Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Se. Exc. d. H. Oberste Kanzler haben mich mit Schreiben vom 22.129. April d. J. in Kenntniß ge setzet, daß S. k. k. Majest. eine Kommission zur Erstattung eines Vorschlages über die zweck mäßigste Einrichtung einer Strafanstalt unter dem Vorsitze EE. niederzusetzen befohlen haben, zu welcher ich einige Sachverständige Geistliche er nennen und EE. in Antrag bringen soll. — Da ich die Wichtigkeit der Verhandlung erkenne, und einsehe, wie nothwendig es ist, daß die Kom missionsmitglieder erfahrene und mit der gewöhn lichen Beschaffenheit der Sträflinge vertraute Männer sind, so habe ich mich entschlossen,zu die ser Kommission nebst meinen Weihbischof und Generalvikar k. k. Mon. Rggrath Mathias Pollitzer, den Konsistorialrath und Dechant Phillipp Münich, der durch 15 Jahre Seelsorger im Strafhause war, und den Stadtpfarrer zu Baden Laurenz Alko der ebenfalls durch 12 Jahre im Strafhause angestellt gewesen ist, hiezu zu ernennen. Ich hoffe, daß EE. an diesen Männern keine unfähigen oder unwürdi gen Glieder der niedergesetzten Kommission erhalten werden, und bitte Hochdieselben wollen mich in Kenntniß setzen, wann EE. die Berathun gen zu beginnen wünschen, um den Ernannten die nothwendige Weisung sich EE. ehrfurchtsvoll zu präsentieren und am bestimmten Tage zu erschei nen, geben zu können. Ich habe die Ehre Wien, den 14. May 1844 Z 3164 Vinc.E.Milde'"') P Fase.U.St.51 2 3.0 Die Analyse und Interpretation dieser Dokumente vermittelt Einblick in die Art und Weise, wie V. E. Milde derartige an ihn herangetragene Pro bleme anging. Im Dokument 2.2 wird von Milde 1. die „Wichtigkeit der Verhandlung" ausdrücklich anerkannt und 2. die Notwendigkeit eingesehen, „daß die Kom missionsmitglieder erfahrene und mit der gewöhnlichen Beschaffenheit der Sträflinge vertraute Männer sind". Im Dokument 2.3 wird 3. das literarisdie Studium einzelner Gefängnis systeme, besonders des Pensylvanischen und Auboumischen als vorläufige Arbeit aufgegeben und 4. das Durchdenken der Vor- und Nachteile dieser Systeme im Hinblick auf den Gegenstand: „die moralische Besserung der Sträflinge", als Vor bereitung für eine 5. anberaumte geraeinsame Aussprache über die Problematik genannt. Das von Milde in beiden Dokumenten genannte Kriterium für Sachverständigkeit — Erfahrung — bewegt ihn dazu, zwei Geistliche mit Strafhaus erfahrung auszusuchen: Phillipp Münich, ein Schü ler Mildes, war 15 Jahre Seelsorger im Wiener Zuchthaus; er hatte dort versucht, nach Mildes Instruktion zu arbeiten'"'). Der Stadtpfarrer von Baden, Laurenz Alko, war nach Mildes eigenen Worten ebenfalls zwölf Jahre als Strafhausseel sorger tätig. Im Brief vom 14. Mai 1844 fügt Milde dem Kriterium der Erfahrung noch das einer Ver ständigkeit („ruhige und richtige Denkungsart") hinzu. Obwohl Milde nicht unmittelbar selbst an der Arbeit der Kommission beteiligt war, lassen seine Initiativen waches Interesse erkennen. Gegenstand des Problems (Strafvollzug) ist für ihn noch immer die moralische Besserung der Sträflinge. Die Ab sicht, „das Strafleiden... so zu gestalten, daß da durch eine gesetzliche, womöglich eine sittliche Besserung des Verbrechers erzielt wird"®), war das Ziel der Gefängnis- und Strafreform im nord amerikanischen Staat Pennsylvanien. Die damit verbundene Bemühung, die Straf- und Haftart angemessen umzuwandeln, führte dort erst in den Jahren 1818 bis 1821 mit dem Bau von Zellen gefängnissen zu einem teilweisen Erfolg'). Der nordamerikanische