Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

rieh Schulthehs, die kirchliche Weihe, „daß nunmehr mit der Beerdigung jener verstorbenen Pfleglinge, wel che armutshalber auf Kosten des n. ö. Landesfondes beerdigt werden müssen, sofort vorgegangen werden wird"'^). Am 27. Oktober 1891 wurde der erste Pflegling auf dem Anstaltsfriedhof beerdigt. Im Laufe des ersten Jahres waren 41 Begräbnisse auf Kosten der Anstalt. Von der Haustischlerei wurden Grabkreuze aus Lär chenholz angefertigt, ein Blechtäfelchen trägt den Namen des Verstorbenen-''). 1902 wurde der Friedhofsteil erweitert durch An kauf von Parzellen (von Frau Hermine Hanel, Herrn Julius Falb,H.Karl Hobmayeir®). Auf dem Kierlinger Friedhof wurden auch beer digt Rektor Dr. Franz Zimmermann (1943), Anstalts direktor Dr. Karl Oman (1954), ebenfalls mehrere geist liche Schwestern aus der Anstalt (1919 Schw. Geresina, 1922 Schw.Fabia, 1927 Schw. Gamaliela, 1959 Schwester Pauline, eine Künstlerin im Malen und Zeichnen, 1963 Schw. Tiburtia, die 37 Jahre im Kinderhaus verbracht hatte. Von Letzterer erzählt die Chronik, daß sie die letzte Woche noch ihre Arbeit im Kirchengarten ge macht hat und man ihr die letzten Rosen in den Sarg legte). Chorherr Roman Himmelbauer,Pfarrer in Kierling, widmete 1927 ein schönes Marmorkreuz für das Grab von Schw. Gamaliela-"). Quellenvermerk: Landesarchiv Wien, Herrengasse: Stenographische Protokolle des n. ö. Landtages 1880— 1921 (abgekürzt prot.), Karton 48/14 — Irrenanstalt Kierling-Gugging 1890—99 (Abk. Karton), Landesregi stratur 1793—1904, Irrenanstalt Kierling-Gugging, in F8(1900—04)und F 9(1900—04)—(Abk. Archiv).Pfarr archiv Kierling: Pfarrchronik 1886-—1970 (Band B und C). Chronik der Kreuzschwestern (Laxenburg). Anmerkungen: ^) Prot. (30. 12. 1886) S. 127f. — 2) Karton 48/14: 1890. — •') Karton: 1890. — *) Ebenda. — ®) Ebenda. ")Ebendia. — '') Ebenda.— ®) Ebenda.— ®) Ebenda. — '") Karton: 1891. — ") Ebenda. — ■") Archiv: Gruppe XXVI, Jahr 1906, ZI. 1550. — '3) Ebenda, Jahr 1907, ZI. 1070 u. 1610. — ") Chronik der Schwestern, Jahr 1933. — ^^) Ebenda, Jahr 1961, 1963, 1964. — '") Ebenda, Jahr 1960. — ") Ebenda, Jahr 1959. — '®) Ebenda, die entsprechenden Jahre. — ^^) Ebenda. — ^) Pfarrchronik Kierling C, Jahr 1944. — 2') Karton 48/14: 1890. — ") Prot. (12. 12. 1890), S. 882. — 22) Karton 48/14: 1891. — "•") Ebenda: 1892. — ") Archiv F 8 (1902). — 20) Chronik d. Schwestern, die entspre chenden Jahre. 16. Caritas-Sorge um die nlchtarischen Kathollken ab 1938 Nachdem trotz den heuchlerischen Versicherungen die „Reichspost" und ihr Redaktionsstab Opfer der NSGleichschalter geworden waren und Redaktionsmitglied Hans Huebmer ab Herbst 1938 nach fünfzehnjähriger Mitarbeit von der Wiener Stelle der NS-Reichspressekammer aus der Schriftleiterliste gestrichen war, fand er beim Caritasinstitut der Erzdiözese Wien im „Referat für die Auswandererhilfe bei den nichtarischen Katho liken" eine Betätigung, von der er uns in seinem Buch „Von Gestern bis Morgen, Von Menschen und Län dern" (West-Verlag Bregenz, A. B. 1949, S. 105 f.) fol genden erschütternden Bericht gibt: Die natio nalsozialistische Rassengesetzgebung hatte manchen Katholiken, der kürzere oder längere Zeit der katholi schen Kirche angehörte, manchen auch, der schon gleich nach seiner Geburt getauft worden war, aber von jüdi schen Eltern oder Großeltern stammte, zum ,Juden' gemacht und damit der Vernichtung preisgegeben. Das Elend der Menschen, die oft aus guten Verhältnissen heraus dem Hunger und der Obdachlosigkeit überlie fert waren, war grenzenlos. Hier rein unterstützend mit Geld