Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

'die Überlassung wäre erfolgt „aus Unserem besonde ren kaiserlichen Wohlwollen für die Patres des ge nannten Kollegs St. Michael und zumal für P. Don Melchior Gorinus"'*), den Wir wegen seiner ausgezeich neten und zahlreichen Verdienste und hervorragenden Dienste, durch die er sich unser erlauchtes Haus Mantua und das gesamte Erzhaus Österreich verpflichtete, Unserer kaiserlichen Huld empfohlen haben". Die Be tonung der hervorragenden Dienste um das Haus Mantua legt die Vermutung nahe, Gorinus wäre nach dem Aussterben der Hauptlinie der Gonzagas (1627) und während des Mantuanischen Erbfolgekrieges (1628— 1631)^2) dem Herrscherpaar mit Rat und Tat zur Seite gestanden und hätte manchen Auftrag zu ihrer Zufrie denheit ausgeführt. Mit dem Tod Ferdinands II. ging eine entscheidende Epoche in der Entwicklung der Barnabiten in Öster reich zu Ende. Dank der Gunst des Kaisers und des Adels war ihre SteUimg restlos gefestigt^®). Ihre Sorge wandte sich nun mehr dem Volk zu. Auf Anregung ihres Ordensgründers, Antonius Maria Zac caria, war das 40stündige Gebet eingeführt worden"*^). Dieses fand nun in unseren Gegenden weite Verbrei tung. Die Heiligenverehrung erhielt neuen Auftrieb durch die Einführung des Blasiussegens in Wien^^). Vorerst wurde er mit zwei geweihten Kerzen erteilt. 1649 stellte die Kaiserinwitwe Eleonora den Barnabiten ansehnliche Reliquien dieses Heiligen zur Verfügung, die sie ihnen dann 1654 als Geschenk überließ. Seit die ser Zeit wird in St. Michael der Halssegen mit den Reliquien und nicht mit Kerzen erteilt. Von Österreich aus begann die innere Mission, die über andere Gegenden als die schon genannten, hinaus griff, ziemlich spät und in bescheidenem Umfang. D. Hieronymus Quandi, seit 1654 in Wien, gilt als Ur heber der schlesischen Mission. Ihm zur Seite standen D. Pius Casseta und D. Vigilius Battodetus. 1634 nach Wien gekommen, war er vor seinem schlesischen Ein satz in der Schweiz als Missionar tätig gewesen^®). Der Prager D. Wenzeslaus Popp (1691—1727) wirkte als Mis sionar dn Hannover^'). Der Versuch,auch in der Heidenmission Fuß zu fas sen, mißlang. 1722 wurde das Mis-sionsgebiet Ava und Pegu in Birma den Barnabiten übertragen"*®). Es war ein steiniger Boden. Kaum einer starb eines natürlichen Todes. Nach einer Sedisvakanz von 1745—1754 begann der Apostolische Vikar Nerini erneut mit dem Aufbau der Mission. Zu seiner Unterstützung wurde der aus Böhmisch-Warensdorf gebürtige D. Leo Kindermann^®) (Lindermann?)entsandt. Niemand weiß,ob er je sein Ziel erreicht hat. Vermutlich ging er 1754 bei einem Schiff bruch zugrunde. Nerini selbst erlitt 1756 das Martyrium. Durch die Barnabiten nahm das Wallfahrtswesen im Raum von Wien großen Aufschwung. Bahnbrechend war der fromme Priester D. Coelestin Joanelli"''). Er gilt als der Urheber des Marienkultes zu Mariahilf. Nach dem Gnadenbild wurde Wiens größte Geschäfts straße und der VI. Wiener Gemeindebezirk benannt. Hier trägt auch eine Gasse den Namen Joanellis. Zu Maria der Wegweiserin pilgerten zahlreiche Wie ner, als 1679 der Barnabit Casimir Dembsky®*) auf die Fürbitte Märiens von der Pest geheilt wurde. Diese Marienikone war 1672 von Kreta nach Wien gebracht worden und ziert heute den Hochaltar der Michaelerkirche. Heroisch war der Einsatz der Barnabiten zur Zeit der Pest. Teils trugen sie die Toten auf dhren Schultern zu Grab, wie der Pfarrer von St. Michael, D. Julian Pomers®^) und Fr. Leopold Zingerlein®®), oder starben 1679/80 bei der Ausübung ihres priesterlichen Beru fes®^). Besonders groß waren die Todesopfer der kleinen Friedhofsniederlassung zu Mariahilf. Auch unter den Laienbrüdern gab es Opfer®^). Durch die Pest verlor der Orden eines seiner hervor ragendsten Mitglieder: D. Felix Widman^®). Ein gesuch ter Seelsorger, sowohl in der Schottenpfarre als auch in St. Michael. Zu den größten Hoffnungen berechtigte D. Laurentius Janni®"'). 1659 reiste er mit dem kaiser lichen Internuntius nach Konstantinopel. 