Beiträge y^jeng,. Diözesangesdiidite BE I LAQE DES WIENER DIÖZESANBLATTES Nr. 5(Mai 1973) III. Jahrgang Nr.3 Wien,am 1. Mai 1973 14.Jahrgang Inhalt: 15. Die Loretokapelle an der Neuklosterkirche in Wiener Neustadt. Ein verlorengegangenes Marien heiligtum. — 16. Die Margaretenkirche in Oberrußbach. — 17. Aus den Reformvorschlägen der Wiener Kath.-theol. Fakultät im Jahre 1902. — 18. Barocke Fußwaschung-Stiftung für eine Landpfarre. — 19. Die Geschichte der Pfarre Hausbrunn. — 20. Vinzenz Eduard Milde als Pädagoge neuerlich geehrt. — 21. Reihe der Weltpriester-Pfarrer von St. Augustin, Wien I. — 22. Erzbisdiöflicher Visi tationsbericht vom Jahre 1830 (Dekanat „Ob dem Bisamberg" u. „Michaelsberg"). — 23. Weltpriester als Kirchendirektoren bei St. Ursula in Wien. 15. Die Loretokapelle an der Neu klosterkirche in Wiener Neustadt Ein verlorengegangenes Marienheiligtum Dr.Heinrich A.Mayer Wer heute die Neuklosterkirche in Wiener Neustadt betritt und dort nach einer Loretokapelle sucht, wird vergeblich suchen; und wer nach ihr fragt, wird keine Auskunft erhalten. Obwohl die Kapelle, die als selb ständiger Bau neben der Kirche an deren Nordseite gestanden und von ihr aus auch betreten werden konnte, erst 1895 im Zuge einer Straßenregulierung abgetragen worden war, ist heute jede Erinnerung an sie geschwunden. Noch 1881 konnte der damalige Archi var des Stiftes Neukloster, P. Benedikt Kluge, von ihr sagen:„Eine Loretokapelle zieht Verehrer der seligsten Jungfrau Maria in großer Anzahl in ihr stilles Dunkel, um, zumal an Samstagen und Marienfesten, daselbst dem Allmächtigen durch seinen Sohn ihre Gebete und Anliegen in Begleitung der Fürbitte Mariens in trau licher Andacht vorzutragen und emporzusenden''^).Dem Schicksal dieses Marienheiligtums soll nun nachgegan gen werden. Diesem Unterfangen stellen sidi einige Hindernisse entgegen. Wir besitzen weder Bilder noch eine Besdireibung vom Innern der Kapelle und nur auf einigen alten Ansichten ist an der Nordseite der Neukloster kirche ein kleiner Anbau zu sehen, dessen Dach ein Glockentürmchen trägt, das allerdings nach dem großen Brand von 1834 nidit wieder hergestellt wurde. Einige Angaben über den Kapellenbau finden sidi in der sogenannten „Technischen Äußerung", einem Gut achten, das 1883 von der zuständigen Behörde über den Bauzustand der Loretokapelle erstellt wurde-). Dort heißt es unter anderem; „Die erwähnte Kapelle ist gegen Norden an die Langseite des linken Schiffes angebaut und besteht aus einem einzigen, mit einer vollen Tonne, deren Achse Ost—West liegt, eingewölb ten Räume, in welchem vorstehend vor der östlichen Giebelmauer sich der Altar befindet; an der Westseite, jedoch nicht unter demselben Dache, sind einige unbe deutende gewölbte Nebenräume." Die Höhe des Kapel lenbaues „ist eine solche, daß die Spitze des auf allen Seiten abgeschöpften 45gradigen Daches noch unter dem Hauptgesimse der Kirche zu liegen kommt". Das Innere der Kapelle wird gesdiildert als „größtenteils und das Gewölbe ganz unverputzt.Die noch sichtbaren Verputz reste, so wie die Ziegel sind größtenteils geschwärzt, wahrscheinlich in Folge des Brandes vom Jahre 1834". Der allgemeine Bauzustand wird als schlecht bezeichnet und Erneuerungsarbeiten wären schon aus Sicherheits gründen unerläßlich. Der Begutachter, der k. k. Inge nieur