Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

nungen häufig widersprüchlich waren. Kutschker unterzog sich der Aufgabe, hier Wahres von Falschem zu scheiden und die Verpflichtung zum Schadenersatz mit den kirchlichen Vorschriften in Einklang zu brin gen. Während die bisherigen Abhandlungen über dieses Thema die bürgerlichen Gesetze unberücksichtigt lie ßen imd das öffentliche Lehrbuch von Stapf®^) bloß die einschlägigen Paragraphen des Bürgerlichen Gesetz buches zitierte, verarbeitete Kutschker, der in der Restitutionspflicht eine im eigentlichen Sinne des Wor tes Rechtspflicht sah, die einschlägigen Gesetze in sei nem Werke, um so dem Seelsorgeklerus eine wichtige Handhabe zu geben. Allerdings wehrt sich Kutschker energisch gegen die Ansicht der josefinischen Geist lichkeit, „welche das ganze Bürgerliche Gesetzbuch der Sittenlehre eingeschaltet wissen oder die bürgerliche Gesetzgebung zur Quelle der Moraltheologie machen wollen"®-). Kutschker war bemüht, eine möglichst allseitige und genaue Theorie der Restitution, eine vollständige, klare und begründete Darstellung der Grundsätze aus zuarbeiten, ohne Anspruch auf Originalität zu erheben. Nach der Definition des Grundbegriffes als Handlung, wodurch der einem anderen wissentlich oder unwis sentlich zugefügte Schaden wieder gutgemacht wird, werden die Beweise zur Restitutionspflicht an Hanci der Hl. Schrift, besonders des Alten Testamentes, dar gelegt. In gemessenem Abstand erfolgt die Beweis führung aus der Uberlieferung und endlich auf Grund des Natur- und Sittengesetzes. Die ganze Abhandlung gibt eine umfangreiche, mit vielen Beispielen erläuterte Darstellung der Quellen der Beschädigung, sodann die Hauptgrundsätze zur Beurteilung der Verbindlichkeit zu restituieren. Kutschker hat auch in dieser Arbeit wissenschaft lich korrekt und übersichtlich gearbeitet und alles aus dem gesamten Kirchenrecht seiner Zeit zusammenge tragen, was mit diesem Gegenstand in Beziehung stand. Durch diese Vorzüge der Quellentreue, der systemati schen Darstellung und der folgerichtigen Beweisfüh rung war sie nicht nur für den Seelsorger und Theo logen, sondern auch für jeden, der mit dem Problem der Restitution zu tun hatte, von großem Wert. 3.„Die helligen Bräuche, welche in der katholischen Kirche (ritus latini) vom Sonntag Septuagesima bis Ostern beobachtet werden nach Anleitung bewährter Schriftsteller erklärt" (1842). Dieses Werk erwuchs wie erwähnt aus Kutschkers Vorlesungen über Liturgik am Olmützer Priesterseminar. Diese Vorlesungen waren um so notwendiger, als im 19. Jhdt. bis tief in die geist lichen Kreise hinein wenig Sinn für das Mysterium der Sakramente, der Gnade, der Liturgie unc3 kirchlichen Symbole, der Riten und Zeremonien zu finden war®^). Darum mußten vor allem die Kandidaten des Priester standes mit dem „Geiste der Liturgie in der Kirche vertraut gemacht werden"; Kutschkers Hauptmotiv bei den Vorlesungen war, in den Klerikern „Lust und Liebe zum Studium dieses wichtigen Teiles der prakti schen Theologie anzuregen und denselben richtige Grundansichten über das Wesen der kirchlichen Ge bräuche beizubringen"®^). Leider war die zur Verfügung stehende Zeit kurz und durch die vielen berufsmäßigen Arbeiten eingeschränkt, so daß es bei diesem Werk nicht zu einer gründlichen Durcharbeitung der einzel nen Teile des kirchlichen Ritus kam. Unter den vielen Mißständen, an denen die Zeit litt, war die allgemeine Gleichgültigkeit gegen die öffentliche Gottesverehrung nicht die geringste. Die unandächtige Teilnahme am Gottesdienst und an den Zeremonien der Kirche bewies dies nur zu deutlich. Kutschker meinte, in der Unwissenheit und in den falschen Vorstellungen des Volkes die Hauptursache für diese Mängel gefunden zu haben. Sie galt es nun durch Belehrung und tiefgründige Anregung des Her zens und des Geistes zu beheben. Vor allem die Schön heit und den tiefen Sinn des katholischen Kultes waren immer wieder aufzuzeigen und auf sie hinzuweisen. Was nun die Art und Weise der Darstellung be