Staat New York nahm das pennsyivanische Konzept auf und richtete nach ihm im Jahre 1820 das Zuchthaus zu Auburn ein®). Milde, dessen Arbeiten zum Strafvollzug in den Jahren zwischen 1810 bis 1817 lagen, hatte also die nordamerikanische Reform des Gefängnis- und Strafwesens, deren Erfolge sich ab 1818 im Bau von Zellengefängnissen zeigten, weiterverfolgt. Das Pennsyivanische und Auburnische Gefängnissystem gelten ihm noch in seinem Brief vom 13. Mai 1844 als diskutable Reform-Modelle, deren Vor- und Nachteile zu studieren er den von ihm ernannten Mitgliedern der Gefängniskommission empfahl. Mildes waches Interesse an der Reform des Straf vollzuges war auch zugleich ein aktives. Nachdem er als Kommissionsmitglieder Geistliche mit Straf hauspraxis ausgesucht und ihnen ein entsprechen des literarisches Studium zum Problem nahegelegt hatte, lud er sie zu einer gemeinsamen Aussprache über die von ihnen studierte Thematik zu sich ein. Erfahrung und Verständigkeit voraussetzend, be mühte er sich selbst darum, diesen vorgesehenen Sachverständigen zur Weiterentwicklung einer spe zifischen Sachkompetenz zu verhelfen — eine Weise, die für Milde als Pädagoge charakeristisch ist und in der er selbst aktiv an der Weiterbildung der Priester — auch für spezifische Aufgaben bereiche — mitarbeitete. Auf diese Weise im Hin tergrund stehend, nahm er noch im Alter wirksam und aktiv an den Reformbestrebungen des Straf vollzuges in Österreich teil. Anm.:''l Vgl. Holtstiege, H.: Die Pädagogik Vinzenz Eduard Mildes (1777—1853). Wien: Wiener Domverlag 1971. S. 61, 62. — Ebda. S. 77; der genannte Brief findet sich an dieser Stelle in seinem vollen Wortlaut abgedruckt.—") Schreiben V.E. Mildes an den Dechant Phillipp Münich in Ebersdorf (und) Pfarrer Laurenz Alko in Baden. Wien, 13. 5. 1844. Diöz. Arch. Wien.Praesidialia U 51. — ■') Schreiben V. E. Mil des an den Reg. Präsidenten Talatzko. Wien. 14. 5. 1844. Diöz. Arch. Wien. Praesidialia U 51. — ®) Vgl. Krebs, L.: Vinzenz Eduard Milde und die Seelsorge in Straf häusern. Wien 1922. S. 9—12 (Theol. Studien d. österr. Leo-Gesellschaft. Bd. 25). — ") Krohne, K.; Lehrbuch der Gefängniskunde. Stuttgart: Enke: 1889. S. 39. — ') Vgl. ebd. S. 42. — «) Vgl. ebd. S. 46. NB. Dem Her ausgeber Dr. F. L. zum 40jährigen Priesterjubiläum gewidmet. 3. Neuere Verbote politischer Betätigung des Klerus Im Jahre 1930 hatte es eine heftige Debatte über: Klerus und Partei, gegeben. Zwei Kleriker-National räte der damaligen Christlichsozialen Partei: einer aus Niederösterreich und einer aus der Steiermark, stan den zur Debatte. Im Korrespondenzblatt für den katho lischen Klerus, Wien 1930, 18, 173, hieß es darauf: Viele Einsendungen gabs. Es wäre für die gesamte Veröffentlichung eine eigene Nummer nötig gewesen. I) 1933 (April): Aviso 1: Wegen vielfacher Anfragen mögen die hochw. Hr. Seelsorger den Gläubigen folgendes zur Kenntnis bringen: Es ist der Wunsch Sr. Eminenz, daß die Gläu bigen beim Gottesdienst das Tragen von Abzeichen oder Kleidung politischer Parteien welcher Richtung immer vermeiden, damit sich beim Gottesdienst alle — wie es der Geist der kirchlichen Liturgie verlangt — als eine Familie fühlen und alles Trennende möglichst be seitigen. Dieselben Richtlinien gelten auch für die Be teiligung an kirchlichen Prozessionen (WDBl. 1933, Nr. 3/4, S. 40). (Anm.: Anweisungen für die katholischen Vereine und die Vereinsarbeit der Priester. Ebda, Nr. 5/6, S. 41 f.)

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