lieh erkennbar. Während die Besitzerin der Grund herrschaft im 18. Jahrhundert die Pfarrerrichtung an gestrebt hatte, wurde sie nun im 19. Jahrhundert — vorbereitet vom Kirchenbauverein — von der Bürger initiative durchgesetzt. Kurz nach dem Tod der Kaiserin Elisabeth wurde die neugotische Pfarrkirche zum Hl. Laurentius in Gegenwart des trauernden Kaisers geweiht, einige Monate später die Pfarre kanonisch errichtet. Die Auseinandersetzungen um die finanzielle Bewältigung des Kirchenbaues verliefen im Wiener Gemeinderat sehr stürmisch, wobei die ver änderte Atmosphäre und die veränderte Einstellung zur Religion — sie war durch den Liberalismus bestimmt und von der christlich-sozialen Opposition geprägt — zum Ausdruck kommen. Von diesem Standort ergeben sich interessante Einblicke in ein noch zum Großteil unbearbeitetes Forschungsgebiet: Kirchenpolitik im Wiener Gemeinderat. In dem Kapitel, in dem der Verfasser das 20. Jahr hundert an Hand von Biographien der einzelnen Pfarr herren behandelt, wird eindrucksvoll die Entwicklung des kirchlichen Lebens, die schließlich zum zweiten Vatikanischen Konzil geführt hat und aus der heraus nur jene komplexe Sicht möglich wurde, die das Zu sammenwirken von profaner und kirchlicher Admini stration zeigt, dargestellt. Diese profunde, wissenschaftlich sehr sorgfältig belegte Arbeit wurde bewußt in einem einfachen Stil abgefaßt, um einem breiteren Leserkreis verständlich zu werden. Das wird jedem aufmerksamen Leser die ser Pfarrgeschichte, die nicht nur einen ausgezeichne ten Beitrag zur Geschichte der kirchlichen Organisa tion und Administration in Österreich, sondern auch zur Geschichte der Stadt Wien darstellt, auffallen. Ihr Druck wird vorbereitet. Anmerkungen: J. R. RUSEJ, Joseph II. und die äußere Kirchenverfassung Innerösterreichs. Kirchenrechtliche Abhandlungen, herausgegeben v. Ulrich Stutz 49/50 (1908). — Michael MITTERAUER, Zur räumlichen Ordnung Österreichs in der frühen Babenbergerzeit. MIÖG 78 (1970), 94—120; ders.. Die Pfarre und ländliche Gemeinde. Historische Grundlagen eines aktuellen Raumordnungsproblems. Beiträge zur histo rischen Sozialkunde 2/3 (1972), 48—54, Michael ERBE, Pfarrkirche und Dorf (1973). "^) Herbert KRÜCKEL, Joachimsberg und die josephinische Pfarreguliei-ung. Unsere Heimat 45 (1974), 105 ff, Gottfried SCHOLZ, Geschichte der Pfarre Hütteldorf (phil. Diss. Wien 1964). — ^) Gerhard Winner, Uber nö. Pfarrarchive und die Quellenlage für Pfarrgeschichten der neuesten Zeit. Unsere Heimat 45 (1974), 24—39. — ") Wilhelm Bauer. Einführung in das Studium der Geschichte (1961)^, 157. Dr. Franz Loidl 45. Das Erscheinungsbild des Pfarrers Im 15., 16. und 17. Jahrhundert (Schluß) II/8 Der nächste Bewerber, Wolf Insilkamer, Pfarrer von Oberwaltersdorf,sagte von sich, daß er vor 15 Jahren „aus sonderlich Schickhung vnd Eingebung des heiligen geists, den Priesterlichen stannt er wollet... vom Herrn Bischoven vnd Cardinal zu Augspurg ordinieren lassen"^"^), aber die genauen Er kundigungen des „Thumb Probst zu Wien auch Passauerischer Official" Klesl ergaben, daß er ein Polterer und Pocher, „sich zu -mermalen vberweint vnd in der Religion nit vast eifrig sondern in allen Sachen ganz schläfrig vnd lindt"^'-^). Insilhamer wurde abgewiesen aber die Pfarrei war verwaist, obwohl „Richter vnnd Rath des Markhtes Pottenstain samt ainer gantzen Ersamen Pfarr Mähnig" in ihren Bittgesuchen anführ ten, alles gern zu leisten, was man einem Pfarrherrn schuldig wäre''-^). Erst Jänner 1587 wurde Michael Pistor, ein Mainzer, als Provisor eingesetzt, dessen erste Aufgabe es sein sollte, die angelaufenen Schulden abzu tragen. Schon nach einigem Wirken in der Pfarrei wurde ihm bedeutet, er solle sich im Landhaus zum Arrest stellen und er werde nicht hinauskommen, bis der Ausstand samt Interessen und Strafgebühren be zahlt wäre,denn