Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

starb, geriet Pfarrer Stephan in die Gewalt des Kai sers. Um seine Gnade zu erlangen, setzte er den Kaiser zum Erben ein und wurde auf Fürbitte mächtiger Freunde im folgenden Jahr aus der „Bewahrung" entlassen; außerdem mußte er dem Kaiser Urfehde schwören^'). Stephan machte dem Stift Mariazell in Österreich eine glänzende Stiftung: 2 Häuser zwischen der Johan nesgasse und der Pippingerstraße (jetzt Annagle) wurden zum Mariazeller Hof, an dessen Stelle sich jetzt das Hofkammerarchiv befindet. An diese Schenkung erinnert ein prachtvolles spätgotisches Relief, im Hof des Gebäudes eingemauert, das Stephan in priester licher Kleidung zeigt, wie er das Haus der Mutter gottes überreicht^®). Zum Dank dafür steht im Nekro log von Kleinmariazell: Generosus et nobilis Dominus Stephan de Hohenberg, sacri palatii prbt et frater noster qui plurima nobis contulit bona. I Zusammenfassung. Die Pfarrherren des 15. Jh. waren, wie der Name sagt, große Herren; nächst den Bischöfen repräsentierten sie die mächtige Kirche des Mittelalters. Wohlhabende Pfarreien sind für sie in erster Linie Pfründen zu ihrer Versorgung,da sie ander wärts mannigfach beschäftigt sind: In politischer Mis sion im Dienst des Landesherrn, durch hohe kirchliche Ämter, als Fürstenerzieher wie gelehrte Prediger. Sie stammen aus adeligen oder angesehenen Familien, haben studiert, sind reich und ihre Stellung ist ange sehen: ihre Pfarreien besitzen sie lange Zeit und er freuen sich des cumulus beneficiorum. Der Lebenswan del mancher Geistlicher ist nicht einwandfrei, was von den Anhängern der Sekten angeprangert wird. Für ihre Pfarreien sorgen sie, indem sie die bestehenden Privile gien bestätigen lassen bzw. neue erwerben; sie machen für ihre Pfarreien reiche Meßstiftungen und sind auch an der Verschönerung ihrer Kirchen interessiert; Pot tenstein erhält z. B. Ende des 15. Jhs. ein schönes schmiedeeisernes Gitter für das Sakramentshäuschen. Der finanziellen Lage entsprechend gibt es oft Strei tigkeiten über die Zehentablieferung. Für die religiö sen Bedürfnisse der Gläubigen ist ein Pfarrvikar zu ständig, schlichter Abstammung, der vom Pfarrherrn aufgenommen, entlohnt und entlassen wird. II/l Um die Mitte des 16. Jh. ist das Bild des Pfar rers völlig anders geworden, was einige Beispiele auf weisen. Johannes Ackermann war Cistercienser in Heiligenkreuz gewesen, hatte 1547 das Amt des Kel lermeisters und Priors inne, machte sich sogar Hoff nung, zum Abt gewählt zu werden. Als sich das nicht erfüllte und er dem neuen Abt nicht gehorchen wollte, wurde ihm die erbetene Dimission aus dem Kloster gewährt. Der Abt von Säusenstein nahm ihn auf und vertraute ihm eine Pfarrei an, dann besaß er von 1551 bis 1555 Pottenstein. Es wurde unter den Bürgern eifrig über die alte und neue Lehre gestritten, Dabei herrschte die größte Verworrenheit: Es mochte sich einer für neugläubig halten, der durchaus katholische Lehren vertrat, und umgekehrt.Ein Schustermeister von Pottenstein geriet mit dem Pfarrer in so argen Streit, daß sie in der Kirche handgemein wurden. Pfarrer Ackermann beschwerte sich, daß dei* Schuster ein Sek tierer sei und ihn mißhandelt habe. Die Untersuchung erwies, daß der Schuster katholisch war und dem Pfarrer eine akatholische Lehre vorgeworfen hatte^"). II/2 Der folgende Pfarrer, Nikolaus Mateil, 1555— 1562, hatte mit dem Herrschaftsbesitzer Franz von Fizin schweren Streit wegen der Jagd- und Fischerei rechte. Fizin klagte, der Pfarrer habe sich ..horren vnd mir sagen lassen Er hatt auff E. Mtt. gründen fyschwasser, Zw Jagen vnnd uw Fyschen, vnnd mitt schmachlichen wortten gesaggt Er woll mich Erschyssen Oder Ich muß Im Erschissen so ich doch mitt Im mein Leben lang nyx zwlhun gehabtt hab". Als sich einige Bauern gegen den Grundherrn empörten, stand Pfarrer Mateil auf ihrer Seite und saß mit ihnen zu Pernitz gern beim Wein^®); wenige Jahre später (1565) kam es tatsächlich zu einem Feuerüberfall auf den Herrschaftsbesitzer-^). II/3 Der nächste Pfarrer, Urban Stainegg, 1563— 1566, nahm sich den vom Bischof Paul von Ilaab ge weihten Martin Vischer