chen jenes ärmlichen Scholastizismus, der mit der gro ßen echten Scholastik nichts mehr gemeinsam hatte. Daher hätte es nicht viel gefehlt, und Kutschker wäre der Theologie untreu geworden. Daß er diesen Gedan ken nicht verwirklichte, ist dem Gebet und dem Zu spruch seiner Mutter und den ermunternden Worten seines Heimatspfarrers zu verdanken. Er überwand diese Krise und fand wieder zu seiner anfänglichen Be rufung zurück. Er lernte wieder „von Herzen zu beten"'^). Eine der positiv zu bewertenden Einführungen des Josephinismus war die k. k. Verordnung, daß die Alum nen und Theologen den Lehrlingen Wiens an Sonnund Feiertagen im Stephansdom und in allen Pfarr kirchen katechetischen Unterricht erteilen sollten. Den theoretischen Unterricht zu diesen praktischen Übun gen erhielten die Seminaristen in den katechetischpädagogischen Vorlesungen an der k.k. Normalhaupt schule St. Anna durch den Professor der Katechetik und Pädagogik Franz Schmid'®). Diesen Vorlesungen hat Kutschker eifrigst beigewohnt und die Prüfung mit Auszeichnung bestanden. Mit 21 Jahren hatte er das vorgeschriebene theologische Studium abgeschlos sen, konnte aber zufolge seiner Jugend noch nicht die Priesterweihe empfangen'"). Sie mußte um mehr als ein Jahr aufgeschoben werden, da auch die eingereichte Dispens zunächst erfolglos blieb"). Vier Jahre war Kutschker im k.k. Konvikt ge wesen und hatte sich das Ansehen und Wohlwollen sei ner Erziieher und Lehrer und die Freundschaft seiner Mitschüler erworben. Da er seine natürlichen Gaben mit einer seltenen Arbeitskraft verband, wurde er bald Correpetitor seiner Fachgruppe, Präses und Subpräfekt. All diese pädagogischen Ämter versah er mit ebenso viel Liebe als Einsicht und Kenntnis, so daß ihm der Vorstand des Konviktes, Bernhard Seita, die besten Empfehlungen zu seiner Entlassung am 12. Juli 1832 mit auf den Weg geben konnte'®). Da für Kutschker als Angehöriger einer fremden Diözese die Verwendung in der Wiener Seelsorge nicht in Frage kam, konnte er ohne Unterbrechung seine theologischen Studien zur Erlangung des Doktorgrades fortsetzen. Deshalb siedelte er am 13. Dezember 1832 als Diakon in die k.k. höhere Priesterbildungsanstalt St. Augustin über, die im Jahre 1816 auf Anregung des k.k. Hof- und Burgpfarrers Jakob Frint — aus diesem Grund auch Frintaneum geheißen — gegründet worden war'"). Bei Kutschkers Eintritt stand sie unter der Lei tung des Burgpfarrers und Bischofs Johann Wagner, eines schroffen Gegners des Staatschristentums. Spi ritual war der Hofkaplan und Pastoralprofessor Ignaz Feigerle, einer der Studiendirektoren war Josef Colum bus. Mit ihm und Feigerle schloß er innige Freund schaft, die erst der Tod trennte. Mit großem Eifer stürzte sich der junge Theologe auf die Rigorosen, die laut Hausordnung des Frintaneums der Zögling „höchstens in 3 Jahren abgelegt und die Doktorwürde erlangt haben" mußte^). Kutsch ker schaffte es in 20 Monaten. Daneben versäumte er es nicht, mit ebensolchem Eifer, den er für das Stu dium aufwendete, sich den üblichen Aufgaben der Katechese in der Schule und auf der Kanzel zu wid men. Dafür zeigte er ja stets eine besondere Vorliebe®'). Als er zuletzt doch noch die Erlaubnis „cum dispensatione in tempere et interstitiis" erlangt hatte, bereitete er sich voll Ernst und inniger Freude in den vor geschriebenen lOtägigen Exerzitien auf die Priester weihe vor, die ihm am 21. April 1833 Erzbischof Milde im Stephansdom erteilte®®). Noch hatte aber Kutschker die theologischen Stu dien nicht abgeschlossen, und so mußte er weiterhin im Frintaneum bleiben. In dieser Zeit legte er die vor geschriebenen Rigorosen aus Moral,Pastoral, Dogmatik, KirchengeschicMe und Kirchenrecht „zur einstimmigen Akklamation der Examinatoren" ab. Nach ihrer Be endigung bereitete er sich auf die damals noch übliche öffentliche Disputation vor. Bei dieser verteidigte er aus dem Gebiet der