der 21. Juli 1935 als Tag der feierlichen Einweihung überall bekanntgemacht®®). An diesem Tag nun benediizierte Kardinal Innitzer die Kirche und weihte sie dem hl. Engelbert (1185 bis 1225), dem Namenspatron des Kanzlers, der als Erzbischof von Köln ebenfalls einem Mordanschlag zum Opfer gefallen war®^'). Propst Uhl (1883—1957)- aus Wiener Neustadt zelebrierte die Fest- und Gedächt nismesse am Freialtar. 10.000 Menschen waren mit den Festgästen gekommen, ungezählte andere erlebten die hl. Handlung durch den Rundfunk. Minister Stockinger vertrat die Bundesregierung, Generalsekretär Walter Adam erschien an der Spitze der Prominenz aus der VF; unter den zahlreichen Ehrengästen auch Bauernbunddirektor Ing. Figl. Der Festakt schloß mit der Übergabe der Kirche an die Pfarre Dredstetten, die nun im Grundbuch der Gemeinde Stollhof als Eigentümerin aufschien®''). Als Kirchenpatron fungierte die VF, und Pfarrer Hanig mauerte zuletzt die Schlußsteinurkunde in den Freialtar ein®®). Die Kirche ist, wie erwähnt,ein Ziegelbau mit stark in den Laienraum hineingerücktem Altar aus schwar zem Marmor. Ohne Dachbodenraum ist das Dachkon struktionsholz sichtbar, das Dach selbst, weit über einen Pilgergang im Osten und Norden vorgezogen, mit alten handgeschlagenen Wiener Taschenziegeln gedeckt. Die Orgelempore ragt weit in das Kircheninnere. Die Südwand der Kirche ziiert innen eine originale Toten maske des Kanzlers. Der Kirchenraum wird fast aus schließlich vom großen Rundbogenfenster über dem Altar erhellt. Nach Richtlinien Kramreiters hatte es Gary Hauser ausgearbeitet und eine Innsbrucker Firma hergestellt. Auch die übrigen Einrichtungsgegenstände (Tabernakel, Ewiges Licht, Meßkännchen, Weihwasser becken, Aspergill usw.) hatte Kramreiter entworfen und dadurch der Kirche ein einheitliches Gepräge ge geben. Zwei Glocken fanden ihren Platz im massigen Turm®«). Der Kirche ist in der Turmachse ein Plateau vor gelegt, auf der der schwere Natursteinblock des Frei altars steht — der eigentliche Gedenkstein —,der auf seiner der Kirche zugewandten Seite die Inschrift trug: DR. ENGELBERT DOLLFUSS SEINE SENDUNG WAR KAMPF SEIN WILLE WAR FRIEDE SEIN LEBEN WAR OPFER SEIN STERBEN WAR SIEG Unter diesem Plateau schuf Kramreiter einen Opfer- und Gedächtnisraum, der nach Osten mit einem schmiedeeisernen Gitter abgeschlossen war. Für das Abbrennen von Opferkerzen bestimmt, erhielt er erst später seine als endgültig gedachte Gestalt: An der Rückwand ein großes Fresko mit dem Gekreuzigten in der Mitte, links und rechts Maria und Johannes und andere Heilige, und unter ihnen auch Dollfuß, darge stellt als Kaiserjäger®'). Auch die überlebensgroße St.-Engelbert-Statue süd östlich vor der Kirche kam erst später hinzu, genauerhin am ersten Patroziniumsfest (8. November 1935). Gestiftet von der Landesgemeinschaft der Pflichtschul lehrer Österreichs, hatte sie der akademische Bildhauer Franz Zorn geschaffen®«). Die Vaterländische Front war über das Erreichte hinaus gewillt, für die Erhaltung der Kirche und deren weitere Ausgestaltung zum Wallfahrtsort und öster reichischen Nationalheiligtum Sorge zu tragen. Sie trat, einer Anregung Weihbischofs Kampraths folgend, an das Ordinariat mit der Bitte heran, einen eigenen Vermögensverwaltungsausschuß zu schaffen und einen Erhaltungsfonds zu gründen, der als Startkapital 40.000 Schilling seitens der VF erhalten würde. Da 1935, ab gesehen von den Eröffnungsfeierlichkeiten 35.000 (nach anderer Schätzung gar 50.000) Gläubige die Kirche be sucht hatten, an Sonntagen bis zu sechs, ja acht heilige Messen gelesen und manchmal sogar zwei Segens andachten gehalten worden waren, jeden Sonntag auch Trauungen vorgenommen worden waren; da schließ lich auch an vielen Wochentagen