Mit 1. Mai1919 trat Müller in den dauernden Ruhe- .stand und übersiedelte von St. Augustin nach Baden, um als Rektor an der ehemaligen k. u. k. Hofkapelle zur hl. Maria der Glorreichen (Frauenkirche mit ehem. Kloster der Augustiner-Eremiten, die als Filiale der Stadtpfarre St. Stephan, Baden, unterstellt ist), den Gottesdienst zu übernehmen""). 1940 zog er sich als Siebenundsiebziger ins Priester-Kranken- und Defizienteninstitut Wien III zurück, wo er schließlich nach vier Jahren starb und auf dem Baumgartner Friedhof (Wien XIV)bestattet wurde"). Nun zu seiner außerschulischen und Lebensauf gabe und damit zu seinen besonderen Verdiensten. Nachdem sich die christlich-katholische Lehrer schaft zur eigenen Verteidigung und Abwehr der an greifenden antikatholischen liberalen, alldeutschen und sozialdemokratischen Lehrervereinigung und deren Vereinsblättern und Presseerzeugnissen in sechs bzw. sieben Vereinen organisiert hatte"), trat auch inner halb der Geistlichkeit Österreichs noch vor Torschluß des 19. Jahrhunderts der „Wiener Katechetenverein" ins Leben, den die definitiven Religionslehrer der Bür gerschulen Wiens gründeten. Am 5. Oktober 1899 fand die konstituierende Versammlung statt und präzisierte als geistigen Zweck die Förderung des Religionsunter richtes vornehmlich an den Bürgerschulen, das ist: Erhöhung des wöchentlichen Ausmaßes für den Reli gionsunterricht von zwei auf drei Stunden, Lehrbücher, Lehrpläne, Lehrmittel, Fühlungnahme mit in- und aus ländischen, besonders deutschen katholischen Institu ten zur Förderung des Unterrichtswesens, praktische Ausbildung der Studierenden der Theologie für die spätere Schultätigkeit, katechetische Weiterbildung des Religionslehrers, Hebung der Berufsfreudigkeit"), und als materiellen Zweck, das ist: Förderung der Stan desinteressen der Katecheten, wie Herabminderung der wöchentlichen Lehrverpflichtung, Remunerierung der an fremden Schulen erteilten Unterrichtsstunden, Regelung des Pensionswesens der Katecheten"). Genauer drückten die gemeinsamen Anliegen noch die Vereinsstatuten aus, da es im § 2 heißt: das Ziel werde erreicht durch Vereinsversammlungen, in denen a) An gelegenheiten, die den Religionsunterricht oder die Katecheten betreffen, besprochen, b) katechetische Vorträge gehalten werden; 2. durch Errichtung einer dem Zweck des Vereines entsprechenden Bibliothek, 3. durch Herausgabe katechetisch-pädagogischer Druckschriften, 4. durch Adressen, Petitionen, Resolu tionen u. dgl."®). Bestimmt wurde, daß alle definitiven Bürgerschulkatecheten Wiens als ordentlidie, alle übrigen Katecheten Wiens und Niederösterreichs als außerordentliche Mitglieder beitreten können"). Aus drücklich wurde noch bemerkt; Um ängstlichen Her zen volle Beruhigung zu verschaffen, der Wiener Kate chetenverein stehe ganz auf dem Boden der Kirche, sei entstanden mit Wissen und Genehmigung der kirchlichen Obrigkeit, werde immerdar als gehorsamer Sohn die Stimme der Kirche hören, seine Aufgabe mit Mut und Eifer zu lösen suchen®'). Zum (ersten) Obmann wurde Bürgerschulkatechet Müller gewählt, und zwar einhellig, der von da an stets als Gründer bezeichnet wurde®®). Er hatte sich hiefür durch eine besondere Leistung empfohlen. In den Ferien d. J. 1899 hatte er eine Studien- und Infor mationsreise durch Deutschland unternommen, um sich über den katholischen Religionsunterricht an den dor tigen Volks- und Bürgerschulen zu unterrichten. „Da bei stellte er sich die besondere Aufgabe, vor allem die gesetzlichen Bestimmungen zu studieren, die den Religionsunterricht betreffen, um so ein möglichst voll kommenes Bild dieses Unterrichtszweiges zu gewin nen." 1900 erschien nun sein Buch unter dem Titel: „Eine katechetische Studienreise", Verlag Karl Fromme, Wien,136 Seiten, Preis: Kronen 1,80. „Der Reisebericht" (I. Abschnitt) und die „Infor mationen" (II. Abschnitt) beleuchten die Stellung, die der kath. RU kraft der geltenden Gesetze unter den übrigen Volksschul-Lehrgegenständen in Deutschland einnimmt. Trefflich wird da immer das Verhältnis zwischen Staat und Kirche hinsichtlich des RU klar gestellt; desgleichen