelung und Überwachung der Geistlichen, die den Madithabem die Handhabe zu weiteren Maßnahmen geben sollten. Die NS-Rassenverfolgung traf auch die katholische Kirche furchtbar, wobei der Kreis der Verfolgten weit über die in der Dokumentation angeführten Fälle hin ausging und etwa ein Dutzend Priester und Ordens angehörige sowie Tausende getaufte Juden umfaßte. Die Kirdie bemühte sich im Rahmen ihrer Möglich keiten, den Verfolgten zu helfen. So wurde unter ande rem eine Hilfsstelle im Erzbischöflichen Palais unter persönlicher Leitung von Kardinal Innitzer und dessen Beauftragtem, Pater Born, S. J., geschaffen, worüber leider keine Dokumente zur Verfügung standen. Nicht wenige Priester haben darüber hinaus auf eigenes Risiko in der verschiedensten Weise, vor allem bei der Dokumentenbeschaffung, geholfen. Auch durch das un menschliche Vorhaben der Euthanasie („Ausmerzung lebensunwerten Lebens") hatte jede Pfarre Opfer zu beklagen, doch sind infolge der strengen Geheimhal tung auch darüber keinerlei Dokumente vorhanden''). Diese Fälle wurden lediglich durch die zahlreichen Urneneinsegnungen dem engsten Kreis bekannt. Mit der Verschärfung der antikatholischen Haltung der NS-Behörden wurden zahlreiche Kleriker wegen angeblicher NS-feindlicher Haltung und Äußerungen zur Gestapo vorgeladen, wo sie meist verwarnt und im Wiederholungsfälle gemaßregelt oder ausgewiesen wurden. Einige besonders interessante Fälle sind in der Dokumentation berücksichtigt. Da die Maßnahmen der NS-Behörden in zunehmendem Maße auch in den Be reich der seelsorglichen Tätigkeit eingriffen und diese einschränkten, waren viele Seelsorger in Ausübung ihrer Pflicht gezwungen, sich über gewisse Anordnun gen hinwegzusetzen, und gerieten deswegen mit den NS-Behörden in Konflikt. Selbst so harmlose Aktivitä ten, wie Bibel-, Jugend- und Kinderstunden, wurden als „illegal" beanstandet. Die Herstenung und Verbrei tung NS-feindlicher Schriften, wie sie z. B. Pater Lanz und Schwester Restituta unternahmen, gehörte bereits zum Bereich des offenen Widerstandes, so aaß sich die Kirche offiziell nicht dazu bekennen konnte und solche Aktivitäten formell untersagen mußte. Alle diese „illegalen" und halblegalen Aktivitäten müssen als Ausdruck der seelisch-geistigen Notlage der Geistlichen und ihrer Mitarbeiter verstanden werden. Der ausgesprochene Widerstand katholischer Prie ster und Ordensangehöriger, die Tätigkeit in organi sierten Widerstandsgruppen, wird zum Großteil, da sie ja in der"Regel gemeinsam mit Laien erfolgte, an ande rer Stelle (im Kapitel „Katholisch-konservativer Vviderstand") behandelt. Ebenso wurden bei den . ver botenen Aktivitäten katholischer Laien nur solche Fälle herangezogen, die in unmittelbarem Zusammen hang mit der Kirche standen. Nicht zum Ausdruck kommt in den Dokumenten die große Zahl von Schika nierungen, Gehässigkeiten und dergleichen Übel, mit denen Kleriker wie Laien ständig von den National sozialisten konfrontiert wurden. Was den Widerstand der katholischen Kirdie an geht, so sei nochmals betont, daß er von Anfang an spürbar und wirksam war, jedoch vom Wesen des Christentums und der Kirche her gesehen, sich auf einer anderen Ebene abspielte und vornehmlich mit geistigen und geistlichen Waffen geführt wurde und werden mußte. Und er war wirksam und den Machthabern sichtlich unangenehm. Daher standen Christen tum und Kirche auf dem Vernichtungsprogramm nach dem „Endsieg"*'). Was Prälat Fried bereits anzudeuten vermochte, hat Prälat Dr. Karl Rudolf in seinem um fassenden Werk „Aufbau im Widerstand. Ein Seel sorgebericht aus Österreich 1938—1945" (1947, Verlag Otto Müller, Salzburg) auf 453 Seiten eindrucksvoll dargestellt. Als mutiger Inuiator, unermüdlicher Mode rator und optimistischer Hauptakteur war Rudolf, der Leiter des Seelsorgeamtes der Erzoiözese Wien, der bestinformierte Gewährsmann und konnte somit ein Zeugenwerk einmaliger Art für die Zeitgeschichte schaffen. Er zeigt in seinem Werk, daß die Erfüllung des göttlichen Auftrages in einem christentumsfeind lichen, bis zum Grund verweltlichten, totalitaristischen Staat von selbst „Widerstand" gegen den substanziellen Willen dieses Staates werden mußte — und daß ohne das Wirken der Kirche in Österreich die seelische Selbsterhaltung des katholischen Volkes gegen die Be drohung des Nationalsozialismus nicht möglich ge wesen wäre.Es bedurfte keiner im engeren Sinne „poli tischen" Aktion der Kirche gegen den Nationalsozialis mus: die Aufbauarbeit der Seelsorge war an sich schon die Errichtung einer für die „Bewegung" trotz aller Machtmittel uneinnehmbaren Festung. Mit einem Eingeständnis sei geschlossen: „Die Ge schichte des Katholizismus in den Jahren 1938—1945 ist nicht nur eine Gesdiichte der Hingabe an das Glau bensideal bis zum Martyrium und zum Tode, sondern auch eine solche unentschuldbarer oder mehr oder weniger verzeihlicher Irrtümer gewesen"®). Inhaltsübersicht 1. NS-Verfolgungsmaßnahmen gegen die katholische Kirche. a) Aufhebung von Klöstern, Kirchen und kirch lichem Vermögen. b) Auflösung, Enteignung und Diskriminierung von kirchlichen und katholischen Vereinen. c) Behinderung der Seelsorge, des Religionsunter richtes und anderer kirchlicher Einrichtungen und Aktivitäten. d) Unterdrückung des religiös-kirchlichen Schrift tums, e) NS-Abfalls- und -Spaltungspropaganda, f) Die Ausschreitungen im Oktober 1938. g) Andere Ausschreitungen und Religionsstörun gen. h) Überwachung und Bespitzelung. 2. Verfolgung und Widerstand von Priestern und Ordensangehörigen. a) „Rassische" Verfolgung von Priestern. 42
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