Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

kirchliche Personalgeschichte betrifft. Die biblische Losung:Die Wahrheit wird freimachen und siegen, muß den kirchlichen Zeitgeschichtler, angefangen vom kirchlichen Lokalhistoriker bis zum Weltkirchenhistori ker bestimmen und mit Mut und Eifer für möglichste Objektivität und verantwortbarste Fairness beseelen, unbekümmert, ob er gelegen oder ungelegen ankommt, sogar, ob es ihm nützt oder schadet. Anm.: So an den Universitäten Graz, Linz, Salzburg, Wien. — -) Neue Zürcher Zeitung, Fernaus gabe,Nr. 35, Blatt 9(Freitag, 5. Februar 1965). — Ebd. — *) Ebd. — ®) Ebd. — Ebd. — "') Anführung eines Beispiels aus der Profangeschichte. — ") Ebd. 2. Johann Rudolf Kutschker, Kardinal und Fürsterzbischof von Wien (1876—1881) (Durch die von August Eitler (P. Reinhold, SDS) i. J. 1956 eingereichte und von der Wiener kathol.-theol. Fakultät approbierte Doktor-Dissertation mdt dem Titel: Dr. Johann Rudolf Kutschker, Kardinal und Fürsterzbischof von Wien 1810—1881, hat auch dieser Oberhirte seine ausführliche Biographie und Leistungswürdigung erhalten. Da es bisher nicht möglich war, die Druckmittel aufzubringen, was sehr zu bedauern ist, sei dieser Auszug daraus hier vorgelegt und erneut auf die fleißig gearbeitete Dissertation hingewiesen. Die maschingeschriebene Dissertation umfaßt vier Seiten Vorwort und 361 Seiten Text und hat folgende Haupt kapitel: I. Der junge Kutschker (S. 1—21), II. Auf der Lehrkanzel zu Olmütz(S. 22-^9), III. Schriftsteller und Kanonist (S. 50—94), IV. K. u. k. Hof- und Burgpfarrer zu Wien (S. 95—141), V. Ministerialrat am Minoritenplatz (S. 142—194), VI. Weihbischof und Generalvikar (S. 195—208),VII. Erzbischof und Kardinal(S. 209—330), VIII.Im Urteil der Nachwelt(S. 331—333).IX. Anhang. Abkürzungen,Personen-, Orts- und Sachregister, Quel len- und Literaturnachweis (S. 334—361). Wie ersicht lich, beschränkt sich der Artikel auf die vorbischöfliche Periode. Dr.F.L. 1.Der junge Kutschker Johann Rudolf Kutschker, Kardinal und Erzbischof von Wien, wurde am 11. April 1810 zu Wiese in österreichisch-Schlesien als Sohn des Webers Johann Kutschker und dessen zweiter Frau, Anna Maria Schaf fer geboren'), wo er unter ärmlichen Verhältnissen auf wuchs. Hatte der Knabe vom Vater her eine tüchtige Portion Beharrlichkeit, Hartnäckigkeit und scharfes, gründliches Denken mitbekommen, so war es die be sinnliche Gemütsart, die Neigung zur Frömmigkeit und zum mystischen Schauen, der Hang zum Grübeln, die ihm von der Mutter in die Wiege gelegt worden sind. Beim Sohne finden sie in all ihrer Gegensätzlichkeit ihren Ausgleich und ihre Erfüllung^). Als Sohn armer Eltern war er auch zum Weberhandwerk bestimmt, doch erkannte Ignaz Schäfer, der Katechet der Schule, bald, daß der fleißige Knabe mit den seltenen Geistes gaben zu höherem bestimmt war, und es gelang ihm, den Vater dazu zu überreden, daß er seinen Sohn stu dieren ließ. So zog der Elfjährige von der Seifersdorfer Pfarrschule nach Troppau, wo er die Lateinschule be suchte und das sechsjährige Pensum bereits in vier Jah ren absolvierte, was von seiner raschen Auffassungs gabe und Intelligenz Zeugnis gibt. Der Tod des Vaters, am 8. Februar 1825, ließ die Familie in größter Armut zurück. Hätten nicht gute Menschen anderwärtig geholfen, so wäre es aller Vor aussicht nach nicht nur zur Aufgabe des Studiums, sondern auch zur völligen Verelendung von Mutter und Sohn gekommen. Ein Jahr nach dem Tod des Vaters schloß Kutschker seine Gymnasialausbildung ab und trat in das philosophische Studium ein, das zwar an der Universität gelehrt vmrde, aber doch nur Brücke zum höheren Fachstudium war®). Allerdings öffneten sich dem armen Studentlein die Pforten des Seminars nicht so ohne weiteres. Die göttliche Vorsehung hatte ihm nun einmal den Weg zum Priestertum nicht