gesamten Theologie an die 30 The sen in ihren verschiedenen Disziplinen®^). Mit 23 Jahren schreibt Kutschker seine erste wis senschaftliche Arbeit, die Dissertation über die „Ge mischten Ehen". Das Thema war sehr aktuell und ist sowohl in Deutschland als in Österreich viel diskutiert worden. Am 9. Juni 1834 wurde er unter dem Rektorat des Piaristen Cassianus Hallaschka zum Doktor der hl. Theologie promoviert®'). Inzwischen war an der Olmützer Universität der Lehrstuhl für Moraltheologie erledigt worden, der zu folge „Zerwürfnissen mit dem streitsüchtigen Prof. Gold und dem Ordinariat seit 1821 unbesetzt geblieben" war®®). Mit Erlaubnis seines Bischofs Ferdinand Chotek (1831—1836) bereitete sich Kutschker für den öffent lichen Konkurs um diese Lehrkanzel vor.Das bedeutete noch gründlicheres Studium, noch eifrigere Bemühun gen, die älteren und neueren Autoren dieses Faches kennenzulernen, und noch mehr mit der Literatur derselben vertraut zu werden. Die schriftliche Klausur arbeit, die das „Wesen der christlichen Tugend", die Erläuterung des „Probabilismus" und das „Wesen der Gelübde" zum Thema hatte, bot Kutschker reichliche Gelegenheit, sein umfassendes und gediegenes Wissen vor dem Professorenkollegium unter Beweis zu stellen. Er zeigte dabei große Vertrautheit mit den Lehren her vorragender Moraltheologen der Vergangenheit und Gegenwart. „Wegen der vorzüglichen systematischen und leicht faßlichen Darstellungsweise sowie s^nes verständlichen, angenehmen und gewandten münd lichen Vortrages" wurde Kutschker von den beiden zu ständigen Direktoraten,der theologischen Fakultät Wien und Olmütz. einstimmig „primo loco" unter vier Bewer bern der k.k. Studienkommission vorgeschlagen. Die sem Urteil schloß sich das schlesisch-mährische Gubernium an. Das Gutachten war nach allem Erwar ten für Kutschker wohlwollend und empfehlend, und da auch der Polizeibericht keine staatsfeindlichen Handlungen vorweisen konnte, wurde Dr. Kutschker mit allerhöchster Entschließung vom 24. Jänner 1835 zum Professor der Moraltheologie an der Universität Olmütz ernannt®'). 3. Kutschkers Olmützer Jahre Am 17. Februar 1835 hielt der junge Professor im Auftrage des Fürsterzbischofs und der k.k. Studienhofkommission sdne erste Vorlesung an der Alma Mater Franciscaea. Diese hatte in ihrem Anstellungs schreiben ausdrücklich vermerkt, daß sich der „Kandi dat, weil das Schuljahr schon weit vorgeschritten war, sofort zur Übernahme des Lehramtes begeben solle"®®). Das Erbe, das Kutschker beim Antritt seines Lehr amtes in Olmütz vorfand, war durch die Person und die Lehren seines Vorgängers Gold belastet; so mußte Kutschker zuerst mit dessen Meinungen und Irrtümern aufräumen. Vor allem setzte er das von der k.k. Studienhofkommission vorgeschriebene Lehrbuch von Reyberger®") vom Studienplan ab, das sich zwar durch methodische und geschmackvolle Darstellung des Stoffes empfahl, sich dem Inhalte nach jedoch an die zeitgenössischen protestantischen Schriftsteller an lehnte. Kutschker, der aus eigenen Vorlesungsheften vortrug, da nicht wenige Moraltheologen dieser Zeit ihre Lehren eher aus den französischen Enzyklopädisten und den deutschen Idealisten schöpften, sah seine vor nehmste Aufgabe darin, seine Hörer mit der katholi schen Lehre vertraut zu machen, soweit er nicht selbst dem Zeitgeist verfallen war. Seine Quellen waren die der Offenbarung: Hl. Schrift und Überlieferung. Dann erst verwendete er die Erkenntnisse der menschlichen Vernunft und die Lehrmeinungen der zeitgenössischen Moraltheologen. Kutschker hatte das seltene Glück, schon früh in seiner Bedeutung für die Wissenschaft erkannt und an erkannt zu werden.Seine treffliche Lehrmethode wurde allseits gelobt, die streng katholischen und gut politi schen Grundsätze immer wieder hervorgehoben. Auf Wunsch des Erzbischofs, der eine vollständige Um-
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