neben dem Principium (fol. 92—94) auch der Kom mentar (fol. 95—140)®). Wie weit der Autor hier von Vorlagen abhängig ist, müßte erst untersucht werden. Nach Abschluß dieser Vorlesungen wurde er im Novem ber 1416 zur Vorlesung über das dogmatische Lehrbuch der Sentenzen des Petrus Lombardus (t 1160), das im Mittelalter an den theologischen Fakultäten vorge schrieben war,zugelassen.Im allgemeinen konnte diese Vorlesung in zwei Jahren absolviert werden, von Johann von Gmunden wissen wir aber, daß er sicher noch im Herbst 1418, wahrscheinlich aber auch noch 1420 mit dieser Vorlesung befaßt war, was vielleicht dadurch erklärt werden kann, daß in diesen Jahren öfter von Erkrankungen des Vortragenden berichtet wird. Von dieser Vorlesung haben sich Johannes' Quaestionen zum II. Buch der Sentenzen im Codex 4422 der Nationalbibliothek, den er später der Artistenfakultät legiert hat, erhalten"). Mit dem Beginn des III. Buches der Sentenzen erlangte er auch den Grad eines baccalarius formatus in theologia, mit dem er sich be gnügt hat. Da er im Sommer 1417 eine Dispens vom Empfang der ordines bis Weihnachten 1417 erlangt hat, wird er wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt die höheren Weihen empfangen haben. In Codex 4218 der Nationalbibliothek, fol. 219—225, hat sich von ihm eine an der Universität, vielleidit im Jahr 1418, gehaltene Osterpredigt erhalten. Er blieb weiterhin Mitglied der Artistenfakultät, an der er nunmehr ausschließlich mathematische und astronomische Vorlesungen hielt, teilweise auch solche, die den Studenten nicht vorge schrieben waren, die also nur extraordinarie gelesen werden konnten, so daß er auch als erster Fachprofes sor bezeichnet worden ist. Im Sommersemester 1423 hat er nochmals das Dekanat der Artistenfakultät geführt. Herzog Albrecht III. hatte 1384 verfügt, daß von den damals 24 Kanonikaten des KoUegiatkapitels von St. Stephan den Mitgliedern des Collegium ducale acht Kanonikate vorbehalten sein sollten, am 30. April1425 wurde auch Johannes von Gmunden als Kanonikus in stalliert und ihm schon im folgenden Jahr vom Propst von St. Stephan, Wilhelm Turs, das Amt des Vizekanz lers der Universität übertragen. Schon Papst Urban V. hatte ja den Wiener Propst zum Kanzler der Universi tät bestimmt, welcher das Licentiat, die Voraussetzung zur Erlangung des Magister- und Doktorgrades in allen vier Fakultäten zu erteilen hatte, dies wurde von Urban VI. 1384 bestätigt und währte bis zum Jahre 1873, als das Universitätskanzleramt des Dompropstes auf die katholisch-theologische Fakultät beschränkt wurde. Da der Propst die akademischen Akte nicht selbst vor zunehmen pflegte, bestellte er ein graduiertes Mitglied des Kapitels zum Vizekanzler, das im Namen des Kanz lers die Promotionen vorzunehmen hatte. Das erste Mal hat Johannes von Gmunden im Jahre 1426 als Vize kanzler an der Artistenfakultät gewirkt, wovon sich auch seine Ansprache im Autograph erhalten hat. Allerdings konnte er das Amt des Vizekanzlers für die theologische Fakultät nicht ausüben, da er den Doktor grad dieser Fakultät nicht erlangt hatte, es finden sich daher in den folgenden Jahren auch andere Kanoniker, wie Thomas Ebendorfer tind Johann Himmel, als Vize kanzler genannt, doch wissen wir, daß Johannes von Gmunden noch 1438 bei Promotionen an der juridischen und der medizinischen Fakultät als Vizekanzler gewirkt hat®). Johannes von Gmunden muß auch zum Landes fürsten Albrecht V., einem großen Förderer der Kir chen- und Klosterreform,für die er in Zusammenarbeit mit der Wiener Universität eifrig tätig war, in enger Verbindung gestanden haben, denn wir finden ihn im Jahre 1429 in der Vertrauensstellung eines herzoglichen Superintendenten für die Universität, dem gemeinsam mit einem von der Universität gewählten Superinten denten die Überwachung der Gebarung über die lan desfürstliche Dotation der Universität aufgetragen war. Bald danach (23. Oktober 1431) begegnet er auch als Inhaber einer der bestdotierten Pfarren Niederöster reichs, Laa a. d. Thaya, die dem landesfürstlichen Patronat unterstand. Diese Pfarre war meist mit Pro fessoren