Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

markt®®) veranlaßt. Auf sie folgte die vom Olmützer Bischof Wenzeslaus Kralik einberufene Synode von Wischau (1412), deren Statuten, betreffend die Besse rung des klerikalen Wandels und die Hintanhaltung der Irrlehre von Wicliff und Hus Kutschker ebenfalls zur Verfügung standen®®). Eine weitere unentbehrliche Quelle für diese Arbeit war das ausgezeichnete Monitorium des Bischofs Carl Herzog von Lothringen (1695—1710), das dieser seinem Klerus nach ISjähriger Tätigkeit in der Olmützer Diözese hinerließ®'). Ab Bischof Carl standen Kutschker nur noch chronologisch zusammengefaßte und bei den einzelnen Kuratien der Diözese gesammelten Vorschriften zur Verfügung. Aber selbst von den noch vorhandenen gesetzlichen Bestim mungen waren viele nicht mehr anwendbar und die für die einzelnen Gegenstände noch verbindlichen Anord nungen schwer zusammenzusuchen. Es war kein leichtes Beginnen, als nun Kutschker daranging, das vorhandene Material zu sichten,zu sam meln und im Sinne der Ordinariatsvorschrift von 1835, die bis jetzt noch nicht realisiert worden war, aus den zu Gebote stehenden verläßlichen Quellen dasjenige zusammenzustellen, was für jeden Seelsorger bei der Verrichtung seiner vielverzweigten Amtspflichten und bezüglich seines klerikalen Wandels als Norm zu be trachten war. Uberreste josefinisch-staatskirchlichen Denkens waren es, daß besonders noch auf die Weisungen der bürger lichen Gesetzgebungen mehr als nötig Rücksicht ge nommen wurde, insofern, „als beiderlei Verhaltungs regel durch das Ordinariat ausdrücklich zur Beobach tung kundgemacht worden sind®®). Demnach hatten jeder Pfarrer und Seelsorger die Pflicht, alle an ihn ergangenen landesfürstlichen Verordnungen in ein" Buch oder Protokoll einzutragen, es stets fortzusetzen und seinem Nachfolger zu überlassen. Ferner sollte es auch auf das jeweilige Begehren der geistlichen oder weltlichen Obrigkeiten unverzüglich vorgezeigt werden. Endlich wurden auch noch zweckmäßige Statuten ande rer Diözesen herangezogen, die, wenn auch nicht bin dend für den Olmützer Klerus, dennoch erwünschte Fingerzeige für sein Verhalten zu geben vermochten. Fürsterzbischof Sommerau-Beeckh zeigte sich mit Kutschkers Arbeit sehr zufrieden; er nannte sie „eine mit viel Umsicht, großer Gründlichkeit und ausgezeich neter Geschäftskenntnis verfaßte Sammlung, die dem Kuratklerus von größtem Nutzen sein wird"®®). Im großen und ganzen vermittelt die „Sammlung" eine Zusammenstellung von kirchlichen und staatlichen Ver ordnungen mit anschließenden gelegentlichen Stellung nahmen und Ermahnungen an den Diözesanklerus, wo bei Kutschker in vielen Belangen bis ins Detail ein geht. Waren im 1. Teil des Werkes die Vorschriften über die Kundmachung der Gesetze, über die Matriken führung und die Stolgebühren zusammengestellt, so gab der 2. Teil Vorschriften über die Spendung der Sakramente, insbesondere der Taufe und der Buße. Die Quellen, die Kutschker heranzieht, sind die üb lichen: Die Hl. Schrift, der Catechismus Romanus, die Kirchenväter und -schriftsteiler, das Tridentinum, Diözesansynoden und Verordnungen, die Summa des hl. Thomas, das „Rituale Romanum" und Päpstliche Erlässe. Den Schluß des 2. Teiles bildeten die Verord nungen und Verhaltungsmaßnahmen, die durch die jüngste Entwicklung des Jahres 1848 für den Klerus notwendig waren. Desgleichen sind in einem Anhang die kirchlichen und bürgerlichen Anordnungen bezüg lich Gottesdienst, kirchliche Segnungen und Prozes sionen zusammengestellt. Der 3. Teil der Sammlung enthält eine große An zahl von Vorschriften über die kirchlichen Ablässe und Bruderschaften sowie über das kirchlich-caritative Ver einswesen, während der 4. Teil sich mit der Spendung des allerheiligsten Altarsakramentes, der KrankenÖlung und mit den Krankenbesuchen beschäftigt. 