Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

eine Würdigung versagt blieb, sei hier ein kurzer Nach ruf nachgeholt. Er war ein echter Rheinländer, fast schon holländi scher Prägung. Wurde am 2. Jänner 1881 zu Brebern (Nachbarheit) geboren-), trat nach den Mittelschul studien in den vom hl. Kamillus von Lellis zu Rom gestifteten und 1591 päpstlich bestätigten Orden der Kamillianer (Regular-Kleriker vom Krankendienst) ein®), legte 1903 die Profeß ab und wurde nach den philosophisch-theologischen Studien in Städten, wo der Orden eine Niederlassung besaß, also in Roermond (Niederlande) (Noviziat und Scholastikat), Turin (Ita lien) und Rom am 30. Juli 1905 zum Priester geweiht. Kam nach dem Erwerb des Doktors theol. rom. nach Wien, wo eben „mittelst Allerhöchster Entschließung Sr. k. u. k. Apostol. Majestät Kaisers Franz Joseph I." mit 28. September 1906 der Kamillianer-Orden „für die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder ge nehmigt" worden war und auch schon seinen kleinen Konvent in Lainz (Wien XIII.) errichtete, da die Kamil lianer — wie es ihrem vierten Gelübde des geistlichen und leiblichen Dienstes an Kranken entsprach — mit der Seelsorge am Wiener städtischen Versorgungsheim daselbst betraut worden waren. Tongelen kam als vier ter Pater hinzu. Bald, darauf wurde er als jüngstes Konventsmitglied Hilfsseelsorger am Wiener BürgerVersorgungshaus in Wien IX, Währinger Straße 45 (be steht nicht mehr) eingesetzt und löste dann seinen Mitbruder P. Josef Hayn als Kuratbenefiziat und Rek tor der öffentlichen Kapelle zum göttlichen Erlöser darin ab, 1911 stand er wieder in Verwendung im Ver sorgungsheim zu Wien-Lainz, wirkte aber ab 1914 mit zwei bzw. drei Ordensbrüdern als erster Kurat am k. k. Allgemeinen Krankenhaus (Wien IX, Alserstraße) und schließlich ab 23. Februar 1917 als Geist licher Rektor mit drei Kuraten daselbst und drei Kuraten an den k. k. Universitätskliniken (in der Spital gasse). 1919/20 an der Zentrale des Deutschen Karitas verbandes in Freiburg im Breisgau tätig und ausgebil det, wurde er im August 1920 von Kardinal-Erzbischof Piffl für die Karitasarbeit in der Wiener Erzdiözese gewonnen und fand damit seine führende organisato rische und erfolgreiche Tätigkeit auf diesem, gerade in der notvollen Zwischenkriegszeit so dringlichen christ lichen Betätigungsfeld. Die durch den Zusammenbrudi der Monarchie im November 1918 und die Gründung der Republik ge änderten Verhältnisse und die vielseitigen Nöte ver langten auch eine Um- und Neuorganisierung der Karitasbewegung, die Tongelen mit dem bisherigen Direktor Raimund Fürlinger einleitete und dann all mählich den Zeitumständen entsprechend als verant wortlicher Direktor ausbaute. So wurde gleich nach einjähriger Vorarbeit der Karitasverband der Erz diözese Wien (bisher im Rahmen des alten österreichi schen Karitasverbandes) im November 1921 gegründet und dadurch der gesamten Karitasarbeit eine aus gesprochen kirchliche Richtung gegeben. Laut Statuten (mit Datum 11. November 1921) schlössen sich damit die Karitaszentrale (Wien IX, Währinger Gürtel 104) und die Pfarrkaritasausschüsse eng an den kirchlichen Organismus wie Diözese und Pfarre an und unter stellten sich dem Bischof bzw. dem jeweiligen Pfarrer. Eine weitere Vertiefung in dieser kirchlichen Entwick lung erbrachten neue Statuten im Jahre 1929, und als letzten Schritt „zur vollen Verkirchlichung" die 1934 genehmigten Statuten, wodurch das nunmehr geschaf fene Karitasinstitut der Erzdiözese Wien zur Haupt stelle für Karitas im Rahmen der Katholischen Aktion umbenannt wurde. Tätigkeitsberichte im „Volkswohl" und eigene gewähren Einblich in die sich steigernden Leistungen materieller und geistiger Hilfen, aber auch in den Fortschritt der Organisation der vielgestaltigen Karitas bis in die Pfarren hinaus, wie als Beispiel und Beleg der Tätigkeitsbericht (im Selbstverlag, 32 Seiten) vom Vereinsjahr März 1934 bis März 1935 auszuweisen vermag. Darin heißt's: In der Stadt und auf dem Land wurden neue Pfarrkaritasausschüsse gegründet und andere, deren Tätigkeit durch Personaländerungen oder andere Ursachen etwas erlahmt war, wieder frisch belebt. .. Karitative Vereine und Anstalten erhielten von der Karitaszentrale namhafte finanzielle Zu schüsse; einigen wurden Kanzleien gratis zur Ver fügung gestellt, so dem St.-Vinzenz-Verein, dem Hilfs verein für Lungenkranke, dem Kinderfürsorgeverein „Maria Josefinum", dem Verband christlicher Haus gehilfinnen, dem Katholischen Kreuzbund, dem MariaElisabeth-Verein . . . Die Monatsversammlungen des Karitasinstituts dienten der Fortbildung der ehren amtlichen Mitarbeiter... Ein ständiges Damen-Komitee des Karitasinstituts (meist Ministers- und DirektorsFrauen) wurde eingeführt.. . Es gab einen Fortbil dungskurs für Erzieherinnen und Jugendfürsorgerin nen, einen Karitaskurs für Gebildete mit 270 Be suchern, die Kleruskredithilfe wurde 1932 im Verein mit der Versicherungsanstalt der österreichischen Bun desländer als „Genossenschaft" unter diesem Namen gegründet und als richtig volksverbundenes Werk die Karitas-Sterbevcrsorge ins Leben gerufen, das sich trotz der schwierigen Wirtschaftsverhältnisse rasch ent wickelte und über ganz Österreich ausbreitete. Auch die Propaganda wurde modern betrieben. Als sehr vor teilhaft erwies sich das immer stärkere Zusammen gehen mit der öffentlichen Wohlfahrtspflege (dem Wohlfahrtsamt der Gemeinde Wien und dem Bundes ministerium für soziale Verwaltung). Vor allem aber wurde die eigentliche Fürsorge arbeit vorangetrieben und ausgebaut, wie die Armenund Krankenfürsorge, die Mutterberatung, Berufsvor mundschaft und Jugendgerichtshilfe, Beratung für schwer erziehbare und gefährdete Jugend, Stellenver mittlung und Auswandererfürsorge, Katholische Win terhilfe (wie Ausspeisungen, Aktion Elisabeth- und Josefstisch), alles segensvollste Unternehmungen in der harten Zeit der Verarmung nach dem Ersten Weltkrieg und der bitteren Arbeitslosigkeit in den zwanziger und dreißiger Jahren. Hinter allem stand mit Energie und Planung der Karitas-, später Generaldirektor Tongelen, der dann auch als Präsident der auf internationaler Basis tätigen „Caritas Catholica" sein Können unter Beweis stellte. Schon 1922 wurde er in Anerkennung seines Wirkens mit dem Titel eines (Staatlichen) Fürsorgerates aus gezeichnet, dem allmählich alle Kirchentitel bis zum Päpstlichen Hausprälaten (1936) folgten. Das Jahr 1938 brachte auch für die Karitas die schon oft genannten und bedauernswerten Schwierig27

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