der Wiener Universität besetzt, schon der erste Rektor der Universität, Albrecht von Rickensdorf (Nie dersachsen), später Bischof von Halberstadt, sowie der erste Professor der Wiener juridischen Fakultät, Johan nes von Pergau (bei Rohrbach a. d. Gölsen, NO.), waren Inhaber der Pfarre. Bei der doch beträchtlichen Entfer nung seiner Pfarre von Wien mußte auch Johannes von Gmunden die Seelsorge wohl durch einen Vikar ver sehen lassen, wenn er auch hin und wieder in Laa geweilt haben wird. Die Bedeutung von Johannes von Gmunden liegt in seinen astronomischen Arbeiten. Als Begründer cter natui'wissenschaftlichen Studien in Wien kann der Pariser Theologieprofessor Heinrich Heinbuche von Langenstein (Hessen), der bedeutendste Gelehrte in der Frühzeit der Wiener Universität — er war auch Pfarrer von Groß-Rußbach — angesehen werden. Er hat auch das Wissen von den Planetenbewegungen und den Alfonsinischen Tafeln aus Paris nacn Wien gebracht. 1402 verfaßte der Magister und Kanoniker von St. Stephan, Friedrich von Drosendorf, eine Schrift über den Kometen dieses Jahres. Johann Schwab von Butz bach, später Pfarrer von Pfaffing-Vöcklamarkt (OO.), lehrte die Berechnung der Finsternisse des Jahres 1412 für Wien. Seit 1407 lehrte der Prager Magister Johann Schindel aus Königgrätz einige Zeit in Wien, allerdings nicht an der Universität, imd hat offenbar Johannes von Gmunden beeinflußt"). Doch erst Johannes von Gmunden hat Wien zum deutschen Zentrum der Stern kunde gemacht und ihm europäische und damit Welt geltung verschafft. Seine wichtigsten Werke waren seine Planetentafeln sowie seine vier Kalender, von denen der für die Jahre 1439 bis 1514 geltende beson ders beliebt war; aus ihnen konnte die Zeit der Neuund Vollmonde entnommen werden. Gegen die Astro logie wendete sich seine Widerlegung der Weissagung des Priors Jakob von Klusa, die einzige in deutscher Sprache überlieferte Schrift Johannes'von Gmunden. Daß aber auch Johannes von Gmunden noch den scholastischen Anschauungen über den Kosmos gehul digt hat, zeigt eine von ihm stammende, offenbar aucli von der Wiener theologischen Fakultät approbierte, wohl großformatige zeichnerische Darstellung des Weltalls (mit Erde, Wasser, Hölle, Planetensphären, Firmament, Himmel usw., im wesentlichen nach der aristotelischen Lehre), die in der Apsis des Apostel chores der Wiener Stephanskirche aufgehängt war und von der uns eine Beschreibung erhalten ist'"). Der bahnbrechende Gelehrte, der seine Bücher und Instrumente der Artistenfakultät vermacht hat, ist am 23. Februar 1442 wohl in Wien gestorben und wurde in der Stephanskirche in Wien begraben"). Sein Grab mal ist, so wie die Grabmäler aller Professoren und Kanoniker, die im Mittelalter in dieser Kirche bestattet wurden,verschollen. Literatur: E. Zinner, Verzeichnis d. astron. Hand schriften d. deutschen Kulturgebietes (1925) 119—126; H. Göhler, Das Wiener Kollegiat-,nachmals Domkapitel zum hl. Stephan in seiner persönl. Zusammensetzung 1365—1554(ungedr. phil. Diss. Wien 1932) 237 f. nr.136; Die deutsche Literatur des Mittelalters, Verfasserlexi kon 2 (1936) 594 f., 5 (1955) 461 f.; E. Zinnei-, Leben u. Wirken des Johannes Müller v. Königsberg gen. Regiomontanus (1938) bes. 14—16; R. Klug, Johannes V. Gmunden, der Begründer d. Himmelskunde auf deutschem Boden (Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. Wien, phil.-hist. Kl. 222/4, 1943); D. B. Durand, The ViennaKlosterneuburg Map Corpus of the 15th cent. (Leiden 1952); E. Zinner, Deutsche u. niederländ. astron. Instru mente des 11.—18. Jh. (1956); A. Lhotsky, Umriß einer Geschichte d. Wissenschaftspflege im alten Niederöster reich (1964) 74—76; ders., Die Wiener Artistenfakultät 1365—1497 (Sitzungsber. ci. österr. Akad. d. Wiss., phil.- hist. Kl. 247/2, 1965, 153—159); E. Bernleithner, 600 Jahre Geographie an d. Wiener Univ. (Studien z. Geschichte d. Univ. Wien 3, 1965, bes. 64—68); K. Ferrari d'Occhieppo — G. Hamann, Das Werden eines neuen astron. Weltbildes im Spiegel alter Hand schriften u.Druckwerke(Ausstellung zum 500. Geburts18
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