Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Nähe der Stadt Recanati gelegen, seine endgültige Bleibe fand. Bald kamen Pilger aus aller Herren Län der, um hier in jenem Hause, in dem das Wort Gottes Fleisch angenommen, zu beten. Das Heilige Haus ist heute prachtvoll überkleidet und eine große Kirche wölbt sich darüber. Die Maße desselben betragen in seinem Innern 9,25 m zu 4,10 m, die Höhe etwa 5m. Gebaut ist es nach Art orientalischer Häuser aus Brudisteinen,die Mauern blieben unverputzt. Mehrere Türen führen in das Innere, in dem ein Altar steht, an dessen Rüdeseite sich ein Herd befindet. Darüber steht in einer Vertiefung eine uralte Statue aus Zedernholz, Maria mit dem Jesuskind. Der Ruß der zahlreichen Lampen hat im Lauf der Zeit den Innenraum und auch die Gnaden statue völlig geschwärzt. Das 1883 vom Bausachverstän digen festgestellte Fehlen des Verputzes und die Ver rußung im Innern unserer Kapelle stammte also nicht, wie jener meinte, vom Brand im Jahre 1834, sondern entsprach ganz dem Vorbild der Casa santa.Im burgenländischen Wallfahrtsort Loreto am Leithagebirge ist heute noch die Gnadenkapelle zu Ehren Unser Lieben Frau von Loreto erhalten und Mittelpimkt der Ver ehrung. .-a.1 Verehrung xmd Dankbarkeit der Gläubigen waren stets bereit, an der Ausschmückung der Gnadenstätten mitzuwirken. Die stiftlichen Inventare aus dem 17. und 18. Jahrhundert®) lassen dies auch für unsere Kapelle erkennen. Bereits 1649 wird der wertvolle Schmuck der Gnadenstatue erwähnt: „Item zu Loreto Unser Lieben Frauen 4 khronen mit perl bestückt sambt deß khindls imd por (= zwei) engein." Dazu kommt später noch „ein kleines goldenes armb kettel umb den hals Unser Lieben Frauen". Eine beträchtliche Anzahl von „röckh" aus verschiedenfarbenen kostbaren Stoffen, silber- und goldbestickt, bildete die „Garderobe" der Gnadenstatue. Dazu kamen noch wertvolle Antependien, Vela, Altarpölster und auch ein Meßkleid. Große und kleine Lam pen aus Silber, in Kriegszeiten oft genug abgeliefert und durch solche aus Messing ersetzt, trugen zusammen mit den brennenden Kerzen bei, Kapellenwände und wohl auch das Gnadenbild zu schwärzen — ganz wie in der Casa santa zu Loreto. Zahlreiche Votivgaben und Votivbilder bezeugten die Dankbarkeit der Verehrer Mariens, deren Gebete Erhörung gefunden hatten. Das Inventar von 1771 spricht von 35 silbernen und vergoldeten Opfern. Dar unter befanden sich Nachbildungen menschlicher Kör perteile, ein silberner Kopf „von sechs oder acht loth", eine silberne Brust, ein silberner Fuß und ein silbernes vergoldetes Herz. An Votivbildern gab es ein „abbild mit einem deutsch geschribenen gebett in ein schwarze ramb gefaßt", imd ein „silbernes bildt in schwarz holz eingefast", außerdem noch „underschidliche bild inn und aussen henket". Von all diesen großen und kleinen Schätzen der Gnadenkapelle ist nichts mehr erhalten, ausgenommen vielleicht zwei vergoldete Engelstatuen und eine Krone aus unedlem Metall, die noch aus der Loretokapelle stammen könnten. Aber selbst über den Verbleib der Gnadenstatue ist nichts bekannt. Der Verlust aller Votivbilder wie das Fehlen von Aufzeichnungen macht es unmöglich,den Besucherkreis unserer Loretokapelle näher zu bestimmen. Es werden hauptsächlich die Bewohner der Stadt gewesen sein, die hieher kamen, doch läßt eine bei der Aufzählung der silbernen Opfer angefügte Bemerkung „aus Wienn" erkennen, daß der dankbare Spender kein Einheimi scher gewesen war. Die Karche hatte auch in unserem Fall den Loretokult durch Ablaßverleihungen zu fördern gesuchU). So gewährten verschiedene Päpste in den Jahren 1648, 1659, 1720,1735 und 1752 den Besuchern unserer Kapelle an den marianischen Festtagen verschiedene geistliche Vergünstigungen. Einen Ablaß von 100 Tagen konnte man gewinnen, wenn man an Samstagen und an Marlenfesten der