finden stets Lehrpläne, Lehr bücher, Anschauungsmittel, vorgeschriebene religiöse Übungen gehörige Berücksichtigung. Auch bleibt der Verfasser nicht an den einzelnen Städten haften, er bietet des öfteren einen Ausbliese auf das ganze Land, das den betreffenden Bestimmungen in Schulangele genheiten untersteht. Die „Hospitierungen" (III. Ab schnitt) sind eine ganz hübsche Beigabe. Der TV. Ab schnitt „Vergleichung und Besprechung" ist die eigent liche Frucht der ganzen Reise und Arbeit. Die Folge rungen, die sich dem Verfasser aus dem Vergleich des deutschen RU-Wesens mit dem österreichischen erge ben, werden auf unsere Verhältnisse angewendet. Die an dieser Stelle besprochenen Themen umfassen die Grundlagen eines gedeihlichen RU und sind durch wegs interessant gehalten. Behandelt werden: Lehr plan (S. 64), Lehrbücher (S. 70), Vorbildung des Klerus für seine Schulttäigkeit (S. 76), Inspektion (S. 80), reli giöse Übungen (S. 82), Schulgebet (S. 83), Prozessionen (S. 84), Schulmesse, Sakramentenempfang (S. 85), Hilfs bücher (S. 90), Anschauungsmittel (S. 94). — Daß der Verfasser meist persönliche Ansichten bringt, liegt in der Natur einer Schrift, die „Katechetische Studien reise" heißt. — Auf das „Schlußwort" folgt ein „An hang" mit der oberhirtlichen Dienstanweisung für den RU an den Volksschulen der Diözese Freiburg i. Br. und eine kurze Darstellung der königlich-sächsiscüien Bestimmungen über das Memorieren in der Religions stunde®®). Soweit die Inhaltsangabe, die deshalb so genau vorgelegt wird, weil damit die Themen und Grundlagen für die späteren Anregungen, Referate und Korreferate des Obmanns in den von ihm geschickt und mit Sachkenntnis geleiteten ordentlichen und Haupt versammlungen des Katechtenvereins und einzelne seiner in den „Christlich-pädagogischen Blättern" publizierten Artikel angedeutet erscheinen. Genannte Zeitschrift, von dem Katechetiker Möns. Pfarrer Jo hann Panholzer 1878 aus eigenen Mitteln ins Leben gerufen und „durch 22 Jahre mit großer Umsicht und Sachkenntnis in aufopferungsvollster Weise gelei tet""), ging gleich mit Anfang des Jahres 1900 durch Kauf in das Eigentum des Wiener Katechetenvereins über®') und blieb bis zur Austilgung durch den Natio nalsozialismus 1939 sein eigentliches Sprachrohr und Organ®®). Möge nun dieses Vereinsblatt als Hauptquelle wenigstens einiges und sicher charakteristisches über Person und Haupttätigkeit des Obmanns berichten®®), wobei keineswegs Arbeiten und Verdienste übersehen seien, die für jede Versammlung, was Vorbereitung, Leitung und nachherige Durchführung der so ver schiedenartigen Beschlüsse und Wünsche des Plenums und des Vorstandes und Jahresberichte betrifft, abver langt wurden. 1903 publizierte Müller gemeinsam mit J. W. Pich ler einen ausführlichen „Entwurf einer Stoffverteilung für den RU in der Bürgerschule"®*), referierte über den Wiener Priester-Defizientenverein, bei dem es um aktuelle Probleme ging®®). Noch im selben Jahr mußte im Ministerium für Kultus und Unterricht wegen der Rechtsverhältnisse der Katecheten (Anrechnung der Seelsorgsjahre) verhandelt werden®®). Bezeichnend für seine Zeitaufgeschlossenheit und seinen praktischen Blick und seine Jugendseelsorge ist u. a. sein Referat über den RU an Gewerbeschulen, dessen Notwendig keit sich aus den Gefahren ergebe, denen gerade die Lehrlinge, was den Glauben und die Sitten angehe, ausgesetzt seien. Er äußerte deshalb die Ansicht, daß der RU apologetisch gehalten und als Ziel angestrebt werden müßte, die Gewöhnung der jungen Leute an die Erfüllung der religiösen Pflichten auch unter schwierigen Verhältnissen, aber ohne einen das Ziel vereitelnden Zwang walten zu lassen. Eine Stunde wöchentlich dürfte genügen und auch zu erreichen sein. Daß Müller damit eine wichtige Frage berührt hatte, offenbarte die daran sich entwickelnde lebhafte Debatte®'). Wenn daher geurteilt wurde, daß eine äußerst gut besuchte Versammlung in äußerst anregender Weise verlaufen sei, „was nicht in letzter Linie der Leitungs kunst unseres Obmanns zuzuschreiben"®®), braucht es 27
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