hl. Messe und Segens andacht sich regen Besuches erfreuten, erschien der VF sowohl als auch Pfarrer Hanig die Zuteilung eines jungen Hilfspriesters für die Sommermonate dringend erforderlich®"). So ist es sicher nicht zuviel behauptet, wenn wir sagen: Hier war tatsächlich ein religiöses Zentrum von großer Anziehungskraft entstanden, auch wenn wir alle politischen Bestrebungen in Rechnung stellen. Die zahl reichen Gottesdienste waren überaus gut besucht, und die Illegalen wagten nicht, die Kirche anzutasten — sie beschränkten sich darauf, Hakenkreuze an die Fels wände zu schmieren oder sie als leuchtende Symbole und wahre Irrlichter in der Dämmerung abzubrennen. Der Katastrophe vom 25. Juli 1934 verdankt die Kirche ihr rasches Entstehen und ihren Aufstieg, der Kata strophe des 13. März 1938 die tiefste Erniedrigung. IV. Die Saat des Hasses ging auf. In Eile. Es verbleibt dem Chronisten, die häßlichsten der bösen Früchte zu nennen. Noch am 13. März erschien die neue Gemeindever tretung von Dreistetten bei Pfarrer Hanig und entführte alle Unterlagen, Belege, Abrechnungen und allen Schriftverkehr, der die Dollfuß-Kirche betraf. Hanig selbst wanderte — schon am nächsten Tag? — in Schutzhaft, die Schreibmaschine des Pfarramtes und das Dienstauto für die Fahrten zur Hohen Wand wur den wenig später beschlagnahmt«"). Gleich in der ersten Nacht nach dem Einmarsch der Deutschen schafften zwei emsige Männerfäuste, um die Dollfuß-Inschrift am Freialtar der Kirche heraus zumeißeln; sie brauchten bis zum Morgengrauen«^). Doch dies war nur der Auftakt für die Verwüstungen des 1. Mai 1938. An diesem Tag erschien die HJ — auch sie verbarg ihr Tun teilweise im Dunkel der Nacht —,und riß die Totenmaske des Kanzlers herab, zerschlug die Fenster (sie wurden später notdürftig mit Brettern vermacht), überschmierte das Kruckenkreuz im Zentrum der gro ßen Rosette, zerstörte alle Beleuchtungskörper und ver brannte schließlich alles Verbrennbare. Nach diesen Heldentaten traten die Burschen den Rückzug an: Ihr Führer stürzte bei der Talfahrt vom Rad und verletzte sich lebensgefährlich. Das Volk sprach von einem Got tesurteil«®). Am 7. Mai jedoch traf im Ordinariat eine formelle Anfrage der Partei ein (als Rechtsnachfolgerin der VF), ob die Diözese nicht das Eigentumsrecht an Kirche und Inventar sowie an Grund und Boden er werben wolle, da die NSDAP „begreiflicherweise nicht in der Lage wäre, diese Kirche sachgemäß zu be treuen..."««). Inzwischen hatte die Pfarre Dreistetten in Franz Brosig einen neuen Seelsorger erhalten«'') ,der am 27. Mai die Kirchenschlüssel abliefern mußte ««). Tags darauf wurde die Kirche im Auftrag der Kreisleitung Wiener Neustadt versiegelt:Überfrüheres Eigentum der VF habe das Ordinariat keinerlei Verfügungsrechte««). Am 10. Juni endlich fand ein Illegaler aus Dreistetten Gefallen am Inventar des an die Sakristei angebauten Priesterzimmers und nahm alles Brauchbare an sich«"'). Selbstverständlich bemühte sich Brosig um die Wie dereröffnung der Kirche — und erhielt am 18. Juni 1938 tatsächlich wieder die Kirchenschlüssel ausgefolgt. Man fand sich sogar zu einer Inventaraufnahme bereit, eine Liste fehlender Gegenstände wurde angelegt«®). An den nun folgenden Wochentagen zelebrierte der hier seinen Urlaub verbringende Eduard Dürst (1897—1962) die hl. Messe«"), am 24. Juli feierte Brosig den ersten Sonn tagsgottesdienst nach langer Zeit und bat am folgenden Tag das Ordinariat, die Wiedereröffnung der Kirdie in der Presse bekanntzumachen''"). Der Fisch war ins Netz gegangen, das Schicksal der Gottesdienste besiegelt. Denn am 26. Juli wußte die Gestapo bereits mitzuteilen, daß Pfr. Brosig eine Dollfuß-Gedächtnismesse gehalten
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