traf, so wollte Kutschker, wenn er auch der wissen schaftlichen Behandlung Rechnung trug, doch mög lichst volkstümlich und praktisch bleiben. Dabei hielt er sich an die liturgischen Vorschriften des Missale Romanum, des Pontificale Romanum und des Ceremoniale episcoporum. Die Erläuterungen hierzu entnahm er den Werken der besten Liturgiker. Auch der Verrichtungsweise der einzelnen Zeremonien ist jeweils eine Erklärung beigegeben, die Sinn, Bedeutung und Wirksamkeit derselben erläutert. Die Erklärung der sonntäglichen Evangelien schöpfte er aus dem fast in Vergessenheit geratenen vortrefflichen Werke des hl. Petrus Canisius, „Notae in evangelicae lectiones, quae per totum annum dominicis diebus in ecclesia catholica recitantur". Fanden im ersten Teil des Werkes die kirchlichen Gebräuche in der Vorfasten- und Fastenzeit ihre Schil derung und Bewertung, so war der 2. Teil ausschließ lich der Karwoche gewidmet. Miteinander verwoben, gegenübergestellt und sachlich geschieden ist jeweils das alte Kultusgut der katholischen Kirche, das bis in die Zeit des Herrn und des Urchristentums hinabreicht, mit dem Brauchtum der Jahrhunderte bis in die Zeit des Verfassers. Auf nicht weniger als 436 Seiten sind ausführlich die zahlreichen Zeremonien der Karwoche erklärt, wobei auf kleinste Details, wie die Responsorien des Officium tenebrarum, Herkunft und Symbol der Weihrauchkörner, Bezug genommen wird. Auch die verschiedenen Modifikationen in Dom-, Pfarr-, Klo ster- und kleinen Kirchen werden vermerkt. Kutschker wollte mit diesem Werk vor allem ein praktisches Handbuch für die Seelsorger schaffen, „in welchem sie das, was sie im Seminar über diesen Gegenstand gehört haben, an die Gläubigen weiter geben und verständlich machen könnten. Dabei aber sollte die eigene Erbauung und das persönliche Ver ständnis der liturgischen Handlungen vertiefen und klären und beitragen zur Förderung des kirchlichen Sinnes und zur Bildung des Herzens"®''). Es war eine brauchbare, den frommen Sinn und die tiefe Gelehr samkeit des Verfassers bekundende Arbeit, welcher Erzbischof Sommerau-Beeckh seine Approbation nicht versagte®®). 4. Sammlung der Vorschriften, nach welchen sich die Kuratsgeistlichkeit bezüglich der Verkündigung des Wortes Gottes, der Spendung der hl. Sakramente, der seelsorglichen Geschäftsführung, dann ihres klerikalen Wandels zu richten hat, mit besonderer Berücksichti gung der in den genannten Beziehungen dem Klerus der Olmützer Diözese kundgemachten Anordnungen" (1847—1850). Unter diesem langatmigen Titel macht uns Kutschker mit einer umfangreichen Sammlung von Diözesanvorschriften vertraut, die auf Wunsch des Diözesanbischofs aufgelegt wurde, um jeden Priester auf sie zu vereidigen. Die Arbeit war zunächst mühe voll und fast aussichtslos. Schien doch beinahe nichts vorhanden zu sein. Nur da und dort fand man bei Visitationen in den Pfarrkirchen lose Notizen und Vor merkungen, auf denen sehr alte und zweckmäßige Diözesanvorschriften enthalten waren, deren Spuren sich vielleicht im Konsistorialarchiv verloren haben. Dort konnten auch nur Bruchteile vorgefunden werden, wie sich Bischof davon überzeugen konnte®^). Sämt liche Kuraten der Diözese wurden nun angewiesen, in ihren Archiven und Gedächtnisbüchern jene Diözesanverordnungen, die sich auf die Person cies Seelsorgers und die Übung ihrer Amtspflichten beziehen, aufzu suchen und ein Verzeichnis darüber mit Angabe des Datums zu verfassen. Als hauptsächliches Quellenwerk stand die freilich schon recht selten gewordene „Collectio Synodorum et statutorum Almae Diöcesis Olomucensis"®®) zur Ver fügung. Diese enthielt die ältesten kirchlichen Anord nungen der Olmützer Diözese überhaupt, angefangen von der 1. Olmützer DiÖzesansynode in Kremsier(1312). Damit war nur ein Anfang gesetzt, mit dem man, von geringen Unterbrechungen abgesehen, bis ins 19. Jhdt. aufbauen konnte. Die nächste Sammlung von Diözesanvorschriften wurde vom Olmützer Bischof Johann von Neu22

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