aufgelassen) lag im NO der Altstadt zwischen Rup rechtskirche, Rabensteig, Seitenstettengasse und Ju denplatz, das jüngere Ghetto (nachweisbar von 1294 bis 1421) erstreckte sich von der Wipplingerstraße zum Judenplatz und gegen Steindl- und Kurrentgasse, es hatte bereits eine eigene Synagoge. Obwohl die Aussagen des dritten Laterankonzils zur Judenfrage (1179) die öffentliche Meinung be stimmten, schützten und schätzten die späten Baben berger,König Ottokar von Böhmen und auch die frühen Habsburger die Wiener Juden ob ihrer Finanzkraft und der Tüchtigkeit in Geldgeschäften und räumten ihnen auch gesellschaftlich bestimmte Positionen ein. Unter Albrecht V. von Österreich kam es 1421 zu einem Progrom, das von einem Volksaufstand der Wiener provoziert worden war und das bereits während des 14. Jahrhunderts in Krems und Ansbach Judenverfol gungen eingeleitet hatten. (Vermutlich hatten die christlichen Bürger wegen der damals aufgetretenen Plagen wie Pest, Hungersnot durch Heuschreckenver heerungen und den vom Himmel gefallenen Kometen in der Angst vor einem Weltuntergang gelebt und diese an den ihnen zum Teil finanziell überlegenen Juden abzureagieren versucht.) Um die Mitte des 15. Jahrhunderts erlaubte Kaiser Friedrich III. den Juden wieder, sich in Wien anzu siedeln. Theoretisch lebten sie zwar von Gesetzesein schränkungen isoliert, praktisch waren sie aber vom Landesfürsten geschützt und führten ein weniger ein geschränktes, unbehelligtes Leben bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts innerhalb der Stadt. Kaiser Ferdinand II. (1619 bis 1637), von dem im mer noch eine kritische, objektive, der Herrscherper sönlichkeit gerecht werdende Biographie fehlt, war den Juden freundlich gesinnt und wies ihnen im „Unteren Werd", auf Plätzen der heutigen Leopoldstadt im 2. Wiener Bezirk die Gründe an,auf denen sie zwischen Taborstraße, Oberer Augartenstraße-Leopoldsgasse und Sperlgasse ihr Ghetto, umgeben von einer Mauer und bestimmt von einer Synagoge, errichteten. Ebenfalls provoziert und gelenkt von der Volkswut der Wiener Bürger, beeinflußt vom Wiener Neustädter Bischof Leopold Graf Kollonitsch und von seiner spa nischen Gattin Margarethe Theresia befahl Leopold I. 1669/70 die Aufhebung des Wiener Ghettos im „Unteren Werd" und die Vertreibung der Juden aus Wien und aus dem Land Unter der Enns. Auf den Gründen der Synagoge und des Ghettos baute man die St. Leo poldskirche und ließ eine landesfürstliche Pfarre ent stehen. Der Verfasser stellt mit wissenschaftlicher Sorgfalt, mit Einfühlungsvermögen und großer Genauigkeit die verschiedenen Schicksale der Wiener Juden seit ihrem ersten uns faßbaren Auftreten in der Stadt Wien bis zu ihrer Vertreibung durch Kaiser Leopold I. dar. Er versucht durch die Analyse der Verordnungen, ver schiedener kulturgeschichtlicher Fakten, durch die biographische Darstellung einzelner für die Juden problematik wesentlicher Persönlichkeiten wie mit Hilfe der Untersuchung des Zeitgeistes die Wurzeln für die Judenprogrome in Wien zu finden und aufzudecken. Da Kollektivausbrüche kaum auf einen Nenner zu bringen sind, läßt es sich immerhin denken, daß gerade in solchen Jahrzehnten, als die Wiener Bürger Stürme aus dem Osten fürchteten, der Volkszom sich gegen die Juden richtete. 