Reiche Pflege fanden die Profanwissenschaften. D.Simon Kirchberger^®®) aus Wien (1737—1781), Lektor der Theologie, leistete Hervorragendes auf dem Gebiet der Geschichte, der Geographie und der Dichtkunst. Die überragendste Gestalt aber war D. Pius Reinhold"®). Geboren am 26. Oktober 1757 zu Wien war er zunächst JesuitennoVize. Nach der Auflösung dieses Ordens trat er am 6. Jänner 1774 bei den Bamabiten ein und feierte am 8. September 1780 seine Primiz. Geistig ungemein regsam, erfreute er sich der Freundschaft der gelehrte sten und berühmtesten Männer seiner Zeit, wie zum Beispiel Denis, Sonnenfeld, Mastalier usw. Er war Mit arbeiter der „Wiener Realzeitung", deren Herausgeber Blumauer war.Dem Geist der Aufklärung ergeben,floh er am 20. November 1783 mit Professor Petzold nach Leipzig. 1784 kam er nach Weimar, wurde prot^tantisch und heiratete Sophie, die Tochter des Dichters Wieland.Er wurde Professor des kantianischen Systems in Kiel und Jena. In seinen letzten Lebensjahren soll er wieder in die katholische Kirche zurückgekehrt sein. Er starb 1826. D. Joh. Bapt. Peter aus Wien (1780—1866)"^) legte eine große Bibliothek an. Er spezialisierte sich haupt sächlich auf Humanistica. D. Gregorius Zudrung^^^) aus Böhmisch-Krumau (1819—1877) erwarb sich um das Ordensarchiv große Verdienste. Er starb als Propst von St. Michael. D. Severin Wachtelhofer^^®) aus Wien (1823—1865). Dr. phil. et med. war aktives Mitglied der Wiener philosophischen Fakultät. In mühevoller Klein arbeit trug er biographische Notizen aller jener Bama biten zusammen, die ab 1626 dauernd oder eine Zeit lang in Österreich verweilten. Unter den Barnabiten gab es auch tüchtige Samm ler. D. Anton Herzog, ein gebürtiger Wiener (1734— 1782), zuletzt in Margarethen am Moos, vermachte seine große Sammlung an Mineralien, Muscheln und Münzen dem Kolleg Mariahilf^"). D. Ferdinand Ziernig aus Mährisch Uttigsdorf (1817—1875)"®), Kooperator zu Mistelbach und Kurat zu Mariahilf, war als Sammler von Antiquitäten erfolgreich. D. Jakob Bach aus Mährisch-Neutischein (1833—1881)"®), Prokurator in Mistel bach und St. Michael, war Sammler antiker Münzen. Trotz aller Wechselfälle des Daseins bot der Barnabitenorden über zwei Jahrhunderte das imponierende Bild einer fest in sich geschlossenen Gemeinschaft. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts macht sich eine Unruhe bemerkbar. Es mehren sich die Austritte und Entlas sungen aus dem Orden und erreichen im letzten Jahr zehnt des Jahrhunderts einen Höhepunkt"^):Noch kön nen die Barnabiten ihren seelsorglichen und wirtschaft lichen Verpflichtungen nachkommen, aber man beginnt für die Zukunft zu bangen. Anläßlich eines Besuches des Weihbischofs Marschall am 14. August 1908 in Mariahilf^^®) meinte dieser: „Alle Kollegialen mögen alle Kräfte einsetzen, damit das gesunkene Re nommee... wieder gehoben werde. Niemandem möge der Vorwurf gemacht werden, er sei ein Totengräber des Ordens." 1912 bestellte die Gemahlin des österreichischen Thronfolgers, die Herzogin von Hohenberg, in der Mariahilferkirche neun heilige Messen und die Her zogin von Württemberg — eine Tochter des Erzherzogs F. M. Albrecht — eine hl. Segensmesse^^®). An sich keine weltbewegende Angelegenheit, aber für den Chro nisten ist es „ein Beweis, daß die Mariahilferkirche noch immer nichts von ihrem Ruf verloren hat". Durch den tragischen Ausgang des Ersten Welt kriegs, durch den Zusammenbruch der Habsburger monarchie verlor die ehemalige „k. k. Hof-Stadt-Pfarrund Collegiums-Kirche zu St. Michael" ihre Bedeu tung. Das Rückgrat war gebrochen. Es begann die Auf lösung der österreichischen Barnabitenprovinz. Von der Wiener Apostolischen Nuntiatur wurde 1919 der Rektor der Anima in Rom, Dr. Max Brenner, zum Visitator Apostolicus bestellt^^®). Er sollte die Verhältnisse des Barnabitenordens