oder Lebensmitteln zu helfen, war aussichtslos, da dadurch die Menschen vor der Verfolgung nicht ge schützt werden konnten. Es war alltäglich, daß jemand gestern bei mir erschienen war, der heute verhaftet wurde und morgen ins Konzentrationslager wanderte, aus dem er nur entlassen wurde, wenn eine Auswande rungsmöglichkeit vorhanden war. Leider war hier die Hilfsmöglichkeit nur gering. Mit einer Beharrlichkeit, die einer besseren Sache würdig gewesen wäre, sperr ten die Einwanderungsländer ihre Grenzen. Grundsätz lich waren Paßwerber aus akademischen Berufen, aus dem Bank- und Handelsfach abgelehnt, aus allen Be rufen also, in denen Nichtarier zu finden sind. Bauern und Farmer konnte ich aus meiner Klientel natur gemäß keine zur Verfügung stellen. Ich muß bedauernd feststellen, daß man im Ausland für diese Not wenig Verständnis fand. Ich habe sogar das Gefühl, daß in manchen Ländern die Vorstellung herrschte, eine För derung der jüdischen Auswanderung aus Großdeutsch land sei Unterstützung der Bestrebungen des Nazi regimes. In Wirklichkeit hätte es sich nur darum ge handelt, Menschen zu retten. Politik mußte von einer solchen Hilfsaktion ferngehalten werden, wollte man sie nicht vom ersten Tage an unmöglich machen. Ge radezu absurd war es, wenn manche überseeische Länder als für die Einwanderung nicht geeignet dar gestellt wurden, da dort die Lebensverhältnisse für Mitteleuropäer zu primitiv seien; günstiger als im Ver brennungsofen zu Auschwitz wären sie bestimmt im fernsten Lande gewesen. Das Problem stieg ins Riesengroße, als mit dem deutschen Einbruch in Polen die Zahl der Juden inner halb der deutschen Reichsgrenze von Hunderttausendep zu Millionen wuchs; auf der anderen Seite wurden mit Kriegsausbruch die Auswanderungsmöglichkeiten immer geringer. Gerade kleine und überbevölkerte europäische Länder wie Holland haben getan, was sie tun konnten, letzteres mit einer großen Hospitalisierungsaktion für Insassen von Konzentrationslagern, die mit dem Einreiseschein die Freiheit erlangten. Leider blieben die meisten der nach Holland geretteten katho lischen Nichtarier dort im Lager sitzen, weil keine über seeischen Länder ihnen die Einreise ermöglichten, und wurden im Jahre 1940 wieder dem deutschen Zugriff ausgeliefert. Als mich die Kriegsereignisse nach Hol land führten, habe ich von manchem meiner ehemali gen Bekannten erfahren, daß er in das Konzentrations lager Vucht oder gar nach Polen gewandert war; und was in diesem Falle ,Polen' hieß, ist heute weltbekannt. An der Auslöschung von Millionen Menschen haben hier manche Mitschuld auf sich geladen, die zu Zeiten, wo man die Menschen hätte retten können, die Grenzen verschlossen haben. Mich haben die anderthalb Jahre, die ich bei dieser Hilfsaktion gearbeitet habe, viele Nerven gekostet. Er schütterndes Elend auf der einen Seite, Unverstand auf der anderen, dabei täglich darauf bedacht sein müssen, daß das geringste Ausrutschen nicht nur mich selbst, sondern die ganze Hilfsaktion gefährdet hätte, das brachte mir die vielleicht schwersten Monate meines Lebens. Dazu kam in steigendem Maße die Erkenntnis, daß meine Arbeit umsonst war. Aber die Briefe derer, denen es doch glückte, im Auslande sich ein neues Leben zu schaffen, sind mir kostbare Andenken ..." Herausgeber, Verleger und Eigentümer: Erzb. Ordinariat, Wien I, Rotenturmstraße 2. — Verantwortlicher Schriftwalter: Archivdirektor Univ.-Prof. Dr. Franz Loidl, Wien I, Rotenturmstraße 2. — Druck und Versendung: Mechitharisten-Buchdruckerei, Wien VII, Mechitaristengasse 4. 16

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