Lauretanischen Litanei beiwohnte, die in der Barockzeit „figuraliter" gehalten wurde. Die Bulle Alexanders VII. von 1659 spricht sogar von einer frommen Bruderschaft — confraternitas sub invocatlone B. M. V. Laretaneae erecta, vel erigenda —,doch kam es nie dazu. Daß man auch kirchlicherseits zur Ansicht kam, die Loretokapelle sei entbehrlich und könne daher abge tragen werden,zeigt eher ein mangelndes Verständnis für diese Art des Marienkults. Dabei wurde fast gleich zeitig — 1894 — mit Erlaubnis des erzbischöflichen Ordinariates®) die „sogenannte Maiandacht" an jedem Mittwoch und Samstag des Monates Mai eingeführt und einige Jahre später eine „moderne" Marienstatue ange schafft, für die das Geld durch Sammlungen auf gebracht wurde. Die Marienverehrung hatte wohl nicht gelitten, nur eine neue Form angenommen,doch der stille Raum der dunklen Loretokapelle als Zufluchtsort für viele Be drängte und Hilfesuchende war verlorengegangen. Anmerkungen: i) B. Kluge in: S. Brunner, Ein Cistercienserbuch (1881), S. 275. — -) Neukloster Archiv (= NklA),L 249/5.— ®) NkhA fasc XIII/4.— *) Matthias Wägelle, Freiherr von Walsegg, Ahnherr der späteren Reichsgrafen von Walsegg auf Stuppach, wurde nicht in der Gruft der Loretokapelle bestattet, auch keiner seiner „Nachkhömling". — ^) Kirchenlexikon/Herder, 2. Aufl. (1893), Bd. 8, Sp. 146ff; — H. Aurenhammer, Marianische Gnadenbilder in Niederösterreich, Wien (1956), S. 34f. — «) NklA, L 112/0/6; L 150/5—9. — ') NklA,L 112/0/3. — 8) NklA,L 260/5/6. 16. Die Margaretenkirche in Oberrußbach Karl Keck,Senning Oft bewunderten so manche Fremde unser altehr würdiges Gotteshaus. Es ist der heiligen Margarethe geweiht. Da es im hinteren Teil noch romanische Züge aufweist[Ansatz in den Seitenmauem für die alte Holzdeche und an der Außenwand der Menschenkopf (mit Vogelleib?), der einzige Rest einer wohl größeren Aus schmückung des Portals], so geht das Gebäude auf den Ursprung im 13. Jahrhundert zurück, wie die etwas ältere prachtvolle Kirche in Schöngrabern. Dazu paßt der Umstand, daß 1259 eine Margaretha als Gattin des Otto Floyt, des Besitzers der Herrschaft Oberrußbach, aufscheint. Beide sind wohl die Stifter der Kirche und der kleinen (Haus-)Pfarre. Hochschulprofessor Doktor Adalbert Klaar, Wien, der bekannte Kirchen- und Häuserbauforscher, der hundert Kirchen besucht und deren Bauzeit bestimmt hat, setzt die Entstehung der Männerfigur um 1230 an'). Vielleicht gehörte diese Plastik zum Schmuck des jetzigen einfachen Portales. Oder sie war vor dem Zubau des Altarraumes im 14. Jahrhundert in der damals abgerissenen Apsis ange bracht, so wie in der um einige Jahrzehnte älteren Schöngrabener Kirche. Es sollte etwa der Prophet Jonas dargestellt werden, dessen Errettung aus dem Leib des Wasserungetüms nach drei Tagen auf die Auferstehung Christi hindeutet. Derlei Figuren waren die Bibel der einfachen Leute. Die Darstellungen an der berühmten Kirche in Schöngrabern bei Hollabrunn, veranlaßten die Verfas ser des letzter Werkes über diese Kirche,ihrem Buche den Untertitel „Biblia pauperum" zu geben. Die Ober rußbacher Kirche, die 1393 und bis 1627 Pfarrkirche genannt wird®i ®)' besaß durch die Widmung der nur durch einen tiefen Graben getrennten Herrschafts inhaber einen ziemlichen Besitz. Noch 1455 gab Bern hard Floyt seinen Dorfanteil an Marchtal (Marital, jetzt Mariathal) mit einem Einkommen von jährlichen 10 Pfund Pfennigen für eine Messestiftung zur Kirche'*). Seit 1531 ist dieser Besitz nicht mehr bei der Pfarr kirche. Er mag vertauscht oder eingezogen worden sein. 1575 verkauften die Grafen zu Hardegg, Glatz und Machland,das Dorf mit 15 Untertanen an die Herrschaft Guntersdorf^). Die Hardegger, die ab 1582 Stetteldorf besaßen, kauften 1502 dem Hans von Auersberg, der nach dem 18

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