in Österreich prüfen. Das Ergebnis der Visitation in Mariahilf war der Auftrag an den Provinzial, die Kollegialen dieses Kollegs abzuberufen. Motiviert wurde er mit der mißlichen Finanzlage des Kollegs und mit der kritischen Situation in der Seel sorge. Dr. Leopold Binhack^^^), Propst und Pfarrer von Mariahilf, gab ersteres zu, protestierte aber gegen die zweite Anschuldigung auf das heftigste. Der nach Rom ergriffene Rekurs wurde abschlägig erledigt. Nach vorausgegangener Vereinbarung der beiden Generalräte (Salvatorianer — Barnabiten)"^'-") in Rom und mit Gutheißung des Hl. Stuhles wurde 1923 die Seelsorge und die Verwaltung der zeitlichen Güter den Salvatorianem zu treuen Händen übertragen. Mußte auch der Bamabitenorden seine Tätigkeit in Österreich einstellen, so hat er doch zahlreiche Spuren seiner segensreichen Wirksamkeit hier hinterlassen. Anfangs waren es hauptsächlich Italiener, die den Habsburgern bei der Rekatholisierung Österreichs und Böhmens beistanden und ihnen durch ihr diplomatisches Geschick aus den Wirren des Mantuanischen Erbfolge krieges heraushalfen. Später, als genügend deutscher Nachwuchs vorhanden war, widmeten sie sich voll und ganz der religiösen Betreuung des ihnen anvertrauten Volkes. Diesen frommen und sittenstrengen Männern schenkte der Adel und das Volk volles Vertrauen. Sie förderten mächtig die Anbetung des Allerheiligsten und schufen die Grundlagen zu einer gediegenen Hei ligen- und Marienverehrung. Zur Ausschmückung ihrer Bauwerke zogen sie die besten Künstler ihrer Zeit her an und halfen, das kulturelle Antlitz Österreichs mitzuprägen. Der Orden brachte auf den verschiedensten Gebieten tüchtige Männer hervor. Noch unter den letzten Barnabiten in Österreich gab es eine einsame Größe: D. Anton M. Rudolf Klafsky^'-") aus Winden im Burgenland. Er gilt als der bedeutendste Komponist seiner burgenländischen Heimat seit der Zeit Haydns. Edle Bescheidenheit und Herzensgüte zeichneten ihn aus. Mit Klafsky fand der einst für Österreich in reli giöser und kultureller Hinsicht so verdienstvolle Barnabitenorden einen würdigen Ausklang. Anm.: ^) Series R. Patrum Bamabitarum et V. Fratrum Conversorum ab anno MDCXXVI in Ger mania degentium vel per aliquot temporis ibi morantium. A. Don Severino Cancell. Provinciae 8. Juni 1864 confecta et finita. Handschrift, latein. Text. Michaeler und Mariahilfer Kollegsarchiv (MiKA u. MaKA. Nr. 1. Abk.:SPB bzw. SFB. — ^) Congregatio Clericorum Regularium St. Pauli Apostoli decollati seu Bamabitarum Provinciae Austriae anno MCMVI,Viennae Typis Kath. Schulverein f. österr. S. 11. Abk.: CB. — ®) MiKA, Abtlg. IX,Lade 82, Nr. 8. Ein Werk d. Bildhauers Josef Rösler um 1755. Für die Statue erhielt er fl. 85, f. d. Marmorieren fl. 15. — ^) Gottlieb Theodor, Die Bama biten in Wien. In: Reichspost, Wien, 4. Mai 1926. Dazu P.Pius Bonifacius Garns, Series Episcopomm..., Ratisbonae, Typis... G. J. Manz, 1873, S. 103. — ®) Joh. Hübners Genealog. Tabellen, Vlg. Joh. Friedr. Gledischens Sohn, Leipzig 1725, Tab. 307. Dazu: Posch Wal demar, Die Verehrung des hl. Blasius in St. Michael. In: Michaeler Pfarr-Brief, 1. Jg. Nr. 3, Wien 1951. — ö) SPB, Nr. 1, 2. — T) SPB. Nr. 3. — «) Lind Karl, Die St.-Michaels-Kirche zu Wien, Ber. u. Mitt. Altert. Ver., Wien 1859, S. 14. — ®) Ebda S. 15. Zur Entschädigung wurde er Dechant in Tulln. — ^®) Ebda, S. 14. ^1) Latein. Einführungsurkunde, veröffentlicht v. Lind, a. a. O.. S. 15. Dazu CB S. 11. — i^) Lind, S. 15. — (Fortsetzung folgt) Herausgeber, Verleger und Eigentümer: Erzb. Ordinariat, Wien I, Rotenturmstraße 2. — Verantwortlicher Schriftwalter: Archivdirektor Univ.-Prof. Dr. Franz Loidl, Wien I, Rotenturmstraße 2. — Druck und Versendung: Mechitharisten-Buchdruckerei, Wien VII, Mechitaristengasse 4. 48
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