1679 wurde er von der Pest hinweggerafft. Im Streben nach Vollkommenheit ragten viele weit über das Mittelmaß. Der Novize D.Ildephonsus Fixus®®) war ausgezeichnet durch seine einzigartige Frömmig keit. Er starb 1654, kurz vor Ablegung seiner Profeß. D. Romuald Taurellus^®), 1672 Propst zu St. Michael, begleitete den kaiserlichen Gesandten Graf Bercha nach Dänemark. Dem Tode nahe verlangte er nach seinem Ordenskleid mit den Worten: als Kleriker habe ich ge lebt, wie ein Ordensmann gekleidet, will ich sterben. D. Angelus Franz Marana®®), geb. 1657, Lektor in Ita lien und Prag, fühlte sich zur Einsamkeit hingezogen und trat in den Camaldulenserorden ein. Seinem Bei spiel folgte D. Michael Sieker®^). Im Camaldulenserkioster auf dem Kahlenberg nahm er den Namen P. Romuald an. Der Wiener D. Julian Schörff (1655— 1735)®^), Propst der Reihe nach in den Kollegien Sankt Michael, Prag, Mistelbach und Mariahilf, dazu Vizeprovinzial, wurde „Vater und Zierde der Provinz" ge nannt. D. Ambrosius Endl aus Wetzlsdorf®'''), 1737 Propst zu Prag, war ein einzigartiger Verehrer der Gottes mutter. D. Paulus Schlechtlenthner®*) aus Wien, 1757 Propst zu St. Michael, erhielt den Ehrentitel „Familien vater". Er war ein gewissenhafter Ökonom,milde gegen Untergebene und hart gegen sich selbst. Ein Muster bild deutscher Redlichkeit. Noch vielen anderen wird ein ähnliches Zeugnis ausgestellt wie dem D. Simon Hofman®®) aus Maustrenk. Am 24. März 1727 geboren und am 29. Dezember 1755 gestorben, lebt er in der Erinnerung als frommer, gottverbundener Mensch wei ter. St. Michael war — wegen der Nähe der unruhigen kaiserlichen Residenz — wenig geeignet für die besinn liche Stille eines Noviziates. Zur Zeit Ferdinands II. wollte man es nach Mistelbach verlegen. Inzwischen hatten die Barnabiten in der Ried Schöff bei Sankt Theobald Grund erworben®®), der für ein Noviziat ge eigneter erschien als Mistelbach. 1675 richtete der Propst von St. Michael an Kaiser Leopold I. ein Ge such®'), dort ein Noviziat errichten zu dürfen. Wider Erwarten wurde am 16. Juli 1676 das Gesuch abschlägig beschieden®®). Schließlich wurde 1688 das Noviziat von St. Michael nach St. Benedikt auf dem Hradschin zu Prag verlegt®®). Dagegen konnte D. Casimir Demsky"*®), seit 1677 erster Kurat zu Mariahilf, vom Magistrat die Erlaubnis erwirken, in Mariahilf ein Kolleg zu errich ten. Er gilt als der Begründer des Mariahilfer Kollegs. Die Karmeliter auf der Laimgrube fühlten sich durch diese Neugründung der Barnabiten in ihren Rechten beeinträchtigt. Ihr Protest blieb erfolglos"^*). Mit der siegreichen Abwehrschlacht von 1683 war der Weg freigemacht zum Wiederaufbau. Das Stadtbild Wiens und darüber hinaus das der Orte Mistelbach und Margarethen am Moos haben durch die Bautätigkeit der Barnabiten eine nicht unwesentliche Bereicherung er fahren. Das Glanzstück ist die Mariahilferkirche mit ihrer wertvollen Ausstattung durch Meister ersten Ranges, wie Rottmayer, Troger, Dorfmeister usw.''^). Das Hauptverdienst für den Ausbau der Mariahilfer kirche gebührt dem Wiener D. Carolus Josephus Jung (1660—1732)'®),für das Kolleg, dessen heutiger Bau 1768 begonnen wurde, gebührt das Verdienst D. Franciscus Joseph Daniola aus Wien (1705—1784)'*'*). Mitbeteiligt waren die Barnabiten auch an der Ge staltung eines der schönsten Plätze Wiens: des Micha elerplatzes. Ursprünglich stand die Michaeierkirche frei da'®). 1712 ließen die Barnabiten in Richtung zum Kohlmarkt das Große Michaeierhaus errichten'®). Unter Propst D. Edmund Mattheser") erhielt 1724/25 der Haupteingang zur Michaeierkirche einen Vorbau mit dem Engelsturz des Lorenzo Mattielli als Bekrönung. 1732 erfolgte der Bau des Kleinen Michaeierhauses'®). 1792 wurde die Westfassade der Michaelerkirche von Emst Koch im Sinn des Klassizismus verblendet. Da mit bot der Michaelerplatz um die Kirche herum einen geschlossenen Eindruck. Verstreut in der damaligen Umgebung Wiens ent standen verschiedene kleinere Bauten. Propst Martin 46

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