gerade leicht gemacht. Bis Ostern 1826 mußte Kutschker auf die Erledigung seines Gesuches um Verleihung eines Stipendiums und um Schulgeldbefreiung warten,ehe er am Lyzeum in Olmütz weiterstudieren konnte. Obwohl der Lehrbetrieb noch ganz von der Aufklärung, vom „josephinischen Geist" bestimmt war, ist für die gei stige Entwicklung Kutschkers die Tatsache von Bedeu tung, daß in Olmütz nicht unbedeutende Männer die Lehrkanzeln innehatten. Nicht wenige von ihnen mach ten sich in der literarischen Welt einen Namen und bahnten sich von hier aus den Weg zu den hohen Schu len von Wien und Prag. Die Zahl der Schüler war zu dieser Zeit nicht gering, und der Ruf des Lyzeums ging weit über die Grenzen des Landes hinaus'). Der all gemeine Wunsch nach Wiedererrichtung der Universi tät in Olmütz ist deshalb leicht begreiflich. Kardinal Fürsterzbischof Erzherzog Rudolf, dem das Majestäts gesuch um Reaktivierung der Universität überreicht worden war, sollte sie zu erreichen suchen®). Mit aller höchster Entschließung vom 11. März 1827 wurde das Olmützer Lyzeum zur Universität mit dem Recht er hoben, Doktoren der Theologie, Philosophie und Juris prudenz zu kreieren"). Kutschker stand eben im ersten Jahr der Philosophie, als sich diese Rangerhöhung des Lyzeums zur Universität vollzog. Bei den Prüfungen erlangte er im ersten Jahr unter 242 Kandidaten und im zweiten Jahr unter 60 Kandidaten den ersten Platz'). 2. Theologiestudium in Wien Auf Grund dieser hervorragenden Lernerfolge sandte Erzbischof Erzherzog Rudolf den jungen Philo sophiestudenten „als einen der fähigsten und gesittetsten Priesterkandidaten" zum Weiterstudium an die Wiener Universität®). Hier widmete er sich nun sieben Jahre dem theologischen Studium.Es war nicht leicht,im k.k. Stadtkonvikt, das mit Studierenden aus allen Teilen der Monarchie stets überbesetzt war, unterzukommen, da der Andrang zum geistlichen Stand in diesen Jahren besonders groß war,und so mußte auch Kutschker war ten, bis ein Platz frei wurde. Die Besetzung der theologischen Fakultät war zu dieser Zeit keine überragende und noch weniger konnte sie als Pflegestätte der Seelenkultur bezeichnet werden, denn noch immer beherrschten aufklärerischer Geist und josephinisches Staatschristentum die Männer, die an ihr lehrten"), denen die Verordnungen des Staates höher zu stehen schienen als die Autorität der Kirche. Besonders arg war es um das Kirchenrecht bestellt, das zu einer wahren „ancilla juris civilis" herabgesunken war und mehr aus k.nk.-Vorschriften denn aus kirch lichen Gesetzen bestand. Nicht viel besser stand es um die Kirchengeschichte, die ganz im Sinne des Cäsaropapismus vorgetragen wurde'"). Eine Ausnahme im Lehrkörper bildete der von Olmütz zugewanderte und Kutschker bereits bekannte Professor der Pastoral theologie und Spiritualdirektor bei St. Augustin, Ignaz Feigerle"). Er war ein ausgezeichneter Lehrer und gro ßer Verehrer des Aquinaten, bemüht, den Geist dieses Heiligen seinen Studenten darzustellen. Bürgten auch er und einige andere Männer, wie Zenner und Columbus, dafür, daß ein starker Wille zum katholischen Leben und Denken auch in Wien wirksam war, versuchte auch schon vor 1848 der Lehrkörper, sich vom würgenden Griff des josephinischen Staatschristentums zu lösen, so ging dies der akademischen Jugend doch viel zu lang sam, weshalb sie in stiller Opposition zum Josephinis mus und damit auch zu ihrem Erzbischof stand'-). Kutschkers zarte Seele ertrug nur schwer diese Lage der Dinge, zumal er auch von den Vorlesungen nicht recht befriedigt wurde. Nach seiner Ansicht fehl ten den wissenschaftlichen Bemühungen seiner Lehrer, deren priesterliche Haltung und Würde er sich zum Vorbild nehmen konnte, die rechte Tiefe und Klar heit"), stand doch die katholische Theologie im Zei

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