1421 drohten die aus dem NO kommen den Hussiten Niederösterreich und Wien zu brand schatzen (Taboriten-Taborstraße) — das Wiener Ghetto hatte Kontakte mit jenem in Prag — 1669 standen die Türken in Ungarn, 1683 waren sie vor Wien. Es ließe sich nun fragen, ob und wie die Juden mit ungarischen Türken gehandelt hatten, nachdem sie eine Jahrhun derte alte Praxis der Anpassung an die verschieden sten Situationen besaßen und ob nicht aus solchen Er fahrungen die Wut der Wiener gesprungen war. Mangels eindeutiger und klarer Aussagen der dem Verfasser zugänglichen und durch ihn benützbaren Quellen hat er diese Hypothese nicht diskutiert. Da die wissenschaftliche Qualität der sorgfältigen Untersuchung kaum bestreitbar ist, — Bibliographie, Anmerkungsapparat und Register sind einwandfrei, — nachdem sämtliche Angaben aus der Sekundärliteratur an Primärquellen nachgewiesen oder korrigiert wur den, alle erreichbaren Dokumente und Berichte aus inund ausländischen Archiven herangezogenen, verar beitet und im Anhang zum Teil auch ediert worden sind, bedeutet diese Darstellung eine echte und wert volle Bereicherung der Wiener Stadtgeschichte. Eine Ansicht, ein Plan und acht treffliche Bilder ergänzen glücklich den Text. Dem vorangestellten Geleit des Unterzeichneten liegt der ökumenische Gedanke zu Grunde: „Die allein zukunftsträchtige Devise für Syna goge und Kirche (Ekklesia) laute ab heute, und das sei der Sinn dieser Arbeit: Statt klagen und anklagen, ver zeihen und vergessen, noch mehr hoffen, zusammen wirken, beten und opfern angesichts des gemeinsamen Gottes und für den in Gott allein begründeten wahren Frieden. Ich schließe daher als ökumenischer Christ und katholischer Priester mit dem Herzenswunsch: Schalom et Pax". Dr.F.L. 43. Das Korrespondenzblau für den katholischen Klerus Österreichs. Sprachrohr und Standesorgan des Seelsorgeklerus Von der Gründung 1882 bis zur Jahrhundertwende*) Emst Kallinger Die Diskussion um die Zeitung als Material der Geschichtswissenschaft ist in den letzten Jahren er neut in den Mittelpunkt des historischen Forschungs interesses getreten. Ausgehend von der Tatsache, daß die vom Klerus initiierte und verfaßte Publizistik viel zu wenig bisher beachtet und für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in Osterreich kaum untersucht ist, wurde dem Verfasser die systematische Analyse des Korrespondenzblattes für den Katholischen Klerus Österreichs von der Gründung im Jahr 1882 bis zur Jahrhundertwende zum Thema gestellt. Er löste seine Aufgabe methodisch, indem er die geistigen Strömungen und politischen Fragen in der österreichischen Kirche während der letzten Jahr zehnte des 19. Jahrhunderts darstellte und ihre Re flexe dann im Inhalt, in Thematik und Problematik des Korrespondenzblattes aufzeigte. Bevor er auf die Spie gelung der Tagesneuigkeit im Klerusblatt einging, hielt er in einem Übergangskapitel die Ziele, die sich die Redakteure und Gründer des Blattes gesetzt hatten, fest und zeigte an den Stellungnahmen zu geistigen, geistlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen, an der Behandlung der innerkirchlichen Ange legenheiten, wie die Zielsetzung ihre praktische Ver wirklichung fand. In einem abschließenden Kapitel werden sehr genaue Angaben über Redakteure und Mitarbeiter des Blattes angeführt. Das Untersuchungsergebnis bietet ein sehr klares und genaues Bild vom Zustand des niederen Klerus im Osterreich des späten 19. Jahrhunderts (soweit dieser aus einer Zeitung faßbar ist): über Geistigkeit, poli tische, kirchenpolitische, wirtschaftliche, soziale und Pastorale Einstellungen, über Meinungsbildung und Meinungsbildner, über existentielle Nöte und ultra- *) Dissertation, eingereicht an der Kath.-theol. Fakultät Wien 1974, 197 Bl. 46
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