Aus der umfangreichen Vorschrift sind die mög lichen Situationen ersichtlich, die zu einer Nottaufe führen können. Vorausgesetzt wird immer, daß es sich um ein menschliches Wesen im vollen Sinn des Wortes handelt; besteht Zweifel darüber, so sind die Formen der bedingungsweisen Taufe anzuwenden. Die Fort schritte der Medizin in den gegenwärtigen Jahrzehnten, die es ermöglichen, Frühgeburten und an sich lebens schwache Kinder am Leben zu erhalten, haben das Problem der Nottaufe gegebenenfalls nur verschoben. Die Nottaufe ist, wie schon der Name sagt, ein Sonderfall, der aber, wie aus dem Mitgeteilten hervor geht, ebenso der Sorge jener anvertraut ist, die sich um das menschliche Leben kümmern, in welcher Form es immer gegeben sein mag, in welcher Gefahr es sich auch immer befinden mag. Eine Umfrage unter Ge burtshelfern hat gezeigt^'), daß die Spendung der Not taufe bis auf den heutigen Tag geübt wird; sie wird von Ärzten, Hebammen und Krankenschwestern vor genommen, meist an den geburtshilflichen Stationen, mitunter an den Frühgeborenenstationen und Säug lingsabteilungen. Auch eine Hebammenordnung aus dem Jahre 1971 hat im theoretischen Unterricht an Bundeshebammenlehranstalten vier Unterrichtsstun den zur Unterweisung für die Vornahme der Nottaufe (katholisch, evangelisch) unter insgesamt 509 Unter richtsstunden vorgesehen. Immer ist der Mensch ein unteilbarer und seine Würde zu respektieren, im Zweifelsfalle ist der siche rere Weg dem weniger sicheren vorzuziehen'®). Die Nottaufe stellt die Verwirklichung des Prinzips des Tutiorismus auf sakramentaler Ebene dar. Die jüngsten Diskussionen über den Beginn des menschlichen Lebens, früher unter dem Thema der Beseelung des menschlichen Embryos abgehalten, sprechen für die arztethische Pflicht, in dubio pro embrone",","). Anmerkungen: ') Colland, Friedrich: Kurzer Unterricht in der Geburtshilfe für Stadt- und Land hebammen. Gedruckt in dem k. k. Taubstummeninsti tute und in Commission bey Johann Thomas Edlen von Trattnern Wien 1797. — 2) Kaiserin Maria Theresia von Bourbon-Neapel, Gattin Kaiser Franz II. (I.). — ') Colland, Friedrich C., Schwäbisch Hall 1754—1815 Wien. Dr. med. und Geburtshelfer, wirkl. Mitglied der medizinischen Fakultät Wien. Publikationen vornehm lich geburtshilflichen Inhaltes, Beiträge zur Geschichte der Universitäten, insb. Wien und Krakau. — A. Hirsch (Hrsg.): Biogr. Lexikon, Berlin—Wien 1930. — *) Col land, Titelseite. — j^d. S. V. — ") Roth, Gottfried: Die Eide und Gelöbnisse an der medizinischen Fakultät der Universität Wien. In: Studien zur Geschichte der Universität Wien, Band I, 218—258. Graz — Köln 1965. — Roth, Gottfried: Sie me Deus adjuvet et haec sancta evangelia. Beiträge zur Wiener Diözesangeschichte 10, 6 (1969) im Wiener Diözesanblatt 107, 1 (1969). — ®) Kundmachung der Bundesregierung vom 12. November 1963 über die Wiederverlautbarung des Bundesgesetzes, betreffend die Regelung des Hebam menwesens. (Jahrgang 1964, 3. Stück.) Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 3. April 1970 betreffend eine Dienstordnung für Hebammen (Hebammendienstordnung) (Jahrgang 1970, 33. Stück). Verordnung des Bundesministers für soziale Verwal tung vom 16. November 1971 betreffend Errichtung und Führung von Bundeshebammenlehranstalten sowie Ausbildung und Fortbildung an diesen Anstalten. (Hebammenausbildungsordnung). (Jahrgang 1971, 122. Stück). — ®) Colland, Fr. vgl. ') S. 331—333 und S. 334—342 lt. briefl. Mitteilung des Diözesanarchivs Wien fanden sich dortselbst keine biographischen An gaben über Joan Bapt. de Zoller, „Rath und Kanzler des wienerischen Erzbischöflichen Consistoriums". Im Jahr 1769 war Christoph Anton Graf Migazzi Erzbischof von Wien (1757—1803). — '®)ibd.S.X.—")un veröffentlichtes Manuskript. — '®) Mitterer, Albert: Die Beseelung des menschlichen Embryos. Arzt und Christ, 3(Salzburg 1957) 13—16.