Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

zuletzt Kaplan in Lienz, Osttirol. Da er durch die Gestapo Gauverbot für Tirol und Kärnten erhielt, be auftragte ihn sein Bischof Dr. Rusch, nach Wien zu übersiedeln, um seine theologischen Studien fortzu setzen und den Doktorgrad zu erwerben'^®). Nach dem Tod Di'. Zimmermanns wurde er zum Anstaltsseelsorger bestellt. Am 1. Juli 1943 erteilte Kardinal Innitzer in der Pfarrkirche Kierling 104 Anstaltsklndem das Sakra ment der Firmung""). In der Anstalt wurde im September 1943 Dr. med. Emil Gelny aus Klosterneuburg zum „therapeutischen Direktor" ernannt. In der Pfarrchronik heißt es: „Die Sterblichkeit in der Landesanstalt ist jetzt besonders hoch... Da die Absicht besteht, die Landesanstalt zu einem Spital für normale Patienten, die aus den bombengeschädigten Spitälern Wiens hierher gebracht wer den sollen, umzugestalten, wurden etwa 500 Geistes kranke durch Euthanasie (meist Veronal) hier wegge räumt oder in das Altreich verschoben zum gleichen Tod. Dr. Gelny ist die causa agens und findet in dem Pflegepersonal, das unter seinem Druck steht, seine Mithelfer. In der hiesigen Pfarrkirche fanden heuer 423 kirchliche Leichenbegängnisse statt, und zwar zu den verschiedensten Stunden ... Viele Leichen wurden auf den Wiener Zentralfriedhof überführt und dort in einem Massengrabe beigesetzt"®®). Am 8. März 1944 kam die Weisung, daß alle Mäd chen des Kinderhauses bis zum 10. reisefertig sein müß ten, und die Buben bis zum 11. „In diesen wenigen Tagen empfingen noch 43 Kinder die 1. hl. Kom munion und alle übrigen verrichteten noch die Osterbeichte. Zwei Autos brachten die Mädchen und vier Autos die Buben nach Steinhof. Von dort wurden 71 Kinder als bildungsfähig teils nach Eggenburg, teils nach Biedermannsdorf und in die Erziehungsanstalt Spiegelgrund verteilt. Fast 50 Jahre hatten debile Kin der im Kinderhaus Heimat und Pflege gefunden"®®). Am 1. Mai 1944 wurde dem Seelsorger Schiemer die Wohnung in der Anstalt und die Verköstigung bei den Kreuzschwestern des Kinderheimes gegen Regiebeitrag gekündigt. „Da die ehrw. Schwestern und die Restzahl der Geisterskranken (200) von mir nicht betreut wer den können, und ich ohnehin mit Arbeit überbürdet bin, nahm ich Schiemer im Pfarrhof auf und verab reichte ihm auch ohne Entgelt die Kost. Mit 1. Juni wurde diesem aber über Betreiben Dr. Gelnys durch den Gauhauptmann in Wien, Dr. Sepp Mayer, jede seelsorgliche Tätigkeit innerhalb der Landesanstalt ver boten. Gegen einen anderen Seelsorger bestehe kein Einwand. Über Verfügung des e. b. Ordinariates wurde Schiemer als Seelsorger an das Krankenhaus Wällisch hof (Maria Enzersdorf) versetzt, der bisher dort wir kende Oblate des hl. Franz von Sales, P. Gottfried Steiner, trat mit 1. Juni seine Stelle als Seelsorger der Landesanstalt an"®®). Vor dem Weggang hatte Schiemer noch die Mai predigten in der Pfarre Kierling — „ein ausgezeichne ter Kanzelredner" — gehalten. Anmerkungen:•''®) Schematismus 1908—15: Pugl. — ®®) WDBl, 1914, Seite 40. — ■''') Pfarrchronik Kierling, 1915. Chronik der Schw., 1914. — ®®) Pfarrchronik Kier ling, 1914 und 1915. — '■'®) Pfarrchronik Kierling, 1917 („Ich sah Patienten, welche das Schweinefutter aßen"). — '^®) Chronik der Schw,, 1920—22. — ^^) Chronik der Schw., 1920, 1922, 1923. — Pfarrchronik Kierling, 1923. — '^^) Chronik der Schw., 1921, — ^®) Chronik der Schw., 1923. — ^"') Pfarrchronik Kierling, 1925. — ''®) Pfarrchronik Kierling, 1927. — Chronik der Schw., 1927. — ^®) Chronik der Schw., 1928. Chronik der Schw., 1937. — ■^®) Chronik der Schw., 1931. ^®) Pfarr chronik Kierling, Jahre 1930, 1933 und 1938. Dechant Pf. Kranich schrieb 1933: „Dank dem H. Pugl, . . . des sen Güte und seelsorglicher Eifer mir wertvolle Dienste leistet". — ®®) DAW. Kierling unter 28. 9. 1938 und 10. 10. 1938. — ®^) Private Nachforschungen, — Schematismus 1910—67. Sterbebildchen. "•'') DAW. Kier ling unter den Daten 2. 11, 1938, 24. 2, 1941, 4. 6. 1941 und 24. 6. 