die Landstände duldeten kein weiteres Anwachsen der Steuerrückstände'"). Pistor rechtfertigte sich, daß er in den sechs Wochen seit seiner Bestellung nicht die Steuern dreier Jahre bezahlen könne, ins besondere, da er keine Einnahmen habe; die Gi'undbücher gab Franz v. Fizin nicht heraus und der Pfarrer war daher auf den guten Willen der Untertanen ange wiesen. II/9 1590 wurde Mathäus Kirwag zum Pfarrer er nannt. Er fand seinen Vorgänger, der in der Pfarrei weitergewirkt hatte „jählingen vnd Also auf dem An gesicht ligunt verschiden in seinem gartl"^")' Er selbst resignierte schon nach einem Jahr, „weil mir derselben Pfarr Mühe und Arbeit wegen meiner oft fürfallenden Leibsschwachheit zu schwer... wollen Ew. F. D. mich derselben gnädiglich entledigen"'^''). 11/10 Der neue Herrschaftspfleger Jonas v. Heißperg (Fizdn war 1585 gestorben) empfahl einen jungen Priester namens Paul Heymann, der 1591 ernannt wurde. Er hatte fünf Jahre an der Wiener Universität bei den Jesuiten studiert und war vor allem ein guter Prediger und priesterlichen Wandels**'). II/ll Nach seinem Rücktritt folgte 1595 Johannes Rumitius im Amte, der vorher Provisor in Baden ge wesen war. Es kam mit der Gemeinde St. Veit zu Zwistigkeiten, weil er ihnen keinen Kaplan stellte. Er behauptete, sich keinen leisten zu können, sie aber beschuldigten ihn, daß er „ein halbes Jahr da haust, schon ein Reitroß haben muß und eine Köchin. Dieser Beischläferin muß er auch Roß und Wagen halten und sie stattlicher herausstaffleren als eine Bürgerin und sein Eheweib"'**'). Voll Zorn kam der Pfarrer abends ins Dorf geritten, stieß den Richter mit groben Worten vor die Brust, bedrohte ihn mit Knüttel und Peitsche, wollte ihn erschießen, wenn er seine Pistole mit hätte. Er schrie: Ihr habt mir meinen Zehent gestohlen... jährlich in die 20011! Die St. Veiter beschwerten sich beim Passauer Offlzial und als sich ihre Wünsche nicht erfüllten bei der anderen Instanz, dem Klosterrat. Das Offlzialat betrachtete das Einschreiten des Klosterrates als Eingriff in seine Jurisdiktion, da sie die „Passauri schen nit leiden oder gedulden wollen" und der Klosterrat verteidigte sich, daß es ihm bloß um die Temporalien gehe. Die Kompetenzstreitigkeiten der Behörden erschwerten erfolgreiche Arbeit. Die Über prüfung ergab, daß der Pfarrer wirldich sechs, sieben „vnnd merren Wochen khain Gottesdienst alda zu St. Veit gehalten noch halten lassen... mit einer concubin vnnd aines ergerlichen Lebens seye". Rumitius versprach hierauf seine Konkubine zu entfernen und von nun an besser für den Gottesdienst zu sorgen, erst dann wurde ihm die Fechsung zugestanden. Aber auch er konnte die schwere Anklage gegen die St. Veiter erheben, daß sie nach Kottingbrunn zu einem Prädikanten ausliefen, ihn sogar im Dorf freudigst auf nahmen und in die Kirche führten. Als dieser 1598 wieder kommen wollte, sorgte der Pfarrer, daß die Kirche verschlossen blieb"*®). II Zusammenfassung. Die mächtige Kirche des Mit telalters existiert nicht mehr, darum könnte der Um bruch im Bild des Pfarrers nicht schärfer sein. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gibt es keine Pfarr herrn mehr im alten Stil; in gebildeten und adeligen Kreisen, soweit sie noch katholisch waren, bildete eine Pfarre keinen Reiz mehr, noch dazu, da die Einkünfte durch die Übergriffe der weltlichen Herrschaft sehr geschmälert waren. Übrig blieben die Leutpriester, die an Ort und Stelle die Seelsorge betrieben und schnell von Pfarre zu Pfarre wechselten; über einen Pfarrer klagt der Herrschaftsbesitzer, daß „sein vatter awct ain pawr ist zu pottnstain, der ratt Im albeg er sollt Jagenn vnd Fischen..."®®). Wegen des immer bedroh licheren Priestermangels müssen von auswärts kom mende Priester aufgenommen werden, die wohl schon 38
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