— ") Macher, Mathias: Pastoral-Heilkunde. Leipzig 1838. S 218 f.: „...seitdem man allgemein zur Überzeugung gelangte, daß das menschliche Ei, von dem Augenblick der Befruchtung an, belebt und beseelt, und auch die unförmlichste Frucht, ein Mensch ist. Das befruchtete Ei enthält den ganzen lebendigen beseelten Menschen, und erfordert die, nach dem katholischen Lehrsa(t)ze zum ewigen Leben unbedingt notwendige, Taufe eben so, wie jede lebendige Mißgeburt. In zweifelhaften Fällen kann die Taufe immer Bedingungsweise geschehen. Die soge nannten Molen oder Mondkälber sind nichts anderes, als wuchernde Degenerationen der Nachgeburt ohne lebendige Frucht. Von deren Taufe kann also nicht die Rede sein. Bei Gefahr an Verzug hat die Hebamme so gleich die Nottaufe vorzune(h)men." Colland weist in der Fußnote 1 auf S. 219 darauf hin: Die Hebammen und deren Helferinnen erhielten einen Taufunterricht, kundgemacht durch das Wiener Erzbischofliche Consistorium vom 14. Dezember 1769 (vgl. Anmkg. 9). — ") Guardini, Romano: Das Recht des werdenden Men schenlebens. Stuttgart — Tübingen 1949. — ") Büch ner, Franz: Embryonale Entwicklung und Menschwer dung. Internationale katholische Zeitschrift 5/1972, S.443 f. Communio-Verlag,Rodenkirchen. (Fortsetzung folgt.) 19. Bruderschaft „der Eylff Bürgerlichen Priviiegirten Herren Coffee-Sieder" In Wien (18. Jahrhundert) Durch den Artikel von Prof. Karl Teply: „Die erste armenische Kolonie in Wien", Wiener Geschichts blätter 1973 (28. Jg.), Nr. 4, S. 115, auf diese merk würdige Bruderschaft aufmerksam gemacht, konnte folgendes noch in Erfahrung gebracht werden: Unter der Signatur Innungsbücher 26/9 im Archiv der Stadt und des Landes Wien (Neues Rathaus) be findet sich das „Bruderschaffts Protocoll" dieser elf bürgl. Kaffeesieder, mit Datum vom 1. Jänner 1733 an gelegt und in der Hauptsache ein Kassabuch, „damit man deß Nachsuchens deren alten Rechnungen künfftighin befreyet", woraus man Interessantes er fährt über Einzahlungen der Mitgliederumlagen, Aus gaben für kleine Geschenke, Zahlungen für Gerichts und Notariatsgebühren etc., aber auch über Quatembermessen, Seelenmessen etc. Mehr noch brachte aber der hochverdiente, bereits verstorbene Volkskundler Gustav G u g i tz in seinem 279 Seiten umfassenden Werk:„Das Wiener Kaffeehaus, Ein Stück Kultur- und Lokalgeschichte", Wien 1940, S. 23—27, 34 ff., 223—225; und da interessiert vor allem hier, was die religiöse Seite dieser Bruderschaft angeht und worüber das zu unterzeichnende Eintrittsformular — es legt 12 Punkte bzw. Verpflichtungen vor — unterrichtet: „2. verbinde ich mich bey der quatember Meß noch vor dem Evangelio und zwar inner den Gattern zu erscheinen, bey nicht befolgung dessen will ich schuldig seyn 1 Pfund weißes wachs, oder 1 fl. alß eine Straff in die Laad zu erlegen; sollte ich aber 3. mich weith vergehen, daß ich einen meiner H. Mit-Brüder in oder außer der Zusammenkunfft schändete und ehrenrührerisch antastete, so will ich gehalten seyn, wann es mir kann erwiesen wer den,den Beleidigten vor der ganzen Bruderschafft abzu bitten und 30 Kr. alß eine Straff in die Laad zu er legen... 9. verbinde ich mich bey der Leichbegängnus eines H. Mitbruders oder seiner Frauen nebst meiner Ehegattin, oder doch wenigstens eines aus zweyen richtig zu erscheinen, solte aber ein solches ohne wich tiger Ursache, und entschuldigung unterlassen werden, so bin schuldig 30 Kr. zu erlegen, wofür aber für den Verstorbene eine heilige Messe solle gelesen werden; 10. verspreche ich niemahlen entgegen zu seyn, daß für einen jeden verstorbenen H. Mitbruder, oder dessen Ehefrauen auff einen Priviiegirten altar zwey heilige Messen sollen gelesen und aus der Cassa sollen be zahlet werden..." Dr. F. L. 20
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