5. „Das Eherecht der katholischen Kirche nach seiner Theorie und Praxis" (5 Bde, 1856—57). Obwohl Kutschker viele Jahre bis in die Olmützer Zeit an die sem fünfbändigen Werk gearbeitet hat, kam es gerade zum rechten Zeitpunkt heraus. Kurz zuvor (1855) war zwischen Kaiser Franz Joseph und Papst Pius IX. das Konkordat geschlossen worden, das auch die kirch lichen Eheangelegenheiten neu ordnete und den josefinischen Ehekodex sowie das 2. Hauptstück des „Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches" weitgehend außer Kraft setzte. Der Boden, auf den Kutschker sein Eherecht stellt, ist durchaus l^chlich-katholisch. Er meinte, daß sich das bei einem katholischen Geistlichen von selbst ver stehe. Für ihn ist die Ehe nicht bloß ein bürgerlicher Vertrag, wie für manchen seiner Zeitgenossen, sondern ein wahres und wirkliches Sakrament. Aus den Zeug nissen der ältesten Tradition eines TertuUian, Hierony mus und Augustinus, die bereits gegen irrige Meinun gen ihrer Zeitgenossen ankämpfen mußten, sowie aus den Lehren der Scholastiker weist Kutschker zunächst die Sakramentalität der Ehe nach. Im 1. Band handelt er über die Macht, die der Kirche über die Ehe zusteht. Er beweist, daß diese Gewalt aus der göttlichen Macht stamme, daß sie unabhängig sei, sich auf das Eheband beziehe, daß nur die Kirche, die geistliche Obrigkeit, Ehehindernisse aufstellen und davon dispensieren könne, und zwar nur der Papst in letzter Instanz, die Bischöfe aber nur mit dessen Genehmigung. Die kirch liche Gewalt erstrecke sich auf die Sponsalia, aiof die Ehen der Häretiker sowohl unter sich, wie mit Katholiken. Im weiteren Verlauf wird die Gewalt des Staates über die Ehe, das heißt, über ihre bürgerliche Ord nung, gesprochen. Nicht auf das Band selbst, sondern nur auf die bürgerlichen Folgen habe der Staat, der gläubige wie der ungläubige, ein Recht. Wirkliche Ehe hindernisse könne nur die Kirche aus eigener Macht aufstellen. Dieses Recht verdankt sie weder den welt lichen Fürsten, noch teilt sie es mit ihnen®'). Die Un auflöslichkeit der Ehe wird erwiesen aus der Offen barung und dem Naturrecht mit Rücksicht auf das positiv göttliche Gesetz und das mosaische Recht; da nach finden sich die Entscheidungen der Päpste, des Aquinaten, des Catechismus Romanus und der Kanonisten. Ferner behandelt Kutschker die Ehen der Per sonen, die der katholischen Kirche nicht angehören, der Ungläubigen sowohl, der ungetauften Heiden und Juden, wie der getauften, die aus der Häresie kommen. Es ist sein Spezialgebiet, das er schon in den „Ge mischten Ehen" abgehandelt hat. Der 2. Band beleuchtet ausführlich den Begriff, die Bedingungen der Gültigkeit bis zur Auflösung eines Ehegelöbnisses. Einen breiten Raum nehmen im 3. Band die kirchengesetzlichen Eheverbote und Ehe hindernisse ein, wobei auch die bürgerlichen der Min derjährigkeit, des Militärstandes, der gesetzlichen Witwenfrist, der Verurteilung zum Tode oder zu schwe rem Kerker eingehend besprochen werden®®). Die bei den letzten Bände sind der Form der Eheschließung, den Ehedispensen, der Konvalidation ungültig ge schlossener Ehen und schließlich dem Eheprozeßwesen gewidmet. Bis auf die „Apostolischen Konstitutionen", die Verordnungen der ersten Konzilien, des Decretum Gratiani, die Dekretalien und vor allem die Beschlüsse des Tridentinums zurückgehend, finden die hl. Canones, die Entscheidungen der hl. Kongregation der Riten, die Aussprüche der Päpste ihre Verwertung. Kutschker gab letztere nicht nur andeutungs- oder auszugsweise sondern unverkürzt wieder. Die kanonistischen Autori täten des 18. und 19. Jhdts. sind in den einschlägigen Abschnitten gründlich verarbeitet und zitiert. Sie und die mit diesen im Einklang stehenden „Anweisungen für die geistlichen Gerichte Österreichs'" wie auch das damit verbundene „Bürgerliche Ehegesetz für die Katholiken Österreichs", welches die Normen enthielt, die für den katholischen Priester und die kirchlichen Ehegerichte maßgebend waren, bildeten den Quellen reichtum. Kutschker ging es zunächst nicht darum,den Faden wieder dort anzuknüpfen, wo er abgerissen worden war. Die Erkenntnis der Unhaltbarkeit der bisherigen österreichischen Gesetzgebung war ja altbekannt und bemängelt. Es sollte vielmehr alles, was diese ganze 23

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