Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

durch die Tatsache, daß Milde sich — wie erwähnt — bereits früher zu dieser Thematik geäußert hat. II. Herstellung eines Kontextes zwischen dem Dokument und einer Milde früher abgeforderten Äußerung zur Taubstummen-Bildung Wie aus den „Acta Vincentii Eduardi Milde"'") hervorgeht, erstellte Milde unter dem 25. Novem ber 1819 ein „Gutachten über Czech's Religionsbuch für Taubstumme""). Dieses Gutachten war laut Ein trag von der Nö. Landesregierung dem St. Pöltener Konsistorium und durch dieses dem Dechant Milde in Krems abgefordert worden: „Der Hochwürdige Herr Dechant zu Krems hat infolge hoher RegierungsIndorsats vom 14.: empf.: 23. September 1. J. über die Brauchbarkeit des vorliegenden Manuskriptes für Taub stumme in Vergleiche mit dem bisher gebräuchlichen Lehrbuche sich hieher zu äussern, und das Kommunikat wieder rückanzuschliessen, um sodann das anverlangte Gutachten hierüber an die hohe Landesstelle abgeben zu können. Ex Consistorio Epp. St. Pölten am 23. Sep tember 1819. Bartholomäus Erlicher, Kanzler."'-) Da das Gutachten bisher nicht auffindbar und ebenso alle Nachforschungen in Krems, St. Pölten und im Nö. Landesarchiv Wien vergeblich waren, sei an dieser Stelle die Eintragung im Nö. Landesarchiv wieder gegeben: „Taubstummen-Institut für dessen Zöglinge neuer kleiner Katechismus vom Catecheten Hermann Czech. — S. O. A. überreicht ein Manuskript. — An erzb. Consistorium zur Äußerung... 20. August/ 31706/7. Erzb. Cons. 9. September 2024 ad 31.706. — An St. Pöltener Consistorium zur gutachtlichen Äußerung über die Brauchbarkeit dieses Manuskrip tes... 14. Sept./34 863/7. — St. Pöltener Cons. 20. Dezember ad 34 863 — findet dieses Buch nicht brauchbar — An S. O. A. — An St. P. Cons. 18. Jän ner 48 686.'"'*). Laut Auskunft des Diözesanarchivs St. Pölten ist das von Milde erstellte Gutachten am 28. November 1819 dort eingegangen und unter dem 20. Dezember 1819 an die Nö. Landesregierung weiter geleitet worden. Die in der zitierten Eintragung des Nö. Landesarchives in Wien enthaltene knappe Aussage: „St. Pöl tener Cons. 20. Dezember... findet dieses Buch nicht brauchbar..." dürfte den Kern des Gutachtens von V.E. Milde wiedergeben. Das dem Wiener Consistorium im Jahre 1837 ab verlangte und am 16. April 1838 gegebene Gutachten enthält folgende Beurteilung des Czech'schen „Bilder buches" (nach dem Kontext zu schließen, wohl ein von Czech verfaßtes Methodenbuch) zur TaubstummenBildung: „Das f. Kons, muß zwar sagen, daß das von dem Katecheten Czech herausgegebene Werk weder etwas Neues noch besonders Gründliches enthält und mehr den beigegebenen Bildern als dem Inhalt seinen Ruf verdankt." Beide Urteile erstrecken sich also auf eine inhalt liche Ablehnung der Werke von Czech: nicht brauch bar bzw. weder neu noch gründlich. Die Kriterien Brauchbarkeit und Gründlichkeit decken sich mit den von Milde in seinen Schriften häufig verwendeten Beurteilungskriterien sowohl hinsichtlich des Unter richtes als auch der Lehrbücher. Wenn nach den vorstehenden Überlegungen auch ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für Milde als den Verfasser des Dokumentes zur Taubstummen-Bil dung spricht, so kann dieses doch nur dann als von Milde stammend mit Sicherheit identifiziert werden, wenn es gelingt, das frühere Gutachten von 1819 auf zufinden und zum Vergleich heranzuziehen. Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß sowohl die Anforderung eines Gutachtens im Jahre 1819 als auch im Jahre 1838 von Seite der Regierung erfolgte. Wie Archivstudien erkennen lassen, wurde im Jahre 1813 eine Erhebung der Taubstummen in der Wiener Erzdiözese durch den Erzbischof anberaumt, der ein Schreiben Sauraus vom 25. November 1812 vorausging, das mit einem beigefügten Bericht zu dem gegenwärtigen Stand der Sorge für Taubstumme des Erzbischofs Meinung erbittet'''). Bei diesen Archiv unterlagen befinden sich weitere Briefe von der Regie rung aus den Jahren zwischen 1821 und 1823, die die Abfassung eines Methodenbuches für den Unterricht bei Taubstummen zum Gegenstand haben. Dem Gutachten von 1838 geht ebenfalls eine Re gierungsinitiative, näherhin eine Initiative der Studienhofkommission aus den Jahren 1836/1837 voraus, durch die das Konsistorium zur Berichterstattung aufgefor dert wird: „N.11 899 Von der k. k. noe. Landesregierung Seine k. k. Majestät haben mittelst Allerhöchstn mit h. Studienhofkommissions-Dekrete vom 28. Dezem ber V. J., 16. Februar 1. J. eröffneten Kabinetschreibens einen Allerhöchstdenselben überreichten Vorschlag dem Unterrichte der Taubstummen in der Monarchie die möglichst größte Ausdehnung zu geben mit dem Auf trage herabgelangen zu lassen geruhet, daß dieser Gegenstand zwar in schleunige, jedoch zugleich sehr gründliche Überlegung genommen und sonach hierüber das Gutachten an Seine Majestät erstattet werden. Dem Fürsterzbischöflichen Consistorium wird da her ein lithographirtes Exemplar des in der Frage stehenden Vorschlages mit Ausnahme der nicht un entbehrlichen Beilagen 1—7 mit der Weisung zu gefertigt. Dieser Gegenstand in so weit es in das Be reich desselben einschlägt, und insbesondere den Vor schlag wegen des Unterrichtes zur Bildung von Taub stummen im ausgedehntesten Sinne mit bestimmter Rücksicht auf die praktische Ausführung punktweise in Überlegung zu vernehmen, und ihre punktweise auf zufassenden Gutachten seine eigene wohlerwogene An sicht beizufügen und sich nöthigenfalls hierüber mit den k. k. Kreisämtern ins Einvernehmen zu setzen. Der diessfällige Bericht wird zuverlässig bis 30. April erwartet. Wien am 12. Marz 1836 Waldstätter An das Fürsterzbischöfliche Consistorium zu Wien."'®) Wie die vorstehenden skizzenhaften Umrisse er kennen lassen, wandte sich in den Jahren zwischen 1810 und 1840 sowohl das Interesse des Staates als auch der Kirche im gegenseitigen Einvernehmen der Sorge um die Bildung „Mindersinniger"(um das Komplemen tärwort zu den „Vollsinnigen" des Gutachtens von 1838 zu verwenden) zu. Es wäre sicher lohnend, diesen An fängen sonderpädagogischer Bemühungen nachzugehen, zumal auch das Diözesanarchiv Wien Unterlagen über den Blinden-Unterricht aufbewahrt'®). Anmerkungen: ®) Vgl. dazu Holtstiege, H.: a. a. O. S. 76, 77, 223, 224. — ■•) Vgl. z. B. a. a. O. S. 150, 152. — ®) Vgl. dazu auch: a. a. O. S. 61, 72, 76 — ®) Vgl. a. a. O. S. 234, 235, 237. — ') Vgl. z. B.: a. a. O. S. 60, 61, 72. — «) Vgl. auch: a. a. O. S. 235, 236. — ") Vgl. a. a. O. S. 74. — '") Vgl. a. a. O. S. 59 — ") Acta Vincentii Eduardi Milde a 27. Dec. 1814 usque ad . . . Nr. 1198, 1246. Pfarrarchiv Krems. — Schreiben des Kons. St. Pölten v. 23. September 1819. Diözesan archiv Wien; Bischofsakten Milde; Fasz. Pädagogik. — '®) Nö. Lanciesarchiv N. ö. Reg., 31,706 — K7 — 1819 (skart.). — ''') Vgl. Unterlagen im Diözesanarchiv Wien. Fase. Taubstummeninstitut. — Schreiben der k. k. nö. Landesregierung v. 12. März 1836, Diözesanarchiv Wien. Taubstummeninstitut. — '®) Vgl. Archivunterlagen im Diözesanarchiv Wien. Blindeninstitut. 25. Dr. Joseph van Tongelen (t1245)^) Caritasdirektor, Kanzelredner, Schrift steller und Schriftleiter Dr. Franz Loidl Der Name Tongelen ist mit der Karitas zwischen den beiden Weltkriegen eng verknüpft. Da Prälat Ton gelen während des Zweiten Weltkrieges und. der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft starb und ihm 26

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