Höck, stellt abschließend die Frage, „ob es nicht zweckmäßiger wäre, diesen Anbau gänzlich zu kassie ren,falls derselbe für kirchliche Zwecke überhaupt ent behrlich ist". Tecimisch könne dies ohne Schaden für die Kirche geschehen, da beide Gebäude in keinem konstruktiven Zusammenhang stehen. Die Stiftskirche würde durch die Freilegung ihrer Nordseite gewinnen, während die Kapelle nur geringen Kunstwert besitze. Dieser Anregung folgten die zuständigen kirchlichen und staatlichen Stellen und ließen, wenn auch erst 1895, die Loretokapelle abtragen. Über die Stiftung unserer Kapelle gibt eine Urkunde, die im Neukloster Archiv aufbewahrt wird, Auskunft''). Sie wurde zu Wien am 20. Dezember 1647 ausgefertigt, ist auf Pergament geschrieben und mit Siegel und Unterschrift des Ausstellers bekräftigt. Darin erklärt ein Matthias Wägelle auf Kielmansegg und Stuppach, auch Pfandinhaber der kaiserlichen Herrschaft Klam und einer löblichen Landschaft des Epherzogtums Österreich unter der Enns bestellter Einnehmer, daß er „aus sonderbahrer devotion und andacht" zur Gottesmutter und reinsten Jungfrau Maria, die er seit seiner Jugend gehabt und bis in seine ,,grueben" unverändert haben werde,„ain abson derliche Capellen mit nahmben Unser Lieben Frauen Loreto Capellen auf weis und arth deren zu Loreto Selbsten" im Kloster der heiligen Dreifaltigkeit in der Neustadt, Neukloster genannt, „fundiert und ganz von grundt auf gebaut habe". Da zu einer Fundation auch eine Dotation vonnöten sei, errichte er diese Stiftung zur baulichen Erhaltung und weiteren Ausstattung der Kapelle mit allem zum Gottesdienst Nötigen,zur Unter haltung eines ewigen Lichtes und der Feier einer täg lichen hl. Messe zu Ehren Unserer Lieben Frauen in der Kapelle. Weiters verlange er für sich und seine „Nachkhömling", daß sie ein „begrebnuß in meiner khrufften darin ad beneplacitum haben sollen". Zu diesem Zweche übergibt der Stifter dem Abte Bern hard des Neuklosters eine Obligation, lautend auf 8009 Gulden und 40 Kreuzer. Laut diesem Schuldschein schuldete Kaiser Ferdinand III. der Frau Anna Maria Herzog, geborenen Springer, diesen Betrag. Matthias Wägelle war durch Zession in den Besitz dieser Obliga tion gekommen und verwendete sie nun zur Finanzie rung seiner Stiftung. Die fälligen Interessen — 6 Pro zent — sollten in Zukunft vom kaiserlichen Hofzahlamt an das Neukloster ausbezahlt werden. Der Stifter Mathias Wägelle^) hatte also seine Kapelle ganz nach dem Muster des Heiligen Hauses im italienischen Loreto bei Ancona erbauen lassen. Sie war also eine der Nachbildungen der Casa santa, wie sie besonders seit 1627, als die Gemahlin Ferdinands II., Eleonora von Mantua, eine Loretokapelle in der Wiener Hofkirche zu St. Augustin gestiftet hatte, an vielen Orten der österreichischen Erblande errichtet wurden. Die Verehrung des im christlichen Abendlande weit verbreiteten Loretokultes galt jenem Hause, in dem Maria von Nazareth gewohnt und in dem sie die Bot schaft des Engels von ihrer Auserwählung zur Gottes mutter empfangen hatteS). Nach der Überlieferung wurde dieses Haus nach dem unglücklichen Ausgang der Kreuzzüge auf wunderbare Weise durch Engelshand aus Palästina fort und nach Europa gebracht, wo es im Lorbeerhein einer edlen Dame namens Laureta, in der 17
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