1941. — Chronik der Schw., 1940 ff. — 55) Dr. Loidl, Dr. Franz Zimmermann, Pionier für die Abendmesse (in den „Beiträgen zur Wr. Diözesangeschichte" 1971, S. 7 f., mit genauer Angabe der Werke und Artikel), ferner ein Artikel über Dr. Fr. Zimmer mann von Dr. Loidl in der Wr. Kirchenzeitung vom 13. 12. 1970, S. 11. — Pfarrchronik Kierling, 1939 und 1943. — ®®) Pfarrchronik Kierling, 1943. — Mitteilung des Ordinariates Innsbruck. — ®') Chronik der Schw., 1943. — Pfarrchronik Kierling, 1943. — ®®) Chronik der Schw., 1944. — ®®) Pfarrchronik Kierling, 1944. Dem Dr. Gelny wurde nach dem Kriege in Abwesenheit Pro zeß gemacht. Angeblich soll er im Ausland noch leben. 16. Der Kirchengesang in der liturgischen Erneuerung Pius Parsch (Ein Beitrag zum Problem des Volksgesangs in der Meßfeier)*) Die Musik, speziell der Gesang, war zu allen Zei ten ein integrierender Bestandteil der Liturgie. Dem Volksgesang kommt in der gegenwärtigen Liturgischen Erneuerung auch deshalb besondere Bedeutung zu, weil er eine ganz spezifische aktive Teilnahme der Gläubigen am Gottesdienst ermöglicht. Eine Arbeit über den (momentan eher unterbewerteten) Kirchen gesang entspricht daher von vornherein einem wichti gen Desiderat der Pastoral. Der Verfasser hat es sich zur Aufgabe gemacht, innerhalb der österreichischen liturgischen Erneuerung vor dem II. Vatikanischen Konzil, die besonders durch den Klosterneuburger Chorherm Pius Parsch voran getrieben worden ist, das musikalische Element zu un tersuchen, das entsprechende Material zu sammeln und vorzustellen, es textlich und musikalisch zu werten und vor allem auch grundsätzlich nach den leitenden und wirksamen Ideen und Motiven zu fragen. Dazu scheint er als engagierter Liturgiker, (jermanist und aus übender Musiker besonders kompetent zu sein. Außer der gedruckten Literatur standen ihm z. T. sehr ver streute Archivalien und Mitteilungen noch lebender Zeigenossen der liturgischen Arbeit der 20er und 30er Jahre zur Verfügung. Insofern hat die Untersuchung den spezifischen Wert, Zeugnisse zusammengetragen zu haben, die in einiger Zeit sicher verloren wären. Pius Parsch war selbst nicht eigentlich musilcalisch, aber er erkannte den Wert der Musik innerhalb des Gottesdienstes sehr wohl. Daher ist es einer der großen Glücksfälle, daß er mit Vinzenz Goller zusammentraf. Möglicherweise steht Goller sogar die Priorität (wenig stens der Sache nach) im Streben nach der „Volks liturgie" zu. Beide ergänzten sich auf das beste, der schöpferische Musiker einerseits und der Pastoral theologe andererseits, der zweifellos die größeren litur gischen Kenntnisse und organisatorischen Fähigkeiten besaß. Der I. Abschnitt beschäftigt sich mit V. Goller, zunächst biographisch bis zum Zusammentreffen mit Parsch, dann systematisch mit seinen Anschauungen über Liturgie und Kirchenmusik, die die weiteren Ent wicklungen des Volksliturgischen Apostolats maßgeb lich beeinflußten. Goller lag vor allem an der Anteil nahme des Volkes an der Liturgie, die er — zeitgebun den und sicher nicht ohne die damalige Wagner-Be geisterung! — als heiliges Spiel und Gesamtkunstwerk begriff. Das führte ihn zur Kritik an der herkömm lichen Kirchenmusik, besonders der artistisch-instru mentalen, die das Volk zunehmend vom liturgischen Geschehen isoliert und in eine rein passivhörende Rolle verdrängt hatte. Ein geeignetes Mittel zur Be hebung dieses Mißstandes schien ihm das alte Kirchen lied — ganz im Sinne der Neuromantik und unter dem Einfluß Baumkers —, das er neu zu beleben versuchte, allerdings unter dem (wie er meinte) von der alten Liturgie übernommen Prinzip der Gliederung oder „Organisation" in Cantor, Schola und Gemeinde. Der Verfasser rückt diese Anschauungen Gollers historisch und methodisch zurecht und weist Einseitigkeiten auf. Im II. Abschnitt wird nun der unterdessen im le bendigen liturgischen Vollzug eingetretene Begriffs und Gestaltungswandel der Gemeinschaftsmesse Parschs von der anfänglichen „Chormesse" zur Bet14

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