Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

so lange sie die Geldstrafe nicht erlegen, 150 Gulden Geldstrafe vorgeschrieben werden. „Undt wird sich auch die geistlichkeit", heißt es weiter, „umb desto minder entschlissen mögen, abgedachten unseren gesatz sich zu fügen, nachdeme dermahlen jene Deser teurs, so von denen landst-Insassen und Inwohnern geliffert werden, mit der Todts Straff verschonet blei ben". Punkt 7 droht für Unterlassung der Anzeige oder Verhaftung drei Jahre Festungsarbeit „nach vorheriger Stellung auf die bihne" an, und Punkt 8 für Wieder holung der Übertretungen die doppelte Strafe. Gehe es um einen noch nicht assentierten Rekruten, dann sei die Strafe den Umständen gemäß, und zwar „eines operis publici", festzulegen. Eigens werden dabei auch die geistlichen und weltlichen Obrigkeiten genannt, die dafür mit der halben Geldstrafe zu belegen seien. Punkt 9 betrifft Milderungen aus Verwandtschafts gründen (Tom. VII pag. 7ff.). Anm.: i) Der volle Titel lautet: Protocollum ecclesiae aulico-Caesarea & conventns FF. Eremitarum Discal. S. N.P. Augustini... Diese 7 Bände wurden um 1760 zusammengetragen und stehen derzeit im Archiv von St. Augustin, Wien I. — In der Randanmerkung wird er als miles gregarius, als zur Herde gehöriger, d. i. gemeiner Soldat, im Gegensatz zum Offizier, be zeichnet. — Die „Gänßweyd" wurde deshalb zum Richtplatz, heißt es in der Chronik, weil die Kaiserin „an solchen orthen kein öffentliches Gericht, als da galgen, pfäl, Reder Creitz etc. mehr leyden wollte, wo sie öfters vorbey zu fahren pfleget". Und dazu war dieser Platz am rechten Ufer des Donauarmes (heute Kanal) geeignet. Aus genanntem Grund hatte Maria Theresia im "Sommer 1747 das sog. „Reder Creitz oder Richtstatt zum Rädern, sambt dem Galgen auf dem Wienerberg abtragen und rasieren lassen" (Tom. VI pag. 125). — Tatsächlich war aber die Gänseweide schon seit dem Spätmittelalter Richtstätte, in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts freilich vor allem für Militärpersonen. Siehe R. Groner, Wien wie es war, S. 127 f. — •») Von arguere (lat.) = bezeihen, anklagen, überführen. — Die war als kaiserliche Bruderschaft 1625 geplant und 1639 gegründet worden und widmete sich der leiblichen und geistlichen Pflege der Ein gekerkerten und der Sorge für das Begräbnis der Hin gerichteten. Da aber die Betreuung der Sträflinge bald alleiniges Recht der Jesuiten geworden war, blieb der Bruderschaft tatsächlich nur noch die Sorge um die Toten. Zur Richtstätte gingen gewöhnlich zwei Augu stiner und zwölf Mitglieder mit verkappten Gesichtern, in schwarzer Kutte und schwarzem Mantel mit; von dort trugen dann sechs den Leichnam auf ihren Schultern zum Armen-Sünder-Acker. Fr. Loidl, Men schen im Barock, S. 123. — «) Da die Bruderschaft damals der Exekution nicht beigewohnt hatte, konnte sie die Leichen erst nach Ausstellung eines Reverses durch den Obersten übernehmen, sonst wäre ihr Han deln nicht den Statuten conform gewesen. Der Leich nam des Jüngeren wurde von der Regierung „zum Anatomieren" freigegeben (Tom VI pag. 29 f.). — ') Diesmal war die Bruderschaft auch zur Execution geladen worden(Tom VI pag. 124). — ») Als Ergänzung kam noch hinzu, daß solch ein Ratgeber vor seiner Ab führung auf die Festung drei Tage „auf einer Binne (Bühne) mit an der Brust anhangenden und das Ver brechen sambt der Straff mit großen vmd wohlleser lichen Buchstaben enthaltenen Urtl zu jedermanns Wahrnung und mehreren Eindruck, auch abschröckung von sothanen Verbrechen aus und vorgestellt werden" solle (Tom VII pag. 11). — Nachdruck: Unsere Heimat, Monatsbl. d. Ver. f. Landeskunde v. Nö. u. Wien. Jg. 27 (1956), S. 172—174. 