zum Kaplan, obwohl er wußte, daß es dieser mit der neuen Lehre hielt. Auch der 1568 gegründete Klosterrat konnte es bei der herr schenden Priesternot nicht so genau nehmen, ob jeder Kandidat in den Dogmen fest und zölibatär lebe, son dern drückte beide Augen zu, wenn ein Priester das Pfarrvermögen zusammenhielt und gegen grundherr liche Ubergriffe verteidigte^). Vischer, der seinen Namen der Sitte der Zeit gemäß in Piscator latinisiert hatte, erhielt den Auftrag nachzuforschen, und meldete der Behörde, daß Hanns der Inprugger auf Neuhaus drei behauste Güter der Pfarre entfremdet habe und sich den Zehent einiger Ortschaften aneigne, daß Eras mus von Scherffenberg einen der Pfarre zehentpflichtigen Hof an sich gezogen, und daß sich Franz v. Fizin über die Pfarrei Lehensherrschaft und Vogteigewalt anmaße-®). II/4 Als Pfarrer Stainegg auf die Pfarre Grillen berg wechselte, blieb Vischer als Provisor in Potten stein bis 1575. Wegen seines Geschicks in der Verwal tung der Pfarrgüter befürwortete der Klosterrat seine Ernennung zum Pfarrer und nennt ihn „ainen feinen wesentlichen Priester so nach der alten katholischen Religion und zu solcher Pfarr wohl qualifiziert"^). Das Passauer Offizialat lehnte mit gutem Grund ab, denn schon 1575 wurde Vischer als protestantischer Px'ediger nach Tribuswinkel vociert. II/5 Franz v. Fizin übte nun seine vorgebliche Lehensgewalt aus und setzte ohne Wissen der höheren Behörden Jodok Nulianus ein (latinisiert aus Kainzig); das geschah,indem er ihm die Schlüssel zu Kirche und Pfarrhof schickte und den Marktrichter beauftragte, den neuen Pfarrer einzuführen. Nullanus hatte die Priesterweihe angeblich vom Bischof Urban, dem Administrator von Wien erhalten; eine Zeit lang war er bei den Schotten Benediktiner gewesen, verließ aber mit Erlaubnis des Prälaten das Kloster. Axis Piesting war er wegen seiner sektiererischen Gesinnung ver drängt worden, von Franz v. Fizin aufgenommen, er hielt das bischöfliche Consistorium die Meldung der vollzogenen Tatsache. Der ungebildete Mann, der kaum lesen und nicht schreiben konnte'-^), belcam unter dem 6. 4. 1576 die Cura Animarum für ein Jahr zugestanden. Zwei Jahre später schützte Nullanus einen flacianisch gesinnten Prediger, den er oder Fizin in St. Veit ein gesetzt hatte. Krispinus Schnitzer wurde vor das Consistorium geladen, weil man mutmaßte, er wäre überhaupt nicht katholisch geweiht. Pfarrer Nullanus führte ihn bis vor die Tür des Offizials, ließ ihn aber dort laufen. Schnitzer schrieb eine Verantwortung, die er dem Consistorium übersandte: Er gab zu, daß er bei der Messe oft das Konsekrieren übersehen hätte und darum die St. Veiter seinen Wein und Brot aus gespuckt hätten. Er hätte die Wandlung aber nur aus Schrecken ausgelassen, weil die Leute bei ihrem Sin gen so entsetzlich schreien und brüllen. Wegen dieses Schreiens habe er schon einmal einem mit der Hacke über den Kopf geschlagen. Steuern könne er nicht zah len, da Fizin die ganzen Pfarrgüter an sich gezogen habe. Schnitzer gab zu, nicht katholisch geweiht zu sein, wäre aber bereit, die Weihe auf sich zu nehmen, wenn man ihm sein Weib gestatte®®). Am 28. Jänner 1579 wurde er suspendiert, aber auch das Verhalten des Pottenstelner Pfarrers war so verdächtig, daß der Abt Kaspar Hofmann von Mariazell den Auftrag er hielt, die kirchlichen Zustände zu untersuchen. Der Klosterrat wußte nämlich nicht, ob Nullanus über haupt noch in Pottenstein sei®"). Die Nachprüfung ergab, daß er zwar nicht von der Pfarrei abgestanden, wohl aber sehr weit vom katholischen Glauben. Er be saß keine Formata, d. h. Weihezeugnisse und be hauptete, daß die Messe durch das Gewohnheitsrecht längst abgeschafft sei. Er zelebrierte an den Sonn- und hohen Feiertagen nach der Ordnung der Augsburger Konfession: Nach der Predigt singe man das Sanctus und dann singe er in deutscher Sprache die Einset zungsworte, und zwar mit dem Gesicht zum Volk. Lich ter werden nicht verwendet und auch die Beichte wäre schon lange nicht mehr üblich, sondern er, Nullanus, fertige so zwanzig, dreißig zugleich ab. Bei der Taufe 31

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