29. Das Erscheinungsbild des Pfarrers im 15., 16. und 17. Jahrhundert Dr. phil. Walter Strauss Es sollen in diesem Artikel eine Anzahl Pfarrer vorgestellt werden, die alle in Pottenstein gewirkt haben. Aus der Fülle von Einzelheiten wird sich der Schluß auf die allgemeine Lage der Kirche in Nieder österreich im 15. bis 17. Jahrhundert ergeben^). Iii Dem Anfang des 15. Jh. gehört Pfarrer Andreas von Grillenberg an, geboren um 1360 in Pottenstein. — Er stammte aus einer wohlhabenden. Familie, hat aber mit dem alten Grafengeschlecht von Pottenstein nichts zu tun"-^). Seine Pfarrei ist bis heute dem Stift Melk inkorporiert und wurde damals Weltpriestern in ge hobener Stellung als reiche Pfründe verliehen, um dem Stift einflußreiche Freunde zu verschaffen. Andreas war in der Kanzlei Herzog Wilhelms beschäftigt (ge storben 1406) und führte u. a. die diplomatischen Ver handlungen, die seinem Herrn die gewünschte Braut aus Italien bringen sollten. Die Kleine Klostemeuburger Chronik erzählt: „In dem selben Jar hueb sich die rayss und bottschafft ans und ging von herczog wilhaLmb wegen und die jungckhfrawen von poUen." Der Vater der Erwählten war Karl III. von Durazzo, König von Neapel, der nach dem Tode König Ludwigs d. G. von Anjou Ungarn und Polen beanspruchte. „Der von Freysing (gemeint ist Bischof Berthold von Frei sing), der pfarherr von grilnperg und der graff von sulcz hatten vill arbeit und rausch darumben." Beim feierlichen Einzug in Wien, an dem auch Andreas teil nahm,fiel allgemein der Reisewagen der jungen Köni gin auf, der gläserne Fenster besaß, Luxus und Kost barkeit der frühen italienischen Renaissance^). Den politischen Aufgaben folgten geistliche Wür den. Ab 1409 wurde Andreas zuerst Vizeoffizial und bald darauf Passauer Offizial in Wien, d. h. Stellver treter jenes Bischofs, zu dessen Diözese der Großteil des heutigen Niederösterreich gehörte, also ein sehr bedeutsamer Posten mit dem Amtssitz bei Maria am Gestade. Als Offlzial mußte er gegen die Lehre Wicliffs einschreiten, die der Freund des Dr. Hus, Magister Hieronymus von Prag, 1410 in Wien nicht ohne Erfolg zu verbreiten suchte. Andreas lud ihn vor sein Gericht, wo er versprach, sich dem Urteil zu unterwerfen und die Stadt vor Abschluß des Prozesses nicht zu verlassen. Er zog es aber doch vor, nach Mäh ren zu fliehen und schrieb an den Offizial, wobei er die Worte des Psalmes 123, 7 hämisch anwandte: „Laqueus contritus est et nos liberati sumus." Andreas ließ ihn nun während der hl. Messe öffentlich zitieren und sprach, als er begreiflicherweise nicht erschien, die Exkommunikation in schärfster Weise über ihn aus^). Ein Bürger der Stadt Wien namens Griesser setzte sich besonders eifrig für die Lehren Wicliffs und Hus ein und wurde daher vom Offlzial eingesperrt. (Tortsetzung folgt) Herausgeber, Verleger und Eigentümer: Erzb. Ordinariat, Wien I, Rotenturmstraße 2. — Verantwortlidier Schriftwalter: Archivdirektor Univ.-Prof. Dr. Franz Loidl, Wien I, Rotenturmstraße 2. — Drude und Versendung: Mechitharisten-Buchdrudcerei, Wien